Abwracken, um anzukurbeln
Südwest-Wirtschaftsministerin, Autoindustrie und IG Metall sprechen sich für die Auto-Kaufprämie aus
Herausforderungen“, sagt Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) der „Schwäbischen Zeitung“. Der Rückgang der in Deutschland produzierten Fahrzeuge beläuft sich laut Landeswirtschaftsministerum im März 2020 auf 37 Prozent. Der Fahrzeugexport sei im gleichen Monat
um 32 Prozent eingebrochen.
Nicole Hoffmeister-Kraut sieht deshalb eine Prämie als mögliches Mittel, um die Autoindustrie zu stützen. Es brauche „eine Stimulierung der Nachfrage in Form einer Innovationsprämie, die technologieoffen und CO2-orientiert die aktuelle Umweltprämie sinnvoll ergänzt“– denn, wer sich ein Elektroauto kauft, bekommt derzeit schon einen „Umweltbonus“vom Staat.
Denkbar sei eine nach Emissionen gestaffelte Innovationsprämie, sagt Hoffmeister-Kraut. „Den Förderhöchstbetrag gäbe es in einem solchen Modell für Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeuge“. Fahrzeuge mit schadstoff- und verbrauchsarmen Verbrennungsmotoren Benzin, Gas und Diesel, mit und ohne Hybridisierung sollten dann laut Hoffmeister-Kraut eine entsprechend abgestufte Förderung erhalten. „Den modernen Verbrennungsmotor jetzt, da es um das Hochfahren der gesamten Produktion geht, ganz auszuklammern, hieße, bestehende Strukturen in der Automobil- und Zulieferindustrie und Arbeitsplätze massiv zu gefährden“, sagt sie.
In Baden-Württemberg seien alle 470 000 Arbeitsplätze der Automobilwirtschaft von der Corona-Krise betroffen „vom Maschinenbauer über den Fahrzeughersteller und Zulieferer bis zum Autohaus“, sagt Roman
Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg der „Schwäbischen Zeitung“. „Bleibt der Absatz dauerhaft niedrig, wird dies auch in ähnlichem Umfang Arbeitsplätze gefährden.“
Es seien deshalb insgesamt umfangreiche Maßnahmen nötig, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. „Dafür muss ein Gesamtkonzept entwickelt werden, in dem eine Abwrackprämie eine Rolle spielen kann“, sagt Zitzelsberger. Dabei müsse die CO2-Reduktion der Maßstab sein. „Das heißt: Je größer die CO2- Einsparung durch das jeweilige Neufahrzeug gegenüber dem 'abgewrackten' desto höher könnte eine solche Prämie ausfallen. Auf diesem Weg kann eine beschleunigte Reduktion von CO2 erfolgen, zugleich wird die Wirtschaft angekurbelt und die Arbeitsplätze werden gesichert“, sagt Zitzelsberger.
Ähnlich äußert sich der Friedrichshafener Automobilzulieferer ZF: „Um den schrittweisen Neustart vorzubereiten, bedarf es vielfältiger Maßnahmen. Dazu gehören wirtschaftspolitische Weichenstellungen, etwa Förderprämien, um die FahrzeugNachfrage anzukurbeln und Beschäftigung zu sichern“, sagt ein Sprecher. Jedoch: Wichtig sei dabei, dass Förderprämien schnell und in der Breite wirken, also nicht auf einzelne Fahrzeugsegmente begrenzt werden.
Genau daran gibt es aber auch Kritik. Greenpeace-Verkehrsexperte Tobias Austrup beispielsweise sagt, es dürfe „keinen Euro Förderung für Diesel, Benziner oder Plug-in-Hybride mehr geben“. Bundestags-Fraktionsvizer der Grünen Oliver Krischer sagte bereits am Montag: „Eine Abwrackprämie wird die Autoindustrie nicht auf die Beine bringen, sondern führt, wenn überhaupt zu einem Strohfeuer.“Die Prämie habe 2009 die Grundlage dafür gelegt, „dass die Autoindustrie bis heute der Elektromobilität hinterherhinkt“.
Aber sogar eine Abkehr von den Klimazielen in der Automobilindustrie kommt für Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin HoffmeisterKraut infrage: Es brauche ein temporäres Aussetzen möglicher Strafzahlungen an die EU bei Überschreitung der CO2-Flottengrenzwerte in diesem Jahr. „Andernfalls droht den Unternehmen ein zusätzlicher Liquiditätsverlust in Milliardenhöhe – Liquidität, die zur Stabilisierung der Branche und für Zukunftsinvestitionen dringend benötigt wird“, sagt Hoffmeister-Kraut.
Die EU schreibt den Autobauern seit Jahresbeginn einen Höchstwert von 95 Gramm CO2 je Kilometer im Flottendurchschnitt vor. Bis 2030 soll diese Grenze weiter sinken, bei Verstößen drohen Milliardenstrafen.