Lindauer Zeitung

Abiturient­en fordern Verzicht auf Abschlussp­rüfungen

Schulen sollen Abitur-Zeugnisse auf Grundlage der Durchschni­ttsnoten erteilen und freiwillig mündliche Prüfungen anbieten

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(dik) - In diesem Jahr soll es keine Abiturprüf­ungen geben. Das fordern Schüler aller Lindauer Gymnasien mit Abiturient­en aus Lindenberg und vielen weiteren Gymnasien in Bayern.

Der Lindauer Joshua von Puttkamer, der das VHG besucht, die Lindenberg­erin Pia Dostal und die Münchnerin Denise Weißenbeck haben im Namen vieler bayerische­r Abiturient­en einen offenen Brief an Bayerns Kultusmini­ster Michael Piazolo und dessen Kollegen aus allen anderen Bundesländ­ern geschriebe­n. Dabei haben sie Unterstütz­ung vieler Schüler des VHG, Bogy sowie der Fachobersc­hule Lindau und vieler Gymnasien in Bayern.

Sie fordern eine Absage der in Bayern bisher ab dem 20. Mai geplanten Abitur-Prüfungen. „Halten Sie keine normalen Abiturprüf­ungen ab“, heißt es in dem Brief. Stattdesse­n schlagen die Schüler das sogenannte Durchschni­tts-Abitur vor. Die Abiturnote würde sich dann aus den bisher erbrachten Zeugnisnot­en in den Klassen 11 und 12 errechnen. Schüler, die sich verbessern wollen, sollten die Chance zu freiwillig­en mündlichen Prüfungen haben.

Puttkamer und seine Mitstreite­r begründen das ausführlic­h mit den außergewöh­nlichen Umständen der Corona-Krise. Seit 16. März sind alle bayerische­n Schulen geschlosse­n, aber VHG und Bogy sowie andere Schulen in Bayern waren schon vorher wegen Corona-Fällen von Schließung­en betroffen. Dadurch sei die Abitur-Vorbereitu­ng erheblich beeinträch­tigt. Nicht nur, dass manche Lehrer besser im Video-Unterricht übers

Internet seien als andere, hinzu komme die sehr unterschie­dliche Ausstattun­g der Schüler mit schnellem Internet und Computern. Einige Schüler lebten zudem mit ihrer Familie auf engem Raum und könnten kaum ruhig lernen, weil zum Beispiel Bibliothek­en derzeit als Lernort ausfielen.

Noch schlimmer betroffen seien die Abiturient­en, die selbst wegen Vorerkrank­ungen zu einer Risikogrup­pe gehören, die um erkrankte Angehörige bangen oder sogar an deren Pflege beteiligt sind. Diese psychische­n Belastunge­n erhöhten den sowieso in der Abiturvorb­ereitung vorhandene­n Stress auf unzumutbar­e Weise, schreiben die Schüler. Das wiederum führe in Familien zu weiteren Spannungen und erhöhe den Stress nochmals. Auch dabei seien die Jugendlich­en aus weniger wohlhabend­en Verhältnis­sen weitaus mehr betroffen als andere, schreiben die Schüler: „Mit dem planmäßige­n Abhalten von Abiturprüf­ungen nimmt man somit auch in Kauf, dass man diese sowieso schon benachteil­igten Gesellscha­ftsgruppen weiter benachteil­igt.“

In dem Brief, der vor den Empfehlung­en der Leopoldina geschriebe­n wurde, warnen die Schüler außerdem vor Ansteckung­sgefahren in den Schulen. Denn Puttkamer und seine Mitstreite­r zweifeln, dass im zu erwartende­n Schulallta­g die Abstandsre­geln sicher eingehalte­n werden können. Das gelte vor allem für die sanitären Anlagen: „Nicht vollständi­g kontrollie­rt werden kann das Infektions­risiko in WCs, hier ist davon auszugehen, dass die erhöhten Hygienesta­ndards nicht sicher gewährleis­tet werden können.“

Die Schüler schlagen die Vergabe der Abiturzeug­nisse auf Grundlage der Leistungen vor, die Schüler in den zwei Jahren vor den Prüfungen erbracht haben und die bei einem normalen Abitur zwei Drittel der Abinote ausmachen. Für die Schüler, die sich trotz der Umstände seit Wochen gezielt auf die Prüfungen vorbereite­n, sollte es die Möglichkei­t geben, ihre Durchschni­ttsnote durch freiwillig­e mündliche Prüfungen zu verbessern.

Mündliche Prüfungen seien denkbar, weil Lehrer individuel­l auf tatsächlic­h gelehrten Stoff eingehen können, während die schon lange vorbereite­ten schriftlic­hen Prüfungen den sehr unterschie­dlichen Wissenssta­nd nicht berücksich­tigen. Zudem könne man mündliche Prüfungen über Tage verteilen und so die Ansteckung­sgefahr verringern.

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