Desinfizieren mit Schwarzgebranntem
Lindauerin Barbara Bierach lebt in Irland und schildert, wie man dort mit Corona umgeht
- Gut 5000 Menschen in Irland haben sich bisher mit dem Coronavirus infiziert. Sie gehört noch nicht dazu: die Lindauerin Barbara Bierach, die nach Jahren in New York und Sydney im Nordwesten Irlands ein neues Zuhause gefunden hat. Doch auch, wenn sie scheinbar locker erwähnt, dass die nächsten Menschen „einige Hundert Meter entfernt wohnen“, nimmt Bierach die Pandemie durchaus ernst. So wie auch die Iren in ihrer Nachbarschaft. Die wissen sich zwar zu helfen, wenn es in der nächsten Ortschaft kein Desinfektionsmittel mehr gibt. „Aber ich bin erstaunt, wie diszipliniert sich die Iren in dieser Situation bisher verhalten.“
Als die Journalistin und Autorin Barbara Bierach vor fünf Jahren mit ihrem Ehemann in dessen irische Heimat zieht, da hat sie schon einiges gesehen von der Welt. Hat als Auslandskorrespondentin in den USA und Australien gelebt. Schnell fühlt sie sich an der Nordwestküste Irlands zu Hause, bleibt auch dort, als ihr Mann plötzlich verstirbt. Sie liebt das alte Herrenhaus, in dem ihr Mann seine Kindheit verbracht hat, das sie beide zusammen liebevoll saniert haben. Auch wenn es Stadtmenschen vermutlich als ziemlich abgelegen bezeichnen würden.
Jetzt, angesichts der Corona-Pandemie,
kommt das aber Bierach ganz gelegen: „Charlesfort House steht auf 50 Hektar Land – da wohnen die nächsten Nachbarn einige Hundert Meter entfernt“, lässt sich die 54-Jährige ein Schmunzeln entlocken: Abstand halten angesichts des Virus’ sei so kein großes Problem.
Und doch ist die Gefahr durchaus gegenwärtig. Denn in der Familie des Mannes, der einen Teil des Landbesitzes gepachtet hat, ist bereits ein Angehöriger an Covid-19 erkrankt. Der gelte zwar mittlerweile wieder als gesund, bleibe aber trotzdem noch in Isolation. „Die Krankheit ist also doch schon nah“, denkt Bierach im Gespräch mit der LZ nach.
Dass sich die Menschen in Deutschland weitestgehend an Kontaktverbote und Ausgangsbeschränkungen halten, ist der Autorin klar. Dass aber auch die Iren Corona-bedingte Restriktionen zur Zeit noch ohne Murren hinnehmen, findet die 54Jährige bemerkenswert. Immerhin habe der deutliche Anstieg an mit dem Coronavirus Infizierten dazu geführt, dass sogar die traditionellen Paraden am St. Patrick’s Day, dem irischen Nationalfeiertag am 17. März, abgesagt wurden: „Ich bin erstaunt, wie diszipliniert sich die Iren an die Ausgangssperre halten.“Denn auch, wenn nach Jahrhunderten britischer Besatzung die Republik Irland seit 1923 frei sei, „haben sich die Iren noch immer ihren extrem rebellischen Charakter bewahrt“.
Bierach weiß ein gutes Beispiel dafür: Es werde im Land immer noch sehr viel Schnaps schwarz, also illegal gebrannt. Doch dieser Poitin habe jetzt, in der Corona-Krise, durchaus seine gute Seite: „Der hat oft 80 Prozent Alkohol“und sei deshalb ausgesprochen praktisch, weil auch in Irland Desinfektionsmittel ausverkauft seien: „Kauft man eben BabyWipes, also Feuchttücher, und tränkt sie in Poitin – fertig!“
Bierach erlebt aber auch, dass die Menschen in ihrer neuen Heimat in der Krise zusammenstehen. Es heißt, dass mittlerweile an die 60 000 Iren als Freiwillige im Gesundheitswesen aushelfen. Der Prominenteste ist sicherlich der irische Premierminister Leo Varadkar: Er hat vor wenigen Tagen beschlossen, wieder in seinem eigentlichen Beruf als Arzt zu arbeiten. Einen Tag in der Woche will er in der medizinischen Telefonberatung die Fragen
Barbara Bierach zum pragmatischen Umgang der Iren mit dem Coronavirus jener Landsleute beantworten, die befürchten, sich mit dem Coronavirus angesteckt zu haben. „Damit folgt Varadkar dem Aufruf seines eigenen Gesundheitsministers, denn der hatte pensionierte Mediziner gebeten, den Gesundheitsdienst in der Krise jetzt zu unterstützen“, berichtet Bierach.
Mittlerweile ist nach ihren Informationen sogar die Zustimmung der Iren zu Varadkars Partei wieder deutlich gestiegen. Natürlich gebe es Menschen, die das für einen PR-Gag halten. „Alle anderen finden es gut, dass ein Politiker erstens einen richtigen Job hat und dass der Premierminister nun mitkriegt, wie es im Alltag der Menschen so zugeht“, stellt die Journalistin fest.
Corona in ihrer Wahlheimat Irland, das nimmt Bierach durchaus ernst. Angst habe sie aber nicht. Auch deshalb, weil es mit dem General Hospital in Sligo – in dem übrigens auch einer ihrer Romane spielt – ein sehr gutes Krankenhaus gebe mit in Normalzeiten immerhin neun Beatmungsplätzen. Wobei Bierach bewusst ist, dass dessen Einzugsbereich an der Nordwestküste riesig ist.
Ihr persönlich größter Risikofaktor, das ist vielmehr ein über 80-jähriger Onkel ihres verstorbenen Mannes: Der sei ständig unterwegs, kümmere sich nicht um dieses neuartige Virus. „Aber ich muss den alten Mann ja versorgen.“
„Kauft man eben Baby-Wipes und tränkt sie in Poitin – fertig!“