Lindauer Zeitung

Ohne staatliche Hilfe ist die Jugendherb­erge pleite

Weil es keine Klassenfah­rten mehr geben wird, brauchen Dirk Umann und seine Mitarbeite­r einen Zuschuss

- Von Dirk Augustin

- Auch in der Jugendherb­erge ist alles leer. Leiter Dirk Umann bearbeitet nur Stornos. Entsetzt ist der Herbergsle­iter, dass bisher keine ausreichen­den staatliche­n Hilfen in Aussicht sind.

Es ist ein ziemliches Wechselbad, das Umann und seine knapp 30 Mitarbeite­r derzeit durchleben. Denn zuerst waren die Jugendherb­ergen als gemeinnütz­iges Unternehme­n von jeglicher staatliche­r Corona-Hilfe ausgeschlo­ssen – ähnlich wie das Unternehme­n Chance in Lindau. Dann verkündete Ministerpr­äsident Markus Söder bei einem Auftritt vor der Presse ausdrückli­ch, dass der Freistaat auch solchen Unternehme­n helfen wolle. Inzwischen hat der Landesverb­and Bayern des Jugendherb­ergswerks aber festgestel­lt, dass er immer noch ausgeschlo­ssen ist. Denn die Hilfe sollen nur Firmen mit bis zu 250 Beschäftig­ten erhalten, der Landesverb­and beschäftig­t in ganz Bayern aber mehr als 700 Frauen und Männer. Zudem komme die in Aussicht stehende Hilfe nicht an.

Denn die staatliche­n Hilfen sollen vor allem Kredite erleichter­n. Dieser Weg aber bleibe dem gemeinnütz­ig organisier­ten Jugendherb­ergswerk versperrt. Stattdesse­n wären acht Millionen Euro Zuschuss nötig, damit der Landesverb­and dieses Jahr übersteht. Ohne solche Hilfe müsste der Verband ein Insolvenzv­erfahren starten.

Dirk Umann, Leiter der Lindauer Jugendherb­erge, sieht sein 250-Betten-Haus als eines der stabilen unter den fast 50 Jugendherb­ergen in Bayern. Aber jetzt ist auch sein Haus leer, nachdem die letzten Gäste am 19. März Hals über Kopf abreisen mussten. Fast alle Mitarbeite­r sind auf Kurzarbeit 0, bekommen vom Staat also Kurzarbeit­ergeld. Umann selbst und eine Studentin sind noch einzelne Stunden im Haus, um die vielen Stornos zu bearbeiten.

Denn selbst wenn die Jugendherb­erge in absehbarer Zeit wieder aufmachen dürfte, bleiben die Zimmer und Betten leer. Umann berichtet, dass viele Bundesländ­er den Schulen Klassenfah­rten für dieses Schuljahr komplett verboten haben, manche haben dieses Verbot gleich bis zum Jahresende verlängert. Das soll einerseits dem Gesundheit­sschutz dienen. Das ist aber auch der Tatsache geschuldet, dass die Schulen Zeit brauchen, um ausgefalle­nen Unterricht nachzuhole­n.

Für die Jugendherb­erge bedeutet das, dass die wichtigste­n Kunden fehlen. Zum Glück habe Lindau aber noch ein zweites Standbein, denn viele Familien nutzen die Jugendherb­erge, um bezahlbar Urlaub in Lindau

zu machen. Die eigentlich ausgebucht­en Osterfreiz­eiten sind abgesagt. Ob die Jugendherb­erge bis Pfingsten öffnen darf, ist unklar. Zudem ist fraglich, ob dann in nennenswer­ter Zahl Familien Geld für einen Urlaub haben.

Zudem weiß auch Umann nicht, wie die Regeln sein werden, wenn die Jugendherb­erge wieder öffnen darf: „Wir werden sicher irgendwann wieder aufmachen – aber zu welchen Bedingunge­n?“Dabei erinnert er daran, dass es das Essen am Büfett im Speisesaal gibt. Wie er das mit dem wegen Corona notwendige­n Abstand organisier­en soll, ist ihm rätselhaft. Unklar ist auch, ob ihm die Mitarbeite­r gewogen bleiben oder im bisher hart umkämpften Markt der Gastronomi­e und Hotellerie am Bodensee zu privaten Häusern wechseln. Abhängig sei eine Öffnung aber von staatliche­n Hilfen. Denn den Freistaat Bayern ohne die Jugendherb­ergen mag sich Umann nicht vorstellen. Deshalb hofft er auf ein Einsehen der Staatsregi­erung, die bei allem Kampf um die Existenz der unzähligen Privatbetr­iebe die gemeinnütz­igen Jugendherb­ergen nicht vergessen dürfe. Von der Staatshilf­e hängt ab, „ob wir mit einem blauen Augen davonkomme­n“.

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Gähnende Leere in der Lindauer Jugendherb­erge: Wo sonst um diese Zeit Gedränge bei der Essensausg­abe herrscht, steht Dirk Umann mutterseel­enallein im Speisesaal.

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