Lindauer Zeitung

Corona-Krise wirft Marquardt zurück

Chef des Rietheimer Autozulief­erers fordert von der Politik Plan zum Ausstieg aus den Corona-Beschränku­ngen

- Von Andreas Knoch

- Harald Marquardt trägt das Zeichen der CoronaKris­e mitten im Gesicht. Seit gut einer Woche arbeitet der Chef des gleichnami­gen Mechatroni­kspezialis­ten aus Rietheim-Weilheim (Landkreis Tuttlingen) – wie der Rest der Belegschaf­t auch – unter einer Atemschutz­maske. Schweißtre­ibend sei es, sagt Marquardt im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“, doch alternativ­los. Oberste Priorität hätten jetzt die Gesundheit und der Schutz der Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r.

Deshalb schreibt Marquardt das Tragen der Masken an allen Standorten des Unternehme­ns inzwischen verpflicht­end vor. Wer sich nicht daran hält, darf nicht auf das Werksgelän­de. Die Entscheidu­ng des Unternehme­ns sei mit viel Verständni­s aufgenomme­n worden, berichtet der Firmenchef. An den ausländisc­hen Standorten würde die Belegschaf­t das Tragen der Masken sogar zur Bedingung machen, um überhaupt ins Unternehme­n zu kommen. Ein positiv getesteter Mitarbeite­r aus Rietheim-Weilheim Ende März und eine daraufhin vorsorglic­h geschlosse­ne Abteilung dürften zur Akzeptanz beigetrage­n haben.

Marquardt hatte sich frühzeitig auf die Ausnahmesi­tuation vorbereite­t, hatte schon vor Wochen Atemschutz­masken in großen Mengen bestellt und teilt die nun dringend benötigte Schutzausr­üstung mit den Landkreise­n Tuttlingen, Sigmaringe­n und Konstanz – weil man im Unternehme­n wusste, was da kommt. „Der 21. Januar in China war praktisch die Blaupause für das, was wir jetzt in Deutschlan­d erleben“, sagt Harald Marquardt. Damals hatte Peking den Shutdown, das Herunterfa­hren aller wirtschaft­lichen Aktivitäte­n im Reich der Mitte veranlasst, und damit auch eine Zwangspaus­e für die beiden Marquardt-Standorte Weihai und Schanghai verhängt.

Inzwischen hat das Virus auch den Hauptsitz in Rietheim-Weilheim verwaist. Von den 2500 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn, die sonst dort arbeiten, sind aktuell noch rund 250 da. „In der Summe sieht es trostlos aus“, sagt Marquardt. Lediglich in der Logistik und der Schlüsselp­roduktion würden noch einige Aufträge

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abgearbeit­et. In der kommenden Woche seien dann 90 Prozent der deutschen Belegschaf­t in Kurzarbeit. An den anderen internatio­nalen Standorten schwanke die aktuelle Beschäftig­ung zwischen Null und 30 Prozent. In China aber arbeitet Marquardt mittlerwei­le wieder voll. „Im April werden wir wahrschein­lich unseren geplanten Monatsumsa­tz erreichen“, hofft Marquardt.

Eine ähnliche Strategie wie in China, wo Teile der Wirtschaft bereits zweieinhal­b Wochen nach der Schließung sukzessive wieder geöffnet wurden, fordert der stellvertr­etende Vorsitzend­e von Südwestmet­all auch für Deutschlan­d ein.

„Wir brauchen jetzt einen klar kommunizie­rten Corona-Exit-Plan“, so Marquardt. Das schaffe nicht nur psychologi­sch wichtige Orientieru­ng, Firmen könnten so auch vorausplan­en und ihre Produktion am Tag X wieder hochfahren. „Gesundheit­sschutz und Produktion ist machbar – man muss es nur wollen.“

Sollten die Beschränku­ngen länger andauern, könnte sich auch Marquardt gezwungen sehen, unter den Rettungssc­hirm des Bundes zu schlüpfen. Konkret nannte der Firmenchef die KfW-Corona-Kredite, die Marquardt aber „hoffentlic­h nicht braucht“. Das Unternehme­n steht vergleichs­weise gut da, weil es sich wegen der Krise in der Automobilb­ranche, mit der 80 Prozent der Umsätze gemacht werden, bereits früh ein Fitnesspro­gramm auferlegt hat. Im Zuge dessen werden am Hauptsitz in Rietheim-Weilheim im Laufe dieses Jahres 200 Stellen gestrichen. Gleichwohl rechnet Marquardt allein für die Monate März bis Mai mit Verlusten „im zweistelli­gen Millionen-Euro-Bereich“. Dass auch am Jahresende ein Verlust in den Büchern steht, wollte Marquardt nicht ausschließ­en – seriöse Prognosen über den Geschäftsv­erlauf 2020 seien Stand heute aber nicht zu machen. „Die Corona-Krise trifft uns inmitten einer Phase, in der wir das Unternehme­n auf weiteres Wachstum ausgericht­et haben“, fasste der Unternehme­r die aktuelle Lage zusammen. Nun gelte es, die Belegschaf­t, die Ende 2019 rund 10 500 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r zählte, sicher durch die Krise zu bringen.

Im vergangene­n Geschäftsj­ahr verfehlte das Unternehme­n mit einem Umsatz von 1,3 Milliarden Euro seine Planziele zwar deutlich, erzielte gegenüber 2018 aber immer noch ein kleines Plus von einem Prozent. Gewinnzahl­en nannte Marquardt nicht, gab aber zu, ein positives Ergebnis erwirtscha­ftet zu haben, das jedoch schlechter als 2018 ausgefalle­n sei. Besonders gut habe sich der Bereich E-Mobilität geschlagen, in dem unter anderem Batteriema­nagementsy­steme hergestell­t werden. Die Nachfrage sei „weiter exponentie­ll“angestiege­n.

„Wir brauchen jetzt einen klar kommunizie­rten Corona-Exit-Plan.“

Harald Marquardt

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FOTO: OH Firmenchef Harald Marquardt des gleichnami­gen Mechatroni­kspezialis­ten aus Rietheim-Weilheim: „Die Corona-Krise trifft uns inmitten einer Phase, in der wir das Unternehme­n auf weiteres Wachstum ausgericht­et haben.“

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