Erstmals nach dem Krieg wird der Blutritt in Weingarten abgesagt
Vorgaben für die berühmte Reiterprozession mit Tausenden Menschen und Pferden nicht umsetzbar – Feierlichkeiten in anderer Form soll es am Blutfreitag geben
- Der Blutritt in Weingarten wird in diesem Jahr nicht stattfinden. Das hat Dekan und Blutreiter Ekkehard Schmid auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“bestätigt. Aufgrund der Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg vom 17. März habe man gar keine andere Wahl gehabt, sagte Schmid. „Die Entscheidung wurde uns abgenommen. Das ist letztlich die Umsetzung der Entscheidung.“Damit wird die über Oberschwaben hinaus bekannte Reiterprozession, die als die größte Europas gilt, zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges abgesagt.
Eigentlich hätte der Blutritt – üblicherweise sechs Wochen nach Ostern – in diesem Jahr am 22. Mai stattfinden sollen. Doch die Landesverordnung untersagt öffentliche Veranstaltungen in Kirchen und den Aufenthalt im öffentlichen Raum mit mehr als einer nicht im Haushalt lebenden Person. Auch sieht die Verordnung einen Mindestabstand von 1,5 Metern vor. Da die Verordnung bis einschließlich 14. Juni gültig ist, wäre eine Prozession mit mehreren Tausend Reitern und Musikern sowie Zehntausenden Zuschauern de facto nicht umsetzbar gewesen.
„Ab diesem Moment war eigentlich klar, dass es nicht möglich sein wird, dass der Blutritt stattfindet“, sagt Schmid, der stellvertretend für den „Arbeitskreis Blutritt“spricht. Dennoch sei allen Beteiligten – Vertretern der Blutfreitagsgemeinschaft, der Weingartener Blutreiter, der Festordner, des Kirchengemeinderates sowie dem verantwortlichen Veterinär und der zuständigen Kirchenpflegerin – die Entscheidung sehr schwer gefallen.
Selbst in den Jahren 1940 bis 1945, als die Reiterprozession von den Nationalsozialisten verboten wurde, seien die Einschränkungen nicht so weitreichend gewesen, so Schmid. Damals waren die Gottesdienste erlaubt und öffentlich. „Dass wir nun nicht einmal die Gottesdienste in der Basilika mit der Öffentlichkeit feiern können, hat es im 20. und 21. Jahrhundert noch nicht gegeben“, erläutert der Dekan.
Dennoch hat er vollstes Verständnis für die vorgegebenen Maßnahmen und rechnet auch mit Nachsicht vonseiten der knapp 100 Blutreitergruppen (rund 2100 Reiter) und den etwa 4000 Musikern, die zuletzt teilgenommen hatten. „Da müssen wir den Tatsachen in die Augen schauen“, weiß Schmid, der nun bewusst mit knapp zwei Monaten Vorlauf informiert. Man wolle nun hinfällige Vorarbeiten und damit verbundene Kosten vermeiden und allen Beteiligten Planungssicherheit ermöglichen. „Diese frühzeitige Entscheidung soll vor allem allen Betroffenen, den Blutreitergruppen, den Quartiergebern, Musikvereinen, Ordnungs- und Hilfsdiensten, dem städtischen Bauhof sowie den vielen Pilgern und Gästen aus nah und fern eine Hilfe sein und weitere unnötige Vorbereitungen vermeiden“, sagt Schmid. Und doch soll der Tag im Zeichen des Glaubens begangen werden. „Wir sagen den Blutritt ab, nicht den Blutfreitag“, betont Schmid. Schließlich gelte der Freitag sechs Wochen nach Ostern weiterhin als kirchlicher Ehrentag. Nicht zuletzt deshalb sei auch eine Verschiebung auf einen späteren Termin im Jahr keine Alternative gewesen. „Viele Menschen schätzen den Tag als herausragendes geistliches Ereignis.
Daher wollen wir auch einige Elemente übertragen“, sagt Schmid.
Man müsse schauen, wie man die sakralen Elemente stattfinden lassen könne. Schließlich sei der Blutfreitag als ältester und größter gemeinsame Bitttag Oberschwabens in diesem Jahr wichtiger denn je. So wollen die Verantwortlichen an der Segnung über Stadt und Land mit der HeiligBlut-Reliquie und dem Pilgeramt am Blutfreitag festhalten. „Vielleicht kann das nicht öffentlich im Außenbereich der Basilika stattfinden“, sagt Schmid. Jedoch werde man die staatlichen Vorgaben auf jeden Fall einhalten. Das habe oberste Priorität.
Im Optimalfall soll aber die Festpredigt des Hamburger Erzbischofs Stefan Heße – des diesjährigen Ehrengasts – am Abend von Christi Himmelfahrt, also einen Tag vor dem Blutfreitag, gehalten und im Zweifel per Livestream im Internet übertragen werden. „Gerade in diesen schwierigen Zeiten ist das ein wichtiges Wort“, findet Schmid, der in den kommenden Wochen nach möglichen Lösungen suchen will.
Die Umsetzung dürfte auch mit Blick auf das Rosenkranzgebet und der abendlichen Lichterprozession an Christi Himmelfahrt interessant werden. Üblicherweise ziehen dann Tausende Pilger singend und betend mit einer Kerze in der Hand zum Kreuzberg in Weingarten.