Lindauer Zeitung

Gestrandet in Kambodscha

Sechs Allgäuerin­nen sitzen in Phnom Penh fest – Ihr Flug ist gestrichen, die Botschaft vertröstet Hilfesuche­nde

- Von Ingrid Grohe

- Auf den ersten Blick sehen sie aus wie eine muntere Reisegrupp­e: Sechs Frauen in T-Shirts und Sandalen, einige sind braun gebrannt. Sie stehen vor einem glänzendem Messingsch­ild „Botschaft der Bundesrepu­blik Deutschlan­d“. Allein ihr Mundschutz weist auf eine ungewöhnli­che Situation hin. Mit diesem Foto verschickt eine Westallgäu­erin per Whatsapp die Nachricht: „Wir sitzen in Phnom Penh fest, vielleicht für Wochen.“

Karin Schmidt wollte sich mit ihren Töchtern treffen. Seit Anfang Februar reisen Tilila und Hannah durch Südostasie­n, ihre Mutter ist mit drei Freundinne­n nachgekomm­en. Am 14. März sind sie in Kambodscha gelandet – und jetzt kommen die sechs Frauen zwischen 20 und Mitte 50 nicht mehr weg. Vorgestern war der Rückflug über Kuala Lumpur und Dubai geplant, doch wegen der Corona-Pandemie wurde die erste Etappe storniert. „Wir erhalten keine Informatio­n“, schreibt Karin Schmidt, nicht von der Fluggesell­schaft und nicht vom Online-Portal, auf dem sie gebucht hat. Das Geld für die Tickets ist vermutlich weg: höhere Gewalt.

Doch das ist derzeit die kleinste Sorge der Westallgäu­erinnen. Eine Rückhol-Aktion, wie sie die Bundesrepu­blik für verschiede­ne Ferienziel­e startet, ist für Kambodscha nicht geplant. Die Touristen, die dort meist individuel­l reisen, sind erst mal auf sich selbst gestellt. 1200 Deutsche sollen sich aktuell in Kambodscha aufhalten.

In Phnom Penh haben sich Deutsche zusammenge­funden. Ihre Whatsapp-Gruppe „Zurück nach Europa“wird stündlich größer. 70 schlugen Mittwoch früh vor der Botschaft auf und haben im Chor gerufen „Wir wollen nach Hause!“Freundlich seien die Botschafts­angestellt­en gewesen, schildert Karin Schmidt. „Sie haben uns informiert, aber konnten uns nicht helfen. Wir sollen warten.“Wo immer sie Zugang zum Internet kriegen, durchstöbe­rn die Allgäuerin­nen die Reiseporta­le. Sie stoßen auf Flüge über Japan und Korea, doch die Botschaft rät davon ab. Touristen, die ein Ticket für eine neue Verbindung ergattern, bezahlen inzwischen laut Schmidt horrende Preise. Und kurz vor Abflug kommt die Absage. „We are sorry“– „Es tut uns leid“lautet die Antwort auf Rückfragen.

Die Stimmung unter den deutschen Reisenden ist angespannt. Auch wegen der Ablehnung, die ihnen in Phnom Penh entgegensc­hlägt. „Die Leute haben Angst vor Deutschen“, schreibt Karin Schmidt. Vor Restaurant­s werde Desinfekti­onsmittel in ihre Richtung versprüht, in Hostels seien kaum Betten zu bekommen. Drei der Allgäuer Touristinn­en arbeiten in der Pflege. „Sie würden jetzt dringend gebraucht“, schreibt Karin Schmidt.

Das Auswärtige Amt in Berlin gibt auf Anfrage unserer Zeitung eine knappe Auskunft. Ein Pressespre­cher betont zwar, dass die Regierung allen Gestrandet­en eine Rückkehr ermögliche­n wolle. Aber: „Wo noch Möglichkei­ten zur Rückreise mit eigenen Mitteln bestehen, sollten diese genutzt werden.“Wo dies nicht möglich sei, „bemühen sich die Auslandsve­rtretungen um Lösungen“. Wann es eine solche Lösung gibt, weiß niemand. „Wir können nichts tun außer warten“, haben die sechs Allgäuerin­nen bei der Botschaft erfahren. Sie fühlen sich „verloren und ohnmächtig“in Phnom Penh.

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FOTO: SCHMIDT Das Foto hat mir Karin Schmidt aus Phnom Penh in Kambodscha geschickt. Abgebildet darauf sind von links: Karin Schmidt, Caterina Sanzo, Tilila Schmidt, Katharina Brey, Anja Neuner und Hannah Schmidt.

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