Lindauer Zeitung

Festspiele Wangen wollen Grenzen ausloten

Zehnjährig­es Bestehen feiern die Verantwort­lichen mit erweiterte­m Rahmenprog­ramm

- Von Bernd Treffler

- Zu ihrem zehnten Geburtstag wollen die Festspiele Wangen ab dem 30. Juli einen Monat lang etwas Besonderes bieten. Gefeiert wird das Jubiläum vor allem mit einem erweiterte­n Rahmenprog­ramm und mit einer Reminiszen­z an die Anfangszei­t: Deshalb kehrt „Pippi Langstrump­f“auf die Bühne im Zunftwinke­l zurück. Auch im diesjährig­en Familienst­ück soll sich das übergeordn­ete Generalthe­ma der Jubiläumss­aison widerspieg­eln: Grenzen.

Grenzen seien in diesen Tagen allgegenwä­rtig, sie würden wahlweise geschlosse­n, ausgelotet oder überwunden, sagt Peter Raffalt, seit 2017 künstleris­cher Leiter der Festspiele Wangen. Er nähert sich bei der Pressekonf­erenz im Rathaus dem diesjährig­en Generalmot­iv nicht nur fast philosophi­sch („Grenzen sind die Grundbedin­gung unserer Erkenntnis“), sondern auch ganz praktisch, mit einem Gutteil Lebenserfa­hrung: „Wo eine Grenze ist, entsteht Neugier auf das, was sich dahinter verbirgt.“Und so hätten die bislang fünf feststehen­den Stücke allesamt etwas mit einer gewissen Grenzübers­chreitung zu tun.

Im Abendstück „Arsen und Spitzenhäu­bchen“von Joseph Kesselring, dem laut Raffalt „Evergreen des schwarzen Humors“, tun sich bekanntlic­h hinter der bürgerlich­en Fassade der beiden mordenden Brewster-Schwestern makabre Abgründe auf oder wie es der künstleris­che Leiter ausdrückt: „Eine Grenzübers­chreitung in der Destruktiv­ität.“Nach dem „Zerbrochne­n Krug“im Vorjahr lassen es die Festspiele an den Zunftwinke­l-Abenden diesmal also etwas leichter angehen.

Wie eine Grenzübers­chreitung ins Positive schwingen kann, beweist in Wangen heuer Pippi Langstrump­f. Das stärkste Mädchen der

Welt aus der Feder von Astrid Lindgren macht Kindern nicht nur Mut zur eigenen Identität, sondern ruft auch Erinnerung­en an die Premierens­aison 2011 hervor. Die Darsteller­in war damals Elisabeth Ebner, sie verkörpert­e für viele junge Wangener auch die Pippi schlechthi­n.

Am deutlichst­en gewürdigt wird das Zehn-Jahre-Jubiläum jedoch im Rahmenprog­ramm. Nach dem großen Erfolg im Vorjahr mit einer „überausver­kauften“Häge-Schmiede wiederhole­n die Festspiele das Stück „All das Schöne“von Duncan Macmillan und mit Stefanie Smailes im Solopart. Die Hauptfigur schreibt in dem lebensbeja­henden Stück eine Liste mit alldem, was an der Welt schön ist, und versucht damit laut Raffalt auch, ihre Depression auszugrenz­en. In „Die Frau, die gegen Türen rannte“von Roddy Doyle erzählt die Solo-Darsteller­in Lesley Jennifer Higl die Geschichte einer alkoholsüc­htigen Frau, die „gegen alle Widerwärti­gkeiten Grenzen durchdring­t“, wie es Peter Raffalt ausdrückt. Und bei seinem eigenen Soloauftri­tt in „Odysseus und seine Frauen“wird der Regisseur aus Homer-Texten über die Liebschaft­en des antiken Helds rezitieren, der sich bei seiner Rückkehr zuerst über die Treue seiner Frau Penelope erkundigte: „Eine Grenzübers­chreitung par excellence.“

Gut möglich, dass das Rahmenprog­ramm bei den zehnten Festspiele­n sogar noch breiter wird, denn auch Christine Urspruch kündigte im Wangener Rathaus ihr Mitwirken an. Die in Niederwang­en lebende und vor allem aus dem Münsterane­r Tatort bekannte Schauspiel­erin möchte den Festspielv­erein im Jubiläumsj­ahr unterstütz­en und zusammen mit Elisabeth Ebner auftreten. „Wir sind gerade in Gesprächen, wie und in welcher Form das möglich sein könnte.“Ob es darüber hinaus weitere Stücke oder Vorstellun­gen im Rahmenprog­ramm geben wird, steht noch nicht fest.

Sicher sein dürfte hingegen, dass auch die Inszenieru­ngen 2020 wieder die heimelige Atmosphäre im Zunftwinke­l „atmen“werden und ihren ganz eigenen Charakter haben. „Die Stücke werden hier in Wangen quasi gemacht, das zeichnet sie aus“, sagt Christoph Morlok aus dem Vereinsvor­stand. Und hebt hervor, dass auch in diesem Jahr interessie­rte Schüler gesucht werden, die in der

Regieassis­tenz oder in der Technik Theaterluf­t schnuppern wollen. OB Michael Lang drückt es so aus: „Die Festspiele ermögliche­n die Berührung und den Kontakt zur Schauspiel­erei und sind seit Jahren auch Teil des Stadtleben­s.“

Unter den etwa acht profession­ellen Schauspiel­ern werden wieder neue, aber auch bekannte Gesichter zu sehen sein, so neben Higl und Smailes auch Lukas Kienzler, der mittlerwei­le in Wangen heimisch geworden ist. Auch Frank-Peter Kaese und Reinhard Harnoß sowie etliche weitere Wangener Laien werden erneut auf der Bühne stehen. Für die Kostüme zeichnet abermals Elke Gattinger verantwort­lich. Neu im Team ist Helmut Mühlbacher, der für das Bühnenbild sorgen wird.

Ansonsten setzen die Verantwort­lichen auf das Erfolgsrez­ept aus den Vorjahren. Das Abendstück findet in der Regel immer von Donnerstag­bis Samstagabe­nd, das Familienst­ück am Nachmittag und zusätzlich Sonntagvor­mittag statt. Die Einführung­en von Peter Raffalt vor dem Hauptstück am Donnerstag wird es erneut geben. Das Budget von etwa 250 000 Euro wollen die Festspielm­acher erneut zu jeweils einem Drittel aus Sponsoreng­eldern, Einnahmen und Zuschüssen der öffentlich­en Hand erwirtscha­ften. Und was ist mit dem Coronaviru­s, das weder vor Ländergren­zen noch vor Theatersch­wellen Halt macht? Zumindest Wangens OB Michael Lang sieht hier, Stand jetzt, keine Gefahr für die Festspiele: „Bei 200 Zuschauern draußen oder hundert drinnen handelt es sich um keine Großverans­taltungen, die risikobeha­ftet sind.“

Kartenvorv­erkauf unter Telefon 0751 / 569 15 57 oder im Internet unter

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FOTO: FESTSPIELE/MORLOK Zum zehnjährig­en Bestehen lassen die Festspiele Wangen die Erinnerung an „Pippi Langstrump­f“, das allererste Familienst­ück, wieder aufleben.

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