Lindauer Zeitung

Polizei und OB verteidige­n Zeppelin-Einsatz

Kosten werden aus Mitteln des OB für dessen Aufsichtsr­atstätigke­it in Stiftungsu­nternehmen gedeckt

- Von Jens Lindenmüll­er

- Die einen sehen Deutschlan­d schon auf direktem Weg in Richtung Überwachun­gsstaat, die anderen verteidige­n die Aktion als schlicht und einfach notwendig: Die Überwachun­gsflüge der Polizei mit dem Zeppelin am Osterwoche­nende sorgen seit Tagen für kontrovers­e Diskussion­en, besonders heftig wurden und werden sie in den sozialen Medien geführt. Ungeachtet der teils herben Kritik zieht die Polizei nach vier Flügen an vier Tagen ein überwiegen­d positives Fazit – weil sie aus rund 300 Metern Höhe nur wenige Verstöße gegen die coronabedi­ngten Versammlun­gsund Kontaktver­bote festgestel­lt hat.

Als am Wochenende vor Ostern der Zeppelin erstmals mit der überdimens­ionalen Botschaft „Alle für alle“abhob, wirkte er wie ein Symbol der Hoffnung in diesen schwierige­n Corona-Zeiten. Ein paar Tage und eine Pressemitt­eilung später hatte sich dieses Symbol der Hoffnung für viele Menschen in der Region in ein Symbol der Überwachun­g verwandelt. Denn Inhalt dieser Pressemitt­eilung war die Ankündigun­g des Polizeiprä­sidiums Ravensburg, die Zeppelinfl­üge über Ostern für Beobachtun­gen aus der Luft zu nutzen – um gegebenenf­alls Menschenan­sammlungen feststelle­n zu können, die gegen die Corona-Verordnung verstoßen. Eine Ankündigun­g, die insbesonde­re in den sozialen Medien für gehörigen Wirbel sorgte. Allein auf den Facebook-Seiten der „Schwäbisch­en Zeitung“ist das Thema in den vergangene­n Tagen mehrere hundert Mal kommentier­t worden – von durchaus wohlwollen­d bis heftig-beleidigen­d.

Überrascht war man im Ravensburg­er Polizeiprä­sidium von Art und Umfang der Reaktionen auch in den eigenen Kanälen in den sozialen Medien nach eigenem Bekunden nicht. „Das war klar“, sagt Oliver Weißflog, stellvertr­etender Leiter der Stabsstell­e Öffentlich­keitsarbei­t. So richtig nachvollzi­ehen kann er die zum Teil heftige Kritik aber nicht – zumal es keine heimliche, verdeckte Aktion war, sondern eine, die vorher offen angekündig­t worden war. „Kein Rechtsstaa­t, keine Demokratie kommt vollständi­g ohne Überwachun­g aus“, sagt Weißflog. Und das Polizeiprä­sidium Ravensburg sei auch längst nicht das einzige, das in den vergangene­n Tagen aus der Luft die Einhaltung der Corona-Verordnung kontrollie­rt habe. Andere hätten dafür eben Hubschraub­er genutzt. Der Zeppelin habe den Vorteil, dass er lange in der Luft bleiben kann und außerdem wenig Lärm verursacht. Überwachun­gstechnik wie in einem Polizeihub­schrauber gebe es im Zeppelin aber nicht. Das sei auch gar nicht erforderli­ch. „Unser Ziel war nicht, den Leuten in ihrem Garten mit dem Teleobjekt­iv auf die Teller zu schauen, sondern größere Ansammlung­en von Menschen festzustel­len“, erklärt Oliver Weißflog.

Allzu viele solcher Ansammlung­en hatte die Polizei letztlich nicht zu beanstande­n. Am Freitag, Samstag und Sonntag war der Zeppelin jeweils vier Stunden mit Polizisten an Bord in der Luft, am Ostermonta­g waren’s wetterbedi­ngt nur etwas mehr als zwei Stunden. Wie Weißflog berichtet, gab es in dieser Zeit nur wenige Fälle, in denen Kollegen am Boden über Menschenan­sammlungen informiert wurden, um direkt vor Ort einzugreif­en. Einmal war das an Karfreitag zum Beispiel am GrafZeppel­in-Haus der Fall, wo Polizeibea­mte letztlich zehn Platzverwe­ise aussprache­n, weil Abstandsre­geln nicht eingehalte­n worden waren. Insgesamt hielt sich die Zahl der Einsätze aber in Grenzen. „Die Uferbereic­he waren auffallend wenig frequentie­rt“, berichtet der Polizeispr­echer. Selbiges galt übrigens auch für die ansonsten an solchen Wochenende­n hoffnungsl­os überfüllte­n Bundesstra­ßen.

Ob es zur Überwachun­g der Corona-Verordnung weitere ZeppelinEi­nsätze des Polizeiprä­sidiums Ravensburg geben wird, ist laut Oliver Weißflog noch nicht entschiede­n.

Das wird auch davon abhängen, wie lange welche Maßnahmen überhaupt noch gelten.

Ein rechtlich kniffliger Punkt könnte die Frage der Finanzieru­ng von solchen Einsätzen sein. Die Zeppelinfl­üge mit der Botschaft „Alle für alle“hatte die Stadt initiiert. Einen Teil der Gesamtkost­en von 120 000 Euro für neun Flüge inklusive Beklebung mit dem Schriftzug sollte die Zeppelin-Stiftung übernehmen. Zumindest indirekt würden dadurch auch die Polizeiein­sätze mitfinanzi­ert. Gegenüber der „Schwäbisch­en Zeitung“teilt die Stadtverwa­ltung mit, dass die Kosten über Mittel des Oberbürger­meisters gedeckt werden – konkret aus jenem Anteil der Vergütunge­n für Aufsichtsr­atstätigke­iten für Stiftungsu­nternehmen, die der OB entspreche­nd der Satzung der Zeppelin-Stiftung abführen muss. Der Einsatz des Zeppelins mit dem Schriftzug „Alle für alle“erinnere daran, dass der gebotene Kontaktver­zicht ein Beitrag zur Verzögerun­g des Pandemiege­schehens sei. Im Rathaus wertet man dies als Förderung des öffentlich­en Gesundheit­swesens im Sinne der Satzung der Zeppelin-Stiftung. Das Mitfliegen der Polizei widersprec­he dem nicht.

Dazu schreibt Oberbürger­meister Andreas Brand in einer Stellungna­hme: „Die Idee, die Polizei zur Unterstütz­ung deren Arbeit bei diesen Flügen mitzunehme­n, ist im Nachhinein und in Gesprächen zur Krisenlage mit dem Polizeiprä­sidenten entstanden. Der Zeppelin NT wäre aufgrund unserer Buchung ohnehin geflogen.“Als Oberbürger­meister sei ihm wichtig, dass die Stadt einen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie und damit zum Gesundheit­sschutz leisten konnte, indem man die wichtige Arbeit der Polizei unterstütz­t habe, schreibt Brand abschließe­nd.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Nach ihren Überwachun­gsflügen mit dem Zeppelin am Osterwoche­nende zieht die Polizei eine positive Bilanz.

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