„Ich würde eine eigene Verwaltung vorziehen“
Weißensbergs Bürgermeister Kern äußert sich im Interview kritisch gegenüber der Verwaltungsgemeinschaft
- Kurz vor den Kommunalwahlen ist es ruhig in Weißensberg. Bürgermeister Hans Kern kandidiert für seine dritte Amtszeit und hat keinen Gegenkandidaten. Der hätte nach Kerns Meinung aber sowieso kaum Chancen. Jan Scharpenberg hat einen Bürgermeister getroffen, der schlechte Nachrichten für den Baubeginn des neuen Kindergartens hat und sich nach mehr Eigenständigkeit für seine Gemeinde sehnt.
Ist das Ihre letzte Amtszeit?
Ja definitiv. Schon allein wegen des Alters.
Hätten Sie eigentlich gerne einen Gegenkandidaten gehabt? Manchmal zeigen solche Kandidaten ja auch Themen auf, die sonst niemand auf dem Schirm hatte.
Angenehmer ist es, dass ich keinen habe. Für den Wähler ist es natürlich interessanter, wenn er die Wahl hat. Aber ich hätte einem Konkurrenten jetzt auch keine großen Chancen einräumen können.
Stimmt es, dass einige Mitglieder des Gemeinderats aufgehört hätten, wenn Sie nicht mehr angetreten wären?
Ja, und es war auch mit ein Grund, dass ich mich noch einmal zur Verfügung gestellt habe. Wir haben jetzt noch größere Projekte, die anstehen. Deshalb war es dem Gremium auch wichtig, dass ich hier als Bürgermeister weitermache. Zudem macht mir die Arbeit Spaß, weil sie sinnvoll ist. Man ist unmittelbar für die Menschen vor Ort tätig. Hinzu kommt, dass die Rahmenbedingungen in Weißensberg sehr gut sind.
Sie sprechen die guten Voraussetzungen in Weißensberg an. Wie ist die Gemeinde in den letzten zwölf Jahren schuldenfrei geworden?
Ich war ja unter anderem zehn Jahre stellvertretender Kämmerer beim Landkreis Lindau. Als ich hergekommen bin, habe ich mir alle Verträge und finanzielle Verpflichtungen angeschaut und gleichzeitig überlegt, wie wir die finanzielle Einnahmesituation verbessern und die Ausgaben verringern können.
Können Sie dafür konkrete Beispiele nennen?
Wir haben zum Beispiel das Kommunalunternehmen „Alternative Energieversorgung Weißensberg“gegründet und zwei Photovoltaikfreiflächenanlagen gebaut. Dafür investierten wir über drei Millionen
Euro und erzeugen damit jährlich 2,3 Millionen Kilowattstunden Strom. Wir erzielten von Anfang an Gewinn. Mittlerweile sind es rund 440 000 Euro mit steigender Tendenz. Wir haben auch die Grundsteuer und die Gewerbesteuer erhöht, sind damit aber gleichzeitig unter dem Landkreisdurchschnitt geblieben. Hinzu kommen finanzielle Vorteile durch geänderte Verträge, aufgedeckte Fehler in Abrechnungen, Fortschreibung von Satzungen und so weiter.
Für die schwarze Null wurden aber keine Projekte verschoben oder gar nicht umgesetzt?
Nein, das konnten und können wir nicht machen. Es wird auch kein Dauerzustand sein, dass wir schuldenfrei sind. Wir haben jetzt die Situation, dass wir für den Umbau und die Erweiterung des Kindergartens 2,6 Millionen Euro investieren müssen. Damit wollten wir eigentlich schon vor zwei Jahren beginnen, also unabhängig vom Thema Schuldenfreiheit.
Letzter bekannter Termin für den Baubeginn war dieses Frühjahr.
Das werden wir definitiv nicht schaffen. Der Kindergarten ist in Trägerschaft der katholischen Kirchenstiftung St. Markus Weißensberg. Die Kirchenstiftung konnte sich an den Kosten des Vorhabens aufgrund fehlender Finanzmittel nicht beteiligen.
Deshalb hat sich die Diözese Augsburg bereit erklärt, uns 200 000 Euro für dieses Vorhaben als Zuschuss zu gewähren. Für den formalen Beschluss haben sie allerdings fast zwei Jahre gebraucht. Deshalb konnten wir das Fördergesuch erst im August 2019 bei der Regierung einreichen und warten täglich auf den Zuwendungsbescheid. Jetzt hoffen wir, dass wir wenigstens im Spätherbst mit den Arbeiten beginnen können.
Haben Sie sich darauf eingestellt, dass aufgrund des anhaltenden Baubooms dadurch Mehrkosten auf Sie zukommen?
