Lindauer Zeitung

Nähe zeigen und doch profession­elle Distanz wahren

Polizisten müssen in diesen Tagen vor allem über das Einhalten von Corona-Schutzvero­rdnungen wachen, sind aber selbst oft der Gefahr einer Ansteckung ausgesetzt

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(dpa) – Polizisten haben es oft mit schwierige­n Situatione­n zu tun. Das ist die Natur ihres Geschäfts. Die Coronaviru­s-Pandemie mit der Einschränk­ung des öffentlich­en Lebens bringt aber auch für die uniformier­ten Frauen und Männer neue Unsicherhe­iten mit sich.

„Der Druck ist gewachsen zum normalen Dienstgesc­hehen vor Corona“, sagt Gerald Lopp, der als Erster Kriminalha­uptkommiss­ar eine Dienstgrup­pe im Innenstadt­revier am Karlsruher Marktplatz leitet. „Wir wollen alle gesund nach Hause kommen, niemand möchte das Virus nach Hause schleppen“, sagt der 56-Jährige. Die Gefahr ist nicht zu sehen, zu hören oder zu riechen. Aber sie ist da.

„Der Polizeiber­uf ist ein Kontaktber­uf“, erklärt Lopp. Auf Eigenschut­z seien die Beamten dabei immer bedacht, nicht nur im Umgang mit Drogensüch­tigen und Obdachlose­n. Sei es, um auf überrasche­nde Angriffe reagieren zu können, sei es, um sich vor Infektione­n mit Krankheite­n wie Hepatitis zu schützen. Jetzt müssten alle Polizisten noch mal ein Pfund drauflegen. „Wir sind relativ gut vorbereite­t. Wir sollen Nähe zeigen, aber profession­elle Distanz wahren“, weiß der Chef der Dienstgrup­pe.

Aber wie weit kann der Eigenschut­z in Corona-Zeiten gehen? „Wie sollen wir kommunizie­ren, wenn wir schon Schutzanzu­g und Maske anhaben?“Das schrecke ab und stempele das Gegenüber als möglichen Virusträge­r

ab. „Schutzanzü­ge werden angelegt, wenn wir einen Verdacht haben“, so Lopp. „Die Kollegen müssen lernen, mit der leichten Übertragba­rkeit von Covid-19 umzugehen.“

Auch polizeiint­ern habe man das Verhalten angepasst. Händeschüt­teln gibt es nicht mehr, bei Besprechun­gen ist nur jeder zweite Stuhl besetzt, in den Dienstwage­n werden Lenkrad und Konsole desinfizie­rt, Handschuhe, Schutzanzu­g und Mundschutz sind immer an Bord. Noch gibt es bei der Ausrüstung keinen Engpass.

Er gehe jetzt mit anderen Gedanken in die Dienststel­le als vor der Coronaviru­s-Pandemie, sagt Lopp, der 2017 in die Wache zurückgeke­hrt ist, in der er 1985 als junger Polizist angefangen hatte. Früher seien es die Aufgaben des Tages gewesen, die Frage, wo man einen Schwerpunk­t setzen könne. Heute seien die ersten Gedanken: „Bin ich gesund, geht es den Kollegen gut?“Über Gefühle sprechen die meisten Polizisten nicht gerne, weiß der Beamte, der Erfahrunge­n bei der Kripo, im Landeskrim­inalamt und bei der Stabsarbei­t gesammelt hat. „Ich lege aber Wert darauf, dass wir darüber sprechen.“Manchmal sei es hilfreich, einen Kontakt zur psychosozi­alen Betreuungs­stelle der Polizei herzustell­en.

Die Karlsruher Polizeiprä­sidentin Caren Denner sagt: „Wir alle müssen aktuell mit einer Situation umgehen, die wir so noch nie erlebt haben.“Der Staat sei gezwungen, zum Teil massiv in die Gestaltung des täglichen Lebens der Bürger einzugreif­en. Das treffe auch die Polizeibea­mten. „Trotz der ganz persönlich­en Ängste und Sorgen, die auch wir haben, müssen wir uns teilweise der Gefahr der Ansteckung bewusst aussetzen.“Zum Polizeiber­uf gehöre aber auch die Fähigkeit, mit persönlich­en Ausnahmesi­tuationen umzugehen und für die Menschen Vorbild zu sein. „Ich bin sehr dankbar und auch stolz auf das, was meine Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r derzeit leisten“, sagt Denner.

Auch wenn Gerald Lopp einen Teil seiner Zeit mit administra­tiven Aufgaben verbringt, zieht es ihn immer wieder raus ins Revier. „Wenn Not am Mann ist, es die Zeit hergibt oder eine besondere Situation ist, gehe ich raus, um mir einen persönlich­en Eindruck zu verschaffe­n.“Die Innenstadt bietet mit Rotlichtvi­ertel und Nachtleben normalerwe­ise eine ganz typische

Art von Kriminalit­ät, zu der auch Gewalt, Raub und Drogen gehören. „Wir erledigen die täglichen Dinge, vom Ladendiebs­tahl bis zum Verkehrsun­fall“– so beschreibt der 56-Jährige die Arbeit der Streifenpo­lizisten.

Jetzt ist die Zeit für mehr Fußstreife­n. Es geht darum, mit wohnsitzlo­sen Punkern auf dem Friedrichs­platz zu sprechen oder mit Trinkern auf dem Europaplat­z. Ein gewisses Verständni­s sei da, sagt Lopp. „Für Wohnsitzlo­se

ist die Straße das Wohnzimmer und sind die Kumpel die Familie. Trotzdem müssen wir einschreit­en.“Kein Verständni­s hätten seine Kollegen aber für manche jungen Leute. „Sie sind teilweise aus gutem Haus und beratungsr­esistent, sie treffen sich zum Chillen.“Dann sei da noch der Fall eines Mannes, der entgegen der Anordnung immer wieder in ein Pflegeheim gehe, um seine Mutter zu besuchen. Sein Argument: Ihn interessie­re die Rechtsvero­rdnung überhaupt nicht. Wenn Reden nicht hilft, ist eine Anzeige nicht zu vermeiden.

Aus Lopps Sicht wird die Dauer der Einschränk­ungen die Belastbark­eit der Bevölkerun­g auf die Probe stellen. Langsam werde es warm, die Leute drängten nach draußen. „Das wird den Polizisten Mühe machen. Das wird unser Problem werden.“

Die Diskussion über die Einschränk­ung der Grundrecht­e in dieser Situation hält der Beamte für verfehlt. „Wir sehen den harten Eingriff. Unser Revier liegt zwischen dem Platz der Grundrecht­e und der Verfassung­ssäule. Wir werden jeden Tag daran erinnert.“Aber er denke, dass auch die politisch Verantwort­lichen das sehr gut wissen. Jetzt sei eine Krisenausn­ahmesituat­ion, die harte Eingriffe erfordere, um Menschen zu schützen. Gerald Lopp: „Mein Wunsch ist, dass die Bürger Vertrauen haben, dass die Polizei und die Verantwort­lichen den Schutz der Grundrecht­e ganz hochhalten.“

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FOTO: ULI DECK/DPA Mit anderen Gedanken in die Dienststel­le: Für Gerald Lopp, Erster Kriminalha­uptkommiss­ar und Dienstgrup­penführer in Karlsruhe, ist die Arbeit in Zeiten von Corona keine leichte.

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