Polizei und OB verteidigen Zeppelin-Einsatz
Kosten werden aus Mitteln des OB für dessen Aufsichtsratstätigkeit in Stiftungsunternehmen gedeckt
- Die einen sehen Deutschland schon auf direktem Weg in Richtung Überwachungsstaat, die anderen verteidigen die Aktion als schlicht und einfach notwendig: Die Überwachungsflüge der Polizei mit dem Zeppelin am Osterwochenende sorgen seit Tagen für kontroverse Diskussionen, besonders heftig wurden und werden sie in den sozialen Medien geführt. Ungeachtet der teils herben Kritik zieht die Polizei nach vier Flügen an vier Tagen ein überwiegend positives Fazit – weil sie aus rund 300 Metern Höhe nur wenige Verstöße gegen die coronabedingten Versammlungsund Kontaktverbote festgestellt hat.
Als am Wochenende vor Ostern der Zeppelin erstmals mit der überdimensionalen Botschaft „Alle für alle“abhob, wirkte er wie ein Symbol der Hoffnung in diesen schwierigen Corona-Zeiten. Ein paar Tage und eine Pressemitteilung später hatte sich dieses Symbol der Hoffnung für viele Menschen in der Region in ein Symbol der Überwachung verwandelt. Denn Inhalt dieser Pressemitteilung war die Ankündigung des Polizeipräsidiums Ravensburg, die Zeppelinflüge über Ostern für Beobachtungen aus der Luft zu nutzen – um gegebenenfalls Menschenansammlungen feststellen zu können, die gegen die Corona-Verordnung verstoßen. Eine Ankündigung, die insbesondere in den sozialen Medien für gehörigen Wirbel sorgte. Allein auf den Facebook-Seiten der „Schwäbischen Zeitung“ist das Thema in den vergangenen Tagen mehrere hundert Mal kommentiert worden – von durchaus wohlwollend bis heftig-beleidigend.
Überrascht war man im Ravensburger Polizeipräsidium von Art und Umfang der Reaktionen auch in den eigenen Kanälen in den sozialen Medien nach eigenem Bekunden nicht. „Das war klar“, sagt Oliver Weißflog, stellvertretender Leiter der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit. So richtig nachvollziehen kann er die zum Teil heftige Kritik aber nicht – zumal es keine heimliche, verdeckte Aktion war, sondern eine, die vorher offen angekündigt worden war. „Kein Rechtsstaat, keine Demokratie kommt vollständig ohne Überwachung aus“, sagt Weißflog. Und das Polizeipräsidium Ravensburg sei auch längst nicht das einzige, das in den vergangenen Tagen aus der Luft die Einhaltung der Corona-Verordnung kontrolliert habe. Andere hätten dafür eben Hubschrauber genutzt. Der Zeppelin habe den Vorteil, dass er lange in der Luft bleiben kann und außerdem wenig Lärm verursacht. Überwachungstechnik wie in einem Polizeihubschrauber gebe es im Zeppelin aber nicht. Das sei auch gar nicht erforderlich. „Unser Ziel war nicht, den Leuten in ihrem Garten mit dem Teleobjektiv auf die Teller zu schauen, sondern größere Ansammlungen von Menschen festzustellen“, erklärt Oliver Weißflog.
Allzu viele solcher Ansammlungen hatte die Polizei letztlich nicht zu beanstanden. Am Freitag, Samstag und Sonntag war der Zeppelin jeweils vier Stunden mit Polizisten an Bord in der Luft, am Ostermontag waren’s wetterbedingt nur etwas mehr als zwei Stunden. Wie Weißflog berichtet, gab es in dieser Zeit nur wenige Fälle, in denen Kollegen am Boden über Menschenansammlungen informiert wurden, um direkt vor Ort einzugreifen. Einmal war das an Karfreitag zum Beispiel am GrafZeppelin-Haus der Fall, wo Polizeibeamte letztlich zehn Platzverweise aussprachen, weil Abstandsregeln nicht eingehalten worden waren. Insgesamt hielt sich die Zahl der Einsätze aber in Grenzen. „Die Uferbereiche waren auffallend wenig frequentiert“, berichtet der Polizeisprecher. Selbiges galt übrigens auch für die ansonsten an solchen Wochenenden hoffnungslos überfüllten Bundesstraßen.
Ob es zur Überwachung der Corona-Verordnung weitere ZeppelinEinsätze des Polizeipräsidiums Ravensburg geben wird, ist laut Oliver Weißflog noch nicht entschieden.
Das wird auch davon abhängen, wie lange welche Maßnahmen überhaupt noch gelten.
Ein rechtlich kniffliger Punkt könnte die Frage der Finanzierung von solchen Einsätzen sein. Die Zeppelinflüge mit der Botschaft „Alle für alle“hatte die Stadt initiiert. Einen Teil der Gesamtkosten von 120 000 Euro für neun Flüge inklusive Beklebung mit dem Schriftzug sollte die Zeppelin-Stiftung übernehmen. Zumindest indirekt würden dadurch auch die Polizeieinsätze mitfinanziert. Gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“teilt die Stadtverwaltung mit, dass die Kosten über Mittel des Oberbürgermeisters gedeckt werden – konkret aus jenem Anteil der Vergütungen für Aufsichtsratstätigkeiten für Stiftungsunternehmen, die der OB entsprechend der Satzung der Zeppelin-Stiftung abführen muss. Der Einsatz des Zeppelins mit dem Schriftzug „Alle für alle“erinnere daran, dass der gebotene Kontaktverzicht ein Beitrag zur Verzögerung des Pandemiegeschehens sei. Im Rathaus wertet man dies als Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens im Sinne der Satzung der Zeppelin-Stiftung. Das Mitfliegen der Polizei widerspreche dem nicht.
Dazu schreibt Oberbürgermeister Andreas Brand in einer Stellungnahme: „Die Idee, die Polizei zur Unterstützung deren Arbeit bei diesen Flügen mitzunehmen, ist im Nachhinein und in Gesprächen zur Krisenlage mit dem Polizeipräsidenten entstanden. Der Zeppelin NT wäre aufgrund unserer Buchung ohnehin geflogen.“Als Oberbürgermeister sei ihm wichtig, dass die Stadt einen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie und damit zum Gesundheitsschutz leisten konnte, indem man die wichtige Arbeit der Polizei unterstützt habe, schreibt Brand abschließend.