Wir sind uns dessen bewusst und haben die aktuellen Kosten, samt einem Reservepolster, veranschlagt. Ich würde es im Nachhinein jedoch nicht mehr so machen. Hätte ich das Wissen damals schon gehabt, hätten wir auf die 200 000 Euro verzichtet. Ohne Verzögerung wäre uns das Vorhaben trotzdem günstiger gekommen.
Es sind ja auch 75 neue Wohnungen geplant. Wie wird die Infrastruktur in Weißensberg nachziehen müssen, um die vielen neuen Bürger zu versorgen?
Die Kita wird ja schon einmal so aufgerüstet, dass Potenzial für neue Baumaßnahmen vorhanden ist. Wie es sich tatsächlich darstellen wird, kann man heute nicht genau sagen. In der Schule, denke ich,, bringen wir noch zusätzliche Schüler unter. Wenn es nicht reichen sollte, wird man einen Anbau ins Auge fassen müssen. Alles Weitere, was uns betrifft wie Wasser oder Abwasser, ist kein Problem.
In Ihrer letzten Amtszeit setzen Politiker gerne unbequeme Projekte um, die ansonsten die Wiederwahl gefährden würden. Wäre das bei Ihnen vielleicht die Auflösung der Verwaltungsgemeinschaft mit Hergensweiler und Sigmarszell?
Nein, wenn, dann hatte ich das am Anfang meiner Amtszeiten im Kopf und habe es auch ernsthaft prüfen lassen, aber es ist nicht machbar, weil der Bayerische Landtag Anträgen auf Eigenständigkeit so gut wie nicht mehr zustimmt.
Trotzdem stehen Sie der Verwaltungsgemeinschaft kritisch gegenüber.
Wenn ich könnte würde ich schon eine eigene Verwaltung vorziehen. Sie haben die Verwaltung einfach im Haus und damit kurze Wege. Jetzt mache ich vieles selber, weil es einfacher ist, als das übers Telefon oder E-Mail zu managen.
Eine Zeit- und Arbeitsersparnis ist also nicht gegeben?
Nein, das ist für einen Bürgermeister eher eine Erschwernis. Die Mitarbeiter der Verwaltungsgemeinschaft haben drei Bürgermeister als Chefs.
Hinzu kommt der Geschäftsleiter als weiterer Vorgesetzter hinzu. Das bei knapp 20 Mitarbeitern, welche übrigens sehr gute Arbeit leisten. Kennen Sie ein Unternehmen, das solche Voraussetzungen hat? Zudem stehen die drei Gemeinden auch teilweise im Konkurrenzdruck zueinander. Der Posten des Gemeinschaftsvorsitzenden wird von einem Bürgermeister besetzt und wechselt bisher alle sechs Jahre. Ich als derzeitiger Gemeinschaftsvorsitzender sitze in Weißensberg und meine Mitarbeiter in Schlachters. Das sind suboptimale Arbeitsbedingungen. Aus diesem Grund ist es auch nicht leicht, hier ein Vertrauensverhältnis zu den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aufzubauen. Hinzu kommt die besondere Position des Geschäftsleiters, der über alle drei Gemeinden nahezu alles weiß. Dadurch erhält er eine sehr große Machtfülle. Das macht ein Vertrauensverhältnis auch zu ihm nicht einfach. Umgekehrt ist es auch für ihn nicht einfach, drei Herren dienen zu müssen.
Auch ohne Auflösung der Verwaltungsgemeinschaft stehen in den nächsten sechs Jahren große Projekte bevor.
Neben dem Kindergartenumbau und Erweiterung und dem Neubau des Rathauses samt barrierefreien Wohnungen wollen wir hier einen großen Gewerbebetrieb ansiedeln. Da sind wir seit zwei Jahren dran, haben aber noch keine Verträge unterschrieben und daher ist nichts spruchreif.
Aber vielleicht können Sie schon etwas über die Branche verraten?
Es geht Richtung Hightech.
Wäre das vielleicht auch ein Arbeitgeber, der zur Verjüngung der Gemeinde beitragen könnte?
Ja, das wäre eine Möglichkeit. Da gibt es auch eventuell ein zusammengehöriges Wohnbauprojekt. Allerdings von privater Seite und in Form von Geschosswohnungsbau. Denn wir können die Wohnbebauung in Weißensberg, wo wir in den Sechzigern bis in die Neunziger ein Baugebiet nach dem anderen hochgezogen haben, nicht fortsetzen, weil die Ressourcen einfach endlich sind. Ansonsten ist in ein bis zwei Generationen Weißensberg zugebaut. Die Zeit der Einfamilienwohnhäuser am Ortsrand ist vorbei. Aus diesem Grund haben wir seit 2008 konsequent keine neuen Baugebiete auf der grünen Wiese genehmigt und stattdessen nur das Bauen im innerörtlichen Bereich genehmigt.