Südwesten wehrt sich gegen Abzüge beim BAföG
Wer in der Corona-Krise im Krankenhaus oder auf dem Feld hilft, soll das Geld vom Staat behalten dürfen
- Sie helfen im Krankenhaus aus und arbeiten in der Landwirtschaft mit: Hunderte Studenten im Südwesten leisten in den aktuellen Krisenzeiten einen wichtigen Beitrag. Sie sollten dadurch keine Abzüge beim staatlichen BAföG hinnehmen müssen, findet BadenWürttembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne). In einem Brief an Bundeswissenschaftsministerin Anja Karliczek (CDU), der der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt, fordert Bauer, das BAföG unangetastet zu lassen.
Für viele Studenten ist das Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG, eine wichtige Einnahmequelle. Je nach eigenem Einkommen und dem ihrer Eltern erhalten Schüler und Studenten auf Antrag bis zu 861 Euro pro Monat. Die staatliche Leistung müssen sie in Raten zurückzahlen, sobald sie einen entsprechenden Verdienst nach der Ausbildung haben.
Der Bund hat das Gesetz wegen der Corona-Pandemie jüngst nachgebessert. So fließt das Geld auch dann weiter, wenn etwa die Universitäten geschlossen sind. Ein Knackpunkt bleibt der Lohn für Studenten in den Bereichen, in denen helfende Hände wegen der Corona-Krise derzeit dringend gebraucht werden. Auch hier gab es eine Änderung im Gesetz: Wer sich im sozialen Bereich, im Gesundheitswesen oder in der Landwirtschaft engagiert und dabei Geld verdient, muss zwar mit Kürzungen seines BAföG-Satzes rechnen. Diese Kürzungen beziehen sich aber nur auf die Monate, in denen das Geld verdient wurde. Eigentlich verrechnet das BAföGAmt sonstige Einkünfte mit dem gesamten Jahr, in dem ein Student BAföG erhält.
Diese Neuregelung greift aus Sicht von Landesministerin Bauer zu kurz. „Im Falle, dass das außerordentliche Engagement der Studierenden entlohnt wird, sollte die Entlohnung nachträglich nicht vom den Leistungen wieder abgezogen werden“, schreibt Bauer an ihre Amtskollegin Karliczek. „Dem Bund entsteht hierbei kein Schaden, da ohne die Corona-Pandemie diese anrechenbaren Einnahmen erst gar nicht entstanden wären.“Das BAföG, so Bauer, sollte in diesen Fällen nicht gekürzt werden. Sonst könnte auch der Anreiz für die Studenten sinken, sich zu engagieren.
Wie wichtig dieser Impuls sei, betont Alexander Salomon, hochschulpolitischer Sprecher der LandtagsGrünen im Südwesten. „Das Engagement darf nicht BAföG-schädlich sein“, sagt er. Es könnte sonst viel Frust bei den Studenten entstehen. Rückenwind erfährt Bauer auch von
Südwest-Agrarminister Peter Hauk (CDU). „Wir erfahren in der Gesellschaft eine wunderbare Solidarität, die nicht selbstverständlich ist“, erklärt er. Er begrüße jede Initiative, die Helfer unterstütze. „Ein möglicher Zuverdienst, ob in der Pflege oder in der Landwirtschaft, darf nicht auf das BAföG angerechnet werden.“
In BadenWürttemberg haben sich bereits mehr als 4500 Studenten gemeldet, um im Gesundheitsbereich auszuhelfen. Rund 650 sind laut Wissenschaftsministerium im Einsatz – zur Unterstützung des Pflegepersonals in Krankenhäusern etwa, aber zum Teil auch bei der direkten Versorgung von Corona-Patienten. Wie viele in der Landwirtschaft arbeiten, kann der Bundesverband der Maschinenringe nicht genau sagen. Er betreut die Plattform „Das Land hilft“. Darauf können Bauern ihren Bedarf anmelden und Freiwillige ihre Hilfe anbieten. Auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“erklärt der Verband, dass rund 40 Prozent der 50 000 Hilfsangebote bundesweit von Studenten stammen.
Die Hilfe aus dem eigenen Land wird auch notwendig bleiben, obwohl der Bund nun doch Erntehelfer aus dem Ausland unter strengen Auflagen
einreisen lässt, erklärt Erwin Ballis, Geschäftsführer des Bundesverbands der Maschinenringe. „Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten Monaten 30 000 bis 90 000 inländische Saisonarbeitskräfte brauchen werden.“
Auf dem Hof von Obstbauer Thomas Romer in Litzelstetten am Bodensee arbeiten bereits vier Studenten. Das Interesse an Mitarbeit sei äußerst erfreulich, sagt Romer – aber auch überwältigend. Er hat bereits so viele willige Helfer auf einer Liste gesammelt, dass er vorerst keine weiteren mehr aufnehmen kann. „Das ist eine Chance für uns“, sagt er. „Die Bevölkerung sollte mehr mitbekommen, was wir in der Landwirtschaft machen.“Er lobt die Arbeit seiner Studenten. Seine polnischen Erntehelfer, die seit 25 Jahren jedes Jahr bei ihm arbeiten, vermisst er dennoch. Manche Aufgaben, etwa große Maschinen zu bedienen, können nicht einfach von jedem übernommen werden.
Nicht nur die Mithilfe, sondern auch das Geld bezeichnet Romer als Motivation seiner Studenten. Schließlich seien viele Nebenjobs weggefallen. Ähnlich äußert sich Lydia Petasch, die in Konstanz Wirtschaftswissenschaften studiert. „Ich habe in Konstanz gekellnert“, sagt sie. Die Hilfe in Not, aber auch der Zuverdienst seien für sie Motivation, bei Bauer Romer zu arbeiten. Denn wie sich die neuen BAföG-Regeln auswirken, wisse sie noch nicht im Detail. „Ich habe vorher noch nie in der Landwirtschaft gearbeitet“, sagt sie. „Es macht Spaß.“