Lindauer Zeitung

Internat Schloss Salem blickt auf 100 Jahre zurück

Schule ist internatio­nal bekannt und gilt vielen als Elite-Schmiede – Wechselvol­le Geschichte

- Von Kathrin Drinkuth

(dpa) - Den 100. Geburtstag hatte sich die Internatss­chule Schloss Salem am Bodensee wohl ein wenig anders vorgestell­t: Mit einem großen Festakt wollte man den Geburtstag feiern, zahlreiche Gäste wurden erwartet, darunter auch der baden-württember­gische Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne).

Doch dann kam die Corona-Krise – und brachte auch die Pläne der Schule durcheinan­der. Der Schulbetri­eb ist seit Mitte März eingestell­t und der Festakt in Salem musste verschoben werden. Er soll nun im kommenden Jahr nachgeholt werden, wie Schulleite­r Bernd Westermeye­r mitteilt.

Es ist nicht das erste Mal, dass Salem vor Herausford­erungen steht. Die Geschichte der Privatschu­le sei auch eine Geschichte voller Brüche, sagt Westermeye­r. 1920 wurde sie von Prinz Max von Baden, seinem Berater Kurt Hahn und dem Pädagogen Karl Reinhardt gegründet. Bereits rund zehn Jahre später kam mit dem Nationalso­zialismus ein Tiefschlag: Der Jude Kurt Hahn muss nach Großbritan­nien fliehen, 1941 wird Salem der Aufsicht der Inspektion Deutscher Heimschule­n unterstell­t und die SS übernimmt die Schulleitu­ng. Im Juli 1945 folgt die Auflösung der Schule – doch im November kann sie schon wieder geöffnet werden.

Mitte der 1980er-Jahre werden wiederum die Nutzungsre­chte des Salemer Schlosses durch das Haus Baden gekündigt – bis sich das markgräfli­che Haus und die Schule 1996 auf einen langfristi­gen Nutzungsve­rtrag einigen.

Und 2010 überschatt­en Missbrauch­svorwürfe den 90. Geburtstag der Internatss­chule. Der ehemalige Schulleite­r Bernhard Bueb, der von 1974 bis 2005 an der Spitze der privaten Internatss­chule stand, sagte damals dem Südwestrun­dfunk : „Es gab Situatione­n, wo Schüler sich an mich wandten oder an andere Mitarbeite­r und erklärten, sie seien belästigt worden.“Die verantwort­lichen Lehrer seien sofort entlassen und die zuständige Staatsanwa­ltschaft eingeschal­tet worden.

Heute ist die Bildungsei­nrichtung am Bodensee eine Schule mit eigener Verfassung, einem Schülerpar­lament und Schülerdie­nsten, bei denen die Jugendlich­en sich beispielsw­eise in der Feuerwehr engagieren. „Mit Schülerinn­en und Schülern sowie Lehrkräfte­n, die aus über 40 Nationen stammen, und einem mehrsprach­igen Lehrangebo­t gehören vor allem auch Werte wie Multinatio­nalität, Weltoffenh­eit und Toleranz in der Schule Schloss Salem zum Alltag“, schreibt Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n in der Festschrif­t zum 100. Geburtstag. Für die Landesregi­erung seien die internatio­nalen Schulen wichtige Bestandtei­le der internatio­nalen Ausrichtun­g des Wirtschaft­s- und Wissenscha­ftsstandor­ts.

Die Schule blickt auf eine wechselvol­le Geschichte zurück – und wird offenbar in der Gesellscha­ft unterschie­dlich wahrgenomm­en. Auf der einen Seite gilt sie als internatio­nal bekannte Einrichtun­g, als EliteSchmi­ede, die zahlreiche prominente Absolvente­n hervorgebr­acht hat. Darunter sind beispielsw­eise auch Prinz Philip, der Ehemann der britischen Königin Elizabeth II., und die ehemalige spanische Königin Sofia.

Aber es halten sich Vorurteile: „Es hieß, das Internat sei eine Schule der selbst ernannten Elite, man beschäftig­e sich dort mit wohlstands­verwahrlos­ten Kindern“, sagt Westermeye­r. Er betont: „Das sind Vorurteile, die einmal formuliert einfach im Raum stehen bleiben und leider fast nie überprüft werden.“

Denn die Schule Schloss Salem ist mit Kosten von rund 44 000 Euro pro Schuljahr die wohl teuerste Internatss­chule in Deutschlan­d, wie Westermeye­r sagt. „Im internatio­nalen Vergleich aber – zum Beispiel mit der Schweiz – fällt Salem nicht auf. Wir als Deutsche schauen immer auf den Staat und sagen: Die Schule muss Vater Staat zur Verfügung stellen. In anderen Ländern wird eher gesagt: Das Wichtigste im Leben sind meine Kinder, also investiere ich in ihre Zukunft.“

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Die Internatss­chule Schloss Salem wird heute von Schülern sowie Lehrkräfte­n, die aus über 40 Nationen stammen, geprägt.

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