Der Höcke-„Flügel“der AfD wird ab jetzt überwacht
Der Verfassungsschutz nimmt die völkisch-nationale Gruppierung ins Visier
- Ein Jahr lang hat der Bundesverfassungsschutz Teile der AfD geprüft. Jetzt ist klar: Der sogenannte „Flügel“gilt als Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Er wird nun vom Inlandsgeheimdienst überwacht. Was bedeutet das konkret? Wichtige Fragen und Antworten.
Was wirft das Bundesamt für Verfassungsschutz dem „Flügel“vor?
„Als erwiesen extremistische Bestrebung“stufte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang die Gruppierung ein. Er nannte Verstöße gegen prägende Merkmale der freiheitlich-demokratischen Grundordnung wie Menschenwürde, Demokratieund Rechtsstaatsprinzip. Die Mitglieder verachteten den Parlamentarismus, würdigten Minderheiten herab, propagierten Fremdenfeindlichkeit. Zudem habe der „Flügel“seine Vernetzung mit rechtsextremen und neurechten Strukturen ausgebaut. Die Aushängeschilder „des Flügels“– die AfD-Landeschefs von Thüringen und Brandenburg, Björn Höcke und Andreas Kalbitz, seien erwiesene Rechtsextremisten.
Welche Belege führt der Verfassungsschutz an?
Er beruft sich unter anderem auf Interviews und Reden von „Flügel“-Mitgliedern. So zitiert Haldenwang Höcke mit Aussagen über den Islam, dem als „Besatzungsmacht“der Zutritt zu Europa zu verwehren sei, weil die Migration zu einer „kulturellen Kernschmelze“führen würde. Man müsse auch mit der Gefahr leben, dass man „leider ein paar Volksteile verlieren“werde, „die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen“.
Warum ist der „Flügel“so gefährlich?
Der Verfassungsschutz sieht ihn als Ideengeber und propagandistischen Aufhetzer zu rechtsterroristischen Taten wie in Kassel, Halle oder Hanau.
Wie viele AfD-Mitglieder sind im „Flügel“organisiert?
Die Verfassungsschützer berufen sich bei ihren Schätzungen auf den Ko-Bundessprecher der Partei, Jörg Meuthen, der 20 Prozent der Partei dem „Flügel“zuordnet. Bei 35 000 AfD-Mitgliedern entspricht das 7000 Menschen.
Wie groß ist der Einfluss des „Flügels“in der AfD?
Nach Angaben des Abteilungsleiters Rechtsextremismus beim Verfassungsschutz, Joachim Seeger, hat seine Bedeutung im vergangenen Jahr noch zugenommen. Die Gruppierung nutze intensiv Social-Media-Kanäle, betreibe einen Onlineshop und habe ihren Einfluss strukturell ausgebaut. So wurde in den Bundesländern ein System von Obleuten installiert. Bundestags-Fraktionschef Alexander Gauland selbst hat über den „Flügel“gesagt: „Björn Höcke ist die Mitte der Partei.“
Welche Mittel dürfen zur Überwachung eingesetzt werden?
Für erwiesene verfassungsfeindliche Bestrebungen darf der Verfassungsschutz sämtliche Beobachtungsmittel einsetzen. Neben der Sichtung frei zugänglichen Propagandamaterials können V-Leute in die Organisation eingeschleust oder Telefone abgehört werden.
Wie kann sich eine Beobachtung auf Partei und Wähler auswirken?
Um ihr Stimmenpotenzial auszuschöpfen, will die AfD vermehrt konservative Wähler ansprechen. Rechtsextreme Töne oder gar eine Beobachtung durch die Sicherheitsbehörden könnten abschreckend wirken, die Umfragezahlen stagnieren zurzeit. Darüber hinaus müssen „Flügel“-Mitglieder, die Beamte sind, bei Zweifeln an ihrer Verfassungstreue mit der Entfernung aus dem öffentlichen Dienst rechnen.