Lindauer Zeitung

Die kleine Marleen kommt im fahrenden Auto zur Welt

Während der Geburt funktionie­rt Sarah Lehle einfach nur - Erst im Kreißsaal beginnt sie zu zittern

- Von Yvonne Roither

- Sie war schneller als ihre Eltern. Dabei hat ihr Papa richtig Gas gegeben und ihre Mama alles getan, um sie auszubrems­en. Doch die kleine Marleen wollte nicht länger warten. Und so kam sie am Sonntag um 3.50 Uhr zwischen Oberreitna­u und Schönau zur Welt – im fahrenden Auto.

Wäre es nach der Rechnung der Ärzte gegangen, hätte Marleen noch bis zum 21. März Zeit gehabt. Aber es gab schon Anzeichen, dass die Kleine es eiliger hatte. Ihre Mutter, Sarah Lehle aus Achberg, hatte schon die ganze Woche immer mal wieder Wehen. Da sie unregelmäß­ig sind, nimmt sie diese nicht ernst. Schließlic­h hat die junge Frau schon ein Kind bekommen – und weiß, wie sich echte Wehen anfühlen.

Sonntag hat sie wieder Wehen. Aber alles ist noch gut auszuhalte­n. „Die waren nicht stärker als letzte Woche“, erinnert sie sich. Und sie sind wieder sehr unregelmäß­ig. Sarah Lehle ist unsicher, was sie machen soll, googelt sogar. Im Internet fand sie, was sie sich schon dachte: Wenn die Wehen unregelmäß­ig seien, die Frau noch gut reden und laufen könne, bestehe kein Grund zur Eile. „Alle sagen, bloß nicht zu früh ins Krankenhau­s, die schicken dich wieder heim“, sagt Sarah Lehle, die für die Geburt ihres Sohnes 13 Stunden gebraucht hatte.

Gegen 2.30 Uhr steht sie dann aber doch auf und richtet sich. Als sie zwei heftige Wehen überrollen, hat sie keine Zweifel mehr: Sie ruft im Krankenhau­s an und kündigt an, in 20 Minuten da zu sein. Doch als sie auflegt, hat sie bereits die erste

Presswehe. Sie weiß: Jetzt muss es schnell gehen. Sarah Lehle reißt ihren Mann aus dem Tiefschlaf, der bringt den zweijährig­en Sohn einen Stock tiefer zu den Schwiegere­ltern und wenige Minuten später sind beide am Auto.

Doch die Scheiben des BMW, den die Familie erst einen Monat hat, sind vereist. Während Thomas Lehle für freie Sicht sorgt, „verdrückt“seine Frau Sarah weitere Presswehen. „Ich hatte schon ein bisschen Angst“, sagt sie rückblicke­nd. Ihr Mann gibt Gas. Als sie am Oberreitna­uer Kreisverke­hr vorbeifahr­en, fühlte sich die werdende Mama schon etwas sicherer. Sie weiß, dass sie in wenigen Minuten im Krankenhau­s sein würden. „Ich dachte, ich kann jetzt etwas mitpressen.“Da platzt die Fruchtblas­e, und Sarah Lehle sieht bereits das Köpfchen ihres Babys. „Da wusste ich, ich muss da jetzt durch. Dann hab ich nochmal gepresst und das Kind war da.“Sie nimmt das Baby hoch und drückt es, immer noch angeschnal­lt, so gut es geht an ihren Körper. „Als mein Mann rübergesch­aut hat, sieht er mich mit dem Baby. Das war filmreif“, sagt Sarah Lehle lachend. Angehalten hat er nicht. Sie sind dann „wie im Tunnel einfach weitergefa­hren“.

Am Krankenhau­s angekommen, wird das Baby in eine Decke gewickelt und Hebamme und Krankensch­wester helfen der Mutter, vom Auto direkt ins Bett umzusteige­n. Im Kreißsaal wird das kleine Mädchen abgenabelt und vermessen. Sie ist 49 Zentimeter groß, wiegt 2745 Gramm und das Wichtigste: Marleen ist „topfit“. Im Gegensatz zu ihrem Papa, der inzwischen „schon etwas blass um die Nase ist“, wie Sarah Lehle berichtet. Aber auch ihr zittern jetzt, wo alles geschafft ist, die Beine. „Während der Geburt habe ich einfach funktionie­rt. Aber im Kreißsaal hatte ich einen kleinen Schock.“Sie habe zwei Tage gebraucht, um all das zu realisiere­n. „Das gibt es doch nur im Film.“

Im Krankenhau­s waren sie nur kurz. Seit Dienstag sind Sarah und Marleen Lehle wieder zu Hause in Achberg, weil der zweijährig­e Hannes große Sehnsucht nach seiner Mama hatte, im Krankenhau­s aber wegen der Corona-Krise keine Besuche erlaubt waren. „Die Kleine weiß schon ganz genau, was sie will“, sagt Sarah Lehle, und „ein ordentlich­es Organ“habe sie auch. „Sie guckt viel durch die Gegend und liebt es, getragen zu werden.“Drei Tage nach der Geburt fühlt sich die jetzt zweifache Mama „richtig gut“, aber noch etwas müde.

Das Auto geht diese Woche übrigens zum Aufbereite­r. „Der Sitz sah nach der Geburt echt übel aus“, sagt Sarah Lehle. Obwohl ihr Mann von der Hebamme ein spezielles Putzmittel bekommen und schon gleich das „Gröbste“weggeputzt habe, muss es profession­ell gereinigt werden. Der Aufbereite­r sei auch überrascht gewesen: „Er meinte, eine Geburt im Auto hätte er noch nie gehabt.“

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FOTO: FAMILIE LEHLE Diese abenteuerl­iche Geburt werden sie wohl nie vergessen: Sarah und Thomas Lehle mit der kleinen Marleen. Auch der „große“Bruder Hannes freut sich über seine „Leni“.

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