Beethoven und Knecht
Justin Heinrich Knecht (17521817) war 18 Jahre älter als Beethoven. Er ist in Biberach geboren und gestorben und war der Musikdirektor seiner Heimatstadt (und kurz auch in Stuttgart). Es gibt von ihm Singspiele, Opern, Orgelmusik, Geistliche Werke, darunter ein Choralbuch – und noch vieles, was verschollen ist. Er hat auch eine Symphonie geschrieben, die – so ihr Titel – als „musikalisches Portrait der Natur“angelegt ist: Die Sonne scheint, Winde wehen, Vögel zwitschern, Schafe hüpfen, der Hirte flötet, die Schäferin singt. Dann zieht ein Gewitter
auf, mit Blitz, Sturm und Regengüssen. Und danach ist alles wieder gut.
Knecht gibt seiner Sinfonie solche detaillierten Beschreibungen mit, was zu seiner Zeit eine Neuigkeit war. Das Programm glaubt man zu kennen: von Beethovens 6. Sinfonie. Dass Knechts „große Symphonie“Beethovens Vorbild war, ist nicht mit letzter Sicherheit bewiesen, aber offenkundig. Die Partitur ist im selben Verlag erschienen, in dem Beethoven auch publizierte. Und die Übereinstimmung des Programms spricht für sich, auch die 5sätzige Anlage beider Werke.
Es gibt auch Aufnahmen von Knechts musikalischem Naturporträt, etwa von Frieder Bernius (bei Carus). Jetzt ist eine weitere erschienen, die – abgestimmt aufs Beethoven-Jahr – beide Sinfonien auf eine CD bringt. Das Ensemble „Akademie für Alte Musik Berlin“hat sie eingespielt, in historischer Aufführungspraxis. Die beschränkt sich nicht nur auf die historischen Instrumente. Das Ensemble hat auch seine Besetzungsstärke auf die Raumgrößen der Beethoven-Zeit abgestimmt, von denen in Wien einige die Zeiten überdauert habe: zum Beispiel der Festsatz im Palais Lobkowitz, in dem Beethovens Eroica uraufgeführt wurde.
Das Orchester spielt ohne Dirigenten, Konzertmeister Bernhard Forck übernimmt die Koordination. Das war damals noch üblich. Aber der Wandel bahnte sich schon an, weil die Kompositionen komplexer wurden. Das kann man gerade an dieser CD nachvollziehen, die bei Harmonia Mundi erschienen ist. „Der beständige Wechsel erfordert die höchste Präzision“, schrieb damals E.T.A. Hoffmann und forderte einen Dirigenten, der das Orchester beständig im Auge behält.
Die Akademie für Alte Musik bewältigt all dies mustergültig, das Klangbild ist wunderbar transparent, schon aufgrund der Klangfarben der historischen Instrumente. Gute Beiträge im Booklet von Konzertmeister Bernhard Forck und dem Komponisten und Musikwissenschaftler Peter Gülke ergänzen die CD. (man)
Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 6 „Pastorale“/Justin Heinrich Knecht: „Le Portrait musicale de la Nature ou Grande Simphonie“. Akademie für Alte Musik Berlin. harmonia mundi.