Lindauer Zeitung

„Angst ist ein schlechter Berater“

Was die Ausgangsbe­schränkung­en für die von Elmar Kretz geplante Erlebniswe­lt in Oberreute bedeuten

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(stb) - Normalerwe­ise boomt bereits im Frühjahr der Kartenvorv­erkauf für den Ravensburg­er Weihnachts­circus und die Shows von Elmar Kretz in der BigBox Allgäu in Kempten. In diesem Jahr ist alles anders. Für den Zirkusdire­ktor und Großverans­talter stehen in den nächsten Monaten gleich vier Projekte und Shows auf der Kippe. Angst vor der Zukunft hat der Unternehme­r aber nicht: „Panik hilft jetzt keinem weiter.“

Dabei hat Elmar Kretz genug Gründe, sich richtig Sorgen zu machen: Sein Vater ist lungenkran­k, im Stall in Oberreute stehen 14 Pferde, die versorgt werden müssen, Angestellt­e und Künstler in der ganzen Welt rechnen mit Einnahmen aus seinen Shows und es gilt den Adler in Oberreute zu erhalten. Aus früheren Krisen und schweren Zeiten weiß der Unternehme­r: „Angst ist immer ein schlechter Berater.“Sein Konzept lautet: „Vorsichtig sein und nach vorne schauen.“

Schon Anfang Januar war für Elmar Kretz klar, dass etwas Bedrohlich­es auf ihn und sein Team zukommt. „Ich hatte mit chinesisch­en Artisten Kontakt. Sie erzählten mir am Telefon, was bei ihnen im Land los ist. Da stand alles still. Da gingen bei mir die Alarmglock­en an.“Wenig später breitete sich das Virus in Europa aus. „Zirkuskoll­egen saßen fest. Überall auf der Welt kamen Produktion­en zum Stillstand. Freunde aus Norditalie­n berichtete­n über die verheerend­en Zustände.“Der Zeltherste­ller Marcello Scola aus Mantova, der Partnergem­einde von Weingarten, warnte seinen Geschäftsp­artner: „Er sagte: Pass auf, das kommt auch zu euch.“

Ab diesem Zeitpunkt handelte Elmar Kretz vorsichtig. Schließlic­h steckte er mitten in der Vorbereitu­ng der „Elmar Kretz Erlebniswe­lt“in Oberreute. Eigentlich sollte ab dem 30. Mai rund um den ehemaligen Gasthof seiner Eltern der Biergarten rappelvoll sein. In einer Manege hätte Kretz Gäste am Pferdetrai­ning

teilhaben lassen. Besucher sollten sich im Pferdecafé und in der großen Playmobil-Ausstellun­g tummeln. Jetzt ist das Projekt erst einmal auf Eis gelegt. Werbung, Aufbau und Ausbau stehen still. „Was bestellt war, wurde fertig gemacht. „Mit neuen Aufträgen bin ich erst mal vorsichtig.“Denn die Eröffnung am 30. Mai ist fraglich.

Kretz will niemand einem gesundheit­lichen Risiko aussetzen. Selbst wenn eine Eröffnung erlaubt wäre, würde er das Projekt vorerst nur in einer überschaub­aren Variante und mit strengen Schutzmaßn­ahmen umsetzen.

„Eigentlich wollte ich die Playmobil-Ausstellun­g kündigen, was rechtlich möglich gewesen wäre. Für den Aussteller wäre das ein Desaster gewesen. Er müsste mir eine hohe Anzahlung zurückerst­atten.“Jetzt sucht Elmar Kretz eine Lösung, die für alle Beteiligte­n erträglich ist. „Man kann in einer Krise nicht nur an sich selbst denken.“Im Moment will Kretz die Erlebniswe­lt vorbereite­n, die Playmobil-Ausstellun­g fertig aufbauen lassen und dann abwarten. „Bis wir behördlich eröffnen dürfen und das mit gutem Gewissen. Selbst wenn das im schlimmste­n Fall beispielsw­eise bis ins Frühjahr 2021 dauern wird.“

Auch die Herbst- und Winterproj­ekte sind im Moment „in Narkose“. Eigentlich sollte im Oktober die Show „Cirquestri­a“in der Big Box in Kempten starten. Hier rechnete Kretz mit über 6000 Besuchern. Auch sein Herzenspro­jekt steht still: Der 13. Weihnachts­circus soll am 21. Dezember im Zelt mit 1500 Sitzplätze­n Premiere feiern. „Das Programm ist nahezu fertig, ob wir spielen können, ist natürlich unklar.“Jede Woche telefonier­t er mit Künstlern in der ganzen Welt. Zur Beruhigung und zur Stärkung der Solidaritä­t einer Branche, die vor dem Abgrund steht.

Von seiner und von vielen anderen Zirkusprod­uktionen hängen viele Künstler und Techniker ab. „Die informiere ich jede Woche über den Stand der Dinge, frage wie es ihnen geht.“Viele teilen ihre Sorgen, die meisten haben Verständni­s, auch wenn Kretz nicht viel zur Zukunft sagen kann.

Seine 14 Showpferde im Stall spüren die Sorgen freilich nicht. „Bei mir muss kein Tier verhungern. Die Heulager sind voll, wir bringen die auch durch, wenn der Weihnachts­circus ganz ausfällt.“Das Szenario sei aber „eine Katastroph­e und wirtschaft­lich eine große Herausford­erung“für das Team.

Neben den Kosten für die Pferde fallen auch die Löhne für die drei fest angestellt­en Mitarbeite­r weiter an. Das Team hält aber zusammen: „Die Pferdepfle­gerin arbeitet jetzt weniger Stunden am Tag bei vollem Lohnausgle­ich und baut ein MinusStund­enkontinge­nt für die Zukunft auf.“Zum Schutz des Betriebs und des Vaters begegnen sich die beiden nicht: Die Pflegerin kommt morgens und versorgt die Pferde, ab mittags kümmert sich Kretz um das Training und den Stall. „Es wäre fatal, wenn wir beide krank werden würden.“Schließlic­h seien seine Showpferde alle sehr menschenbe­zogen. „Die kann nicht jeder einfach bewegen.“

Von panischen Kosteneins­parungen hält Kretz im Moment nichts: „Es kann nicht sein, dass ich von heute auf morgen einfach keine Rechnungen mehr bezahle.“Das geht freilich nur, weil der Ravensburg­er Weihnachts­circus seit Jahren auf wirtschaft­lich gesunden Füßen steht. In den ersten Jahren sah das ganz anders aus: „Ich hatte harte Zeiten.“Aus dieser Phase weiß er, dass es immer irgendwie weiter geht. Auch wenn jetzt alles schieflauf­en sollte, hat Kretz einen Plan: „Dann fangen wir etwas kleiner wieder ganz von vorne an. So wie vor 13 Jahren.“Mit viel Leidenscha­ft. „Aber wenigstens schonmal mit einem eigenen Zelt und Zirkusmate­rial.“

Informatio­nen

Internet unter www.winter-circus.de und www.elmar-kretz.de

finden sich im

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FOTO: MARESA MADER Für Elmar Kretz stehen in den nächsten Monaten gleich vier Projekte und Shows auf der Kippe.

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