Exit-Debatte ist notwendig
Der deutsche Staat schränkt die Freiheitsrechte seiner Bürger momentan massiv ein. Und er stellt im Hinblick auf den Shutdown der Wirtschaft die Eigentumsrechte und die Berufsfreiheit infrage. Er tut das, um die Corona-Pandemie zu bekämpfen. Die Einschränkungen sind allerdings so umfassend, dass sie den freiheitlichen Rechtsstaat gefährden, wenn nicht gewährleistet ist, dass die Regeln zeitlich begrenzt sind. Es gilt: Je einschneidender der Eingriff, desto kürzer muss er sein.
Vor dem Hintergrund ist die Debatte über die Frage, wann Bund und Länder die Kontaktverbote und Ausgangssperren aufheben, nicht nur legitim, sondern dringend erforderlich. Die Kanzlerin will das Ende der Beschränkungen von dem Tempo abhängig machen, mit der sich das Virus ausbreitet. Dass Angela Merkel die Entscheidung an objektive Kriterien wie die Ausbreitungsgeschwindigkeit knüpft, ist richtig – so unsicher die Infiziertenzahlen auch noch sind.
Ob der Zeitpunkt für die Beendigung des Shutdowns gekommen ist, wenn sich die Zahl der Infizierten in einem Zeitraum von „mehr als zehn Tagen“verdoppelt, wie Merkel jetzt gesagt hat, ist eine andere Frage. Für diesen Schritt muss die Regierung zuallererst der Expertise von Virologen wie denen des Robert-Koch-Instituts vertrauen. Aber das allein genügt nicht: Die Regierung hat ihre Entscheidung ebenfalls auf die Einschätzung von Krankenhausmanagern zu gründen, die die Kapazität von Kliniken beurteilen. Sie muss die Sicht von Psychologen, die die in ihren Wohnungen festsitzenden Menschen überwachen, genauso einbeziehen wie die von Arbeitsmarktforschern und Ökonomen. So hält die Landesbank Baden-Württemberg den kompletten Stopp der wirtschaftlichen Aktivitäten für eine Volkswirtschaft für das Schlimmste, was es gibt, und mahnt einen Plan für das Wiederanfahren an.
Die Kanzlerin muss auch das planen und die Gesellschaft womöglich darauf vorbereiten, eine weitere Debatte zu führen: Wie viele Tausend Tote sind wir bereit zu akzeptieren, für eine offene Gesellschaft und eine Wirtschaft, die weniger stark abschmiert als befürchtet?