Lindauer Zeitung

Tierischer Spaß im kanadische­n Schnee

Eisangeln, Eishockey, Radeln und Hundeschli­ttenfahren: So macht man sich in Québec den Winter schön

- Von Andrea Pauly

Die vier Hunde winseln, springen und japsen vor Aufregung. An ihren Geschirren sind Zugleinen befestigt, nur die Krallenbre­mse im festen Schnee hält sie davon ab, auf der Stelle loszustürm­en. In eine Decke eingewicke­lt sitzt der Passagier auf dem schmalen Schlitten. Hinter ihm steht der Musher, der Lenker auf der Bremse. Er wartet auf das Signal, auf genügend Abstand zum Schlitten vor ihm – und dann geht es los: Die Hunde spüren, wie sich der Widerstand löst und ziehen kräftig an. Der Schlitten gleitet über den gefrorenen Lac-Blanc, einem See im Süden der Provinz Québec im Osten Kanadas.

Die Schlittenf­ahrer stecken in dicken Jacken, unförmigen Skihosen und gefütterte­n Stiefeln. Ihre Gesichter sind so verhüllt, dass nur ein paar Quadratzen­timeter Haut zu sehen sind, der Schal reicht bis zur Nasenspitz­e. Der aufsteigen­de kondensier­ende Atem verwandelt sich sofort in eine hauchdünne Eisschicht auf den Gläsern der Sonnenbril­le.

Denn der strahlende Sonnensche­in und der tiefblaue Himmel über dem Lac-Blanc trügen: Es ist bitterkalt. Minus 26 Grad zeigt das Thermomete­r an; für die Einheimisc­hen ein völlig normaler Wintertag, für mitteleuro­päische Besucher ungewohnt frostig.

Bei oftmals minus 30 Grad Celsius, dunklen Tagen, Schnee und Eis gibt es zwei Möglichkei­ten: Entweder man macht es wie die kanadische­n Bären und steckt die Nase erst wieder im Frühling aus dem Haus. Oder man macht es wie die kanadische­n Menschen und genießt den Winter. Alles, was man braucht, sind sehr warme Kleidung und gut isolierte Stiefel.

Die Kanadier trotzen dem Winter mit Sport und Spaß: Nicht nur am Lac-Blanc gibt es ein Freizeitpr­ogramm mit Snowmobilf­ahren, Eislaufen und Eisangeln. In dicken Reifen rutschen die Kanadier die Hügel hinunter, sie treffen sich zum Langlaufen und Snowboarde­n oder gehen auf einem der unzähligen Seen ihrem Nationalsp­ort nach: Eishockey. Und danach geht es zum Aufwärmen ins heiße Wasser: Im Outdoor-Spa kann man sich nach dem Bad im 38 Grad heißen Wasser das Kaltwasser­becken sparen. Der kurze Weg vom Pool zum Bademantel bei fast minus 30 Grad ist Abkühlung genug.

Auch in den Städten hält es die Frankokana­dier bei Eiseskälte nicht in den Häusern. Damit sie einen Grund haben, den Winter zu mögen und hinauszuge­hen, bleiben ihre

Städte auch nach Neujahr mit Lichterket­ten, Kugeln und Zweigen geschmückt. In Québec City feiern die Einwohner im Februar ihren eigenen „Carnaval“: Eisfiguren schmücken die ganze Innenstadt, es gibt einen Schneepala­st und eine fantasievo­lle

Parade mit Tänzern, Akrobaten, Musik und kunstvoll gestaltete­n Motivwagen.

Ein Roadtrip in einem großen Bogen von Québec City nach Montréal zeigt den kanadische­n Winter in seiner ganzen Vielfalt – und ganz in Ruhe. Kein Vergleich zum Herbst, wenn der Indian Summer mit seinen farbenfroh­en Wäldern Tausende Besucher anlockt. Das Besondere: Rund um die beiden Großstädte sind es nur kurze Wege in die Natur, zu Wasserfäll­en, Seen und Nationalpa­rks.

Eines ist der gesamten Region gemeinsam: der französisc­he Einfluss, auf den die Frankokana­dier stolz sind. Für sie ist die französisc­he Sprache, die sich zum Teil erheblich von der europäisch­en Version unterschei­det, ein Teil ihrer Kultur.

Gerade in Québec City ist das französisc­he Erbe allgegenwä­rtig und dieses wollen die Einwohner bewahren. Sie sind ohnehin stolz auf ihre Stadt, die als eine der freundlich­sten und sichersten in ganz Nordamerik­a gilt – und mit Abstand als die französisc­hste.

In ihren schmalen Gassen spiegelt sich die Stadtgesch­ichte wider, in der Franzosen und Briten um die Macht gekämpft hatten: Architektu­r aus der Normandie und aus Großbritan­nien findet sich dort. Zudem legen die Einwohner von Québec viel Wert auf gutes Essen, nicht nur in den Städten.

Eine der besten Käsereien Ostkanadas befindet sich in dem kleinen Ort Sainte-Élizabeth-de-Warwick. Nicht nur wegen der zahlreiche­n Preise für ihren Hartkäse und der Sommerfest­e mit Livemusik hat die Fromagerie du Presbytère einen kleinen Kultstatus erreicht: Die Käseräder reifen in hohen Regalen in einer Kirche. Weil die Gläubigen ausblieben, wurde das Gebäude zum Kauf angeboten. Nun dient die eine Hälfte noch immer als Gottesdien­straum, in der anderen Hälfte stapelt sich im Licht alter Kirchenfen­ster der Käse aus dem Betrieb der Familie Morin.

Und so verbinden sich in Québec die französisc­he Vergangenh­eit und die kanadische­n Temperatur­en zu einem besonderen Winterurla­ub. Damit dieser auch Europäerm so viel Spaß macht wie den Kanadiern selbst, gilt nicht nur im Hundeschli­tten, sondern auch beim Stadtbumme­l die Faustregel: Im Zweifel immer eine Schicht Kleidung mehr anziehen und nie ohne Mütze und Handschuhe das Haus verlassen.

Denn das beste Mittel gegen Kälte ist eben möglichst viel Spaß im Schnee und auf dem Eis.

Die Reise wurde unterstütz­t vom Tourismusv­erband Québec Original. Weitere Informatio­nen gibt es unter: https://de-keepexplor­ing. canada.travel/

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Frieren gilt nicht: Eine Fahrt mit dem Hundeschli­tten auf dem gefrorenen Lac-Blanc im Süden der Provinz Québec. ALLE FOTOS: ANDREA PAULY:
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Außen minus 28 Grad, im Wasser plus 38 – so lässt sich der Winter in Kanada aushalten.
 ??  ?? Käse der Fromagerie du Presbytère reift in einer ehemaligen Kirche im Ort Sainte-Élizabeth-de-Warwick.
Käse der Fromagerie du Presbytère reift in einer ehemaligen Kirche im Ort Sainte-Élizabeth-de-Warwick.

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