Ein Tröpfchen auf den heißen Stein
Die vier reichsten Bundesligaclubs spenden 20 Millionen Euro an die armen DFL-Vereine
(SID/dpa/zak) - Vielleicht ist das ja diese „neue FußballWelt“, über die Uli Hoeneß sinniert: Solidarität statt Egoismus. Starke, die auch mal zurückstecken und den Schwachen helfen. Ein Hoffnungsschimmer in der Coronakrise ist die Spende der vier reichsten BundesligaClubs, die am Donnerstag bekannt wurde, allemal. Die Champions-League-Teilnehmer FC Bayern, Borussia Dortmund, RB Leipzig und Bayer Leverkusen zahlen insgesamt 20 Millionen Euro in einen Topf, der in Not geratenen Vereinen der 1. und 2. Bundesliga helfen soll.
„Diese Aktion unterstreicht, dass Solidarität in der Bundesliga und 2. Liga kein Lippenbekenntnis ist“, sagte DFL-Boss Christian Seifert. „Das DFL-Präsidium ist den Vereinen sehr dankbar im Sinne der Gemeinschaft aller Clubs.“Die Großen wissen offenbar: Ohne die Kleinen geht es nicht, ohne einen richtigen Wettbewerbe könnte die Bundesliga in Zukunft doch recht langweilig werden. Dass die Bundesligisten durch die ungleichmäßige Verteilung der TV-Gelder selbst für das Reich-arm-Gefälle gesorgt haben, ist die Ironie der Geschichte. Und: Auch die 20 Millionen Euro sind nur ein kleines Tröpfchen auf einen brandheißen Stein.
Dortmunds Geschäftsführer HansJoachim Watzke sagte zu der abgestimmten Aktion: „Wir haben immer gesagt, dass wir uns solidarisch zeigen werden, wenn Clubs unverschuldet durch diese absolute Ausnahmesituation in eine Schieflage geraten, die sie alleine nicht mehr beherrschen können.“12,5 Millionen Euro der Summe sind Rücklagen der DFL aus TV-Erlösen, die eigentlich den vier Clubs zustehen würden. Die restliche Summe steuern sie aus eigenen Mitteln bei. Das DFL-Präsidium wird über die Verteilung der Gelder entscheiden. „Jetzt muss Solidarität gelebt, nicht nur erzählt werden“, forderte der langjährige Bayern-Macher Uli Hoeneß im „kicker“– bezogen auf die gesamte Gesellschaft, über Grenzen hinweg, nicht nur im Fußball. Aber dort eben auch. Der 68-jährige gebürtige Ulmer bezeichnete die aktuelle Situation
als „eine Gefahr“, sieht in ihr aber auch die Chance, „dass die Koordinaten etwas verändert werden können. Es wird sehr wahrscheinlich eine neue Fußballwelt geben.“Wie diese national aussehen wird, darüber entscheiden die 36 Clubs der beiden Bundesligen
am Dienstag bei der virtuellen DFL-Mitgliederversammlung. Auf dem Programm stehen neben der fast unplanbaren Saisonplanung die wirtschaftlichen Folgen der Zwangspause, auch für die Lizenzierung. Womöglich ist die Aktion des Quartetts nur der Anfang einer Welle der Solidarität, notgedrungen allerdings. Denn Werder Bremens Geschäftsführer Klaus Filbry spricht von finanziellen Folgen, „die selbst große Vereine nicht lange durchhalten“könnten. „Was uns als Branche jetzt trifft, war nicht vorhersehbar, nicht planbar und nicht versicherbar“, betont Filbry. Auch Rücklagen hätten da nicht geholfen. „Dafür sind die Beträge, um die es jetzt geht, einfach zu hoch.“
Wie schnell aus Egoismus zumindest ein klein wenig Altruismus werden kann, beweist das Beispiel BVB. Watzke wurde unlängst nach unglücklichen Äußerungen fehlende Solidarität vorgeworfen. Dass die dauerhaft Bestand haben wird, darf allerdings begezweifelt werden. Steffen Baumgart etwa ist skeptisch. „Eines habe ich in den Jahren gelernt“, sagte der Trainer des Bundesliga-Schlusslichts SC Paderborn: „Es wird, auch in Krisen oder nach schlimmen Vorfällen, sehr viel geredet und theoretisiert. Wir dürfen nicht blauäugig sein und glauben, alles wird besser oder vernünftiger.“Genau das glaubt aber Hoeneß, zumindest vorübergehend erwartet er eine Regulierung.
Irrwitzige Gehälter? Dreistellige Millionenbeträge für Transfers? „Das kann ich mir in der nächsten Zeit nicht vorstellen“, mutmaßte der 68-Jährige: „Die Transfersummen werden fallen, die Beträge werden sich in den kommenden zwei, drei Jahren nicht mehr auf dem bisherigen Niveau bewegen können. Denn es sind ja alle Länder betroffen.“Und damit tatsächlich die Chancen gegeben, eine neue FußballWelt zu erschaffen.