Corona-Krise wirft Marquardt zurück
Chef des Rietheimer Autozulieferers fordert von der Politik Plan zum Ausstieg aus den Corona-Beschränkungen
- Harald Marquardt trägt das Zeichen der CoronaKrise mitten im Gesicht. Seit gut einer Woche arbeitet der Chef des gleichnamigen Mechatronikspezialisten aus Rietheim-Weilheim (Landkreis Tuttlingen) – wie der Rest der Belegschaft auch – unter einer Atemschutzmaske. Schweißtreibend sei es, sagt Marquardt im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“, doch alternativlos. Oberste Priorität hätten jetzt die Gesundheit und der Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Deshalb schreibt Marquardt das Tragen der Masken an allen Standorten des Unternehmens inzwischen verpflichtend vor. Wer sich nicht daran hält, darf nicht auf das Werksgelände. Die Entscheidung des Unternehmens sei mit viel Verständnis aufgenommen worden, berichtet der Firmenchef. An den ausländischen Standorten würde die Belegschaft das Tragen der Masken sogar zur Bedingung machen, um überhaupt ins Unternehmen zu kommen. Ein positiv getesteter Mitarbeiter aus Rietheim-Weilheim Ende März und eine daraufhin vorsorglich geschlossene Abteilung dürften zur Akzeptanz beigetragen haben.
Marquardt hatte sich frühzeitig auf die Ausnahmesituation vorbereitet, hatte schon vor Wochen Atemschutzmasken in großen Mengen bestellt und teilt die nun dringend benötigte Schutzausrüstung mit den Landkreisen Tuttlingen, Sigmaringen und Konstanz – weil man im Unternehmen wusste, was da kommt. „Der 21. Januar in China war praktisch die Blaupause für das, was wir jetzt in Deutschland erleben“, sagt Harald Marquardt. Damals hatte Peking den Shutdown, das Herunterfahren aller wirtschaftlichen Aktivitäten im Reich der Mitte veranlasst, und damit auch eine Zwangspause für die beiden Marquardt-Standorte Weihai und Schanghai verhängt.
Inzwischen hat das Virus auch den Hauptsitz in Rietheim-Weilheim verwaist. Von den 2500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sonst dort arbeiten, sind aktuell noch rund 250 da. „In der Summe sieht es trostlos aus“, sagt Marquardt. Lediglich in der Logistik und der Schlüsselproduktion würden noch einige Aufträge
ANZEIGE
abgearbeitet. In der kommenden Woche seien dann 90 Prozent der deutschen Belegschaft in Kurzarbeit. An den anderen internationalen Standorten schwanke die aktuelle Beschäftigung zwischen Null und 30 Prozent. In China aber arbeitet Marquardt mittlerweile wieder voll. „Im April werden wir wahrscheinlich unseren geplanten Monatsumsatz erreichen“, hofft Marquardt.
Eine ähnliche Strategie wie in China, wo Teile der Wirtschaft bereits zweieinhalb Wochen nach der Schließung sukzessive wieder geöffnet wurden, fordert der stellvertretende Vorsitzende von Südwestmetall auch für Deutschland ein.
„Wir brauchen jetzt einen klar kommunizierten Corona-Exit-Plan“, so Marquardt. Das schaffe nicht nur psychologisch wichtige Orientierung, Firmen könnten so auch vorausplanen und ihre Produktion am Tag X wieder hochfahren. „Gesundheitsschutz und Produktion ist machbar – man muss es nur wollen.“
Sollten die Beschränkungen länger andauern, könnte sich auch Marquardt gezwungen sehen, unter den Rettungsschirm des Bundes zu schlüpfen. Konkret nannte der Firmenchef die KfW-Corona-Kredite, die Marquardt aber „hoffentlich nicht braucht“. Das Unternehmen steht vergleichsweise gut da, weil es sich wegen der Krise in der Automobilbranche, mit der 80 Prozent der Umsätze gemacht werden, bereits früh ein Fitnessprogramm auferlegt hat. Im Zuge dessen werden am Hauptsitz in Rietheim-Weilheim im Laufe dieses Jahres 200 Stellen gestrichen. Gleichwohl rechnet Marquardt allein für die Monate März bis Mai mit Verlusten „im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich“. Dass auch am Jahresende ein Verlust in den Büchern steht, wollte Marquardt nicht ausschließen – seriöse Prognosen über den Geschäftsverlauf 2020 seien Stand heute aber nicht zu machen. „Die Corona-Krise trifft uns inmitten einer Phase, in der wir das Unternehmen auf weiteres Wachstum ausgerichtet haben“, fasste der Unternehmer die aktuelle Lage zusammen. Nun gelte es, die Belegschaft, die Ende 2019 rund 10 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählte, sicher durch die Krise zu bringen.
Im vergangenen Geschäftsjahr verfehlte das Unternehmen mit einem Umsatz von 1,3 Milliarden Euro seine Planziele zwar deutlich, erzielte gegenüber 2018 aber immer noch ein kleines Plus von einem Prozent. Gewinnzahlen nannte Marquardt nicht, gab aber zu, ein positives Ergebnis erwirtschaftet zu haben, das jedoch schlechter als 2018 ausgefallen sei. Besonders gut habe sich der Bereich E-Mobilität geschlagen, in dem unter anderem Batteriemanagementsysteme hergestellt werden. Die Nachfrage sei „weiter exponentiell“angestiegen.
„Wir brauchen jetzt einen klar kommunizierten Corona-Exit-Plan.“
Harald Marquardt