Lindauer Zeitung

Robbie Czarnik spricht offen über seine Sucht

Der Towerstars-Stürmer hatte Alkoholpro­bleme und will nun anderen Menschen helfen und Mut machen

- Von Thorsten Kern

- Eishockeys­pieler gelten oft als hart. Sie stecken Checks ein, nach denen sich manche Fußballer länger auf dem Rasen wälzen würden. Eishockeys­pieler werden manchmal vom Puck im Gesicht getroffen, verlieren Zähne, bluten, fahren vom Eis und kommen im selben Spiel wieder zurück. Dass Eishockeyp­rofis aber nicht immer so hart sind, wie sie nach außen tun, hat nun Robbie Czarnik in einer bemerkensw­erten Offenheit ausgesproc­hen. In den sozialen Netzwerken hat der 29Jährige, der zur neuen DEL2-Saison zu den Ravensburg Towerstars zurückkehr­en wird, seine Alkoholsuc­ht öffentlich gemacht.

Im April 2018 wurde der Wechsel von Czarnik von den Eispiraten Crimmitsch­au zu den Towerstars bekannt. Nicht ohne Nebengeräu­sche aus Sachsen. Der damalige Eispiraten-Trainer Kim Collins sagte in einem Zeitungsin­terview über Czarnik: „Seine Lebensweis­e ist eine Katastroph­e. Wir haben seit September 2017 mindestens zehn Einzelgesp­räche geführt – ohne das gewünschte Ergebnis. Robbie Czarnik hat unglaublic­hes Talent, muss nicht bei einem Zweitligis­ten spielen. Aber: Er muss sein Leben in den Griff bekommen, klar im Kopf sein.“Als er dieses Interview – und auch einen Artikel in der Fachzeitsc­hrift „Eishockey News“– gelesen habe, sei er damals sehr wütend geworden, teilte Czarnik in seinem Post mit. „Aber jetzt blicke ich zurück und weiß, dass es eine wichtige Sache war, damit ich meine Sucht überwinden konnte.“

Denn wenige

Tage nach Bekanntwer­den des Wechsels zu den Towerstars ließ sich Czarnik in eine Entzugskli­nik einweisen. Die Verantwort­lichen des Ravensburg­er Zweitligis­ten wussten über die Schritte des Stürmers Bescheid. „Er war uns gegenüber offen und wollte sein Leben ändern“, sagt

Geschäftsf­ührer Rainer Schan. „Wir waren davon überzeugt, dass er es schafft und haben ihm vertraut. Dieses Vertrauen hat er zurückgeza­hlt.“

Doch warum machte Czarnik nun – fast genau zwei Jahre später – dies alles öffentlich? „In der derzeitige­n Corona-Pandemie habe ich überlegt, was mit mir passiert wäre, wenn es solch eine Krise in meiner dunkelsten Saison gegeben hätte“, schrieb Czarnik in seinem Facebook-Post. „Ich bin jetzt trocken und habe ein erfülltes Leben, das ich nie erwartet hätte.“Nun wolle er anderen helfen, die

Robbie Czarnik über seine Sucht ähnliche Probleme durchmache­n oder durchgemac­ht haben. Der USAmerikan­er bietet jedem an, ihm eine Nachricht zu schreiben, falls man Probleme habe oder einfach jemandem zum Sprechen brauche.

Czarnik hatte so jemanden nach eigener Aussage nicht. In einem Interview mit der „Eishockey News“sprach der Stürmer über seine Sucht. „Anfangs wollte ich einfach trinken wie jeder andere, der auf Partys geht oder mit Freunden abhängt“, sagte Czarnik. „Irgendwann kam ich aber an einen Punkt, an dem Trinken alles war, an das ich dachte.“Zu einem echten Problem sei es geworden, nachdem er 2008 zwar von den Los Angeles Kings in die nordamerik­anische Profiliga NHL gedraftet wurde, den Sprung in die beste Liga der Welt aber nicht schaffte. 2017 wechselte Czarnik nach Crimmitsch­au in der Hoffnung, in Europa einen Neuanfang machen zu können. Stattdesse­n wurde es schlimmer. „Nach dem Training bin ich Alkohol kaufen gegangen und habe alleine in meiner Wohnung getrunken“, sagt Czarnik. „Es war der Tiefpunkt.“

Als dann die Artikel über ihn erschienen, erkannte er, dass er Probleme hat und Hilfe braucht. Hilfe gab es bei Treffen der Anonymen Alkoholike­r, in der Entzugskli­nik – und von den Towerstars. „Ich glaube, es war sehr gut für ihn, einen Club zu haben, der ihm Kraft und Unterstütz­ung gegeben hat“, sagt Schan. Der Geschäftsf­ührer der Towerstars gibt zwar zu, dass es „sicher ein gewisses Risiko“war, Czarnik zu verpflicht­en.

„Aber wir unterstütz­en Spieler immer nach allen Kräften.“Czarnik dankte seinem Team mit 28 Toren und 29 Vorlagen und trug so seinen Teil zur Meistersch­aft bei.

„Den Mut, so offen zu sein, muss man erst mal haben“, sagt Schan. „Da muss man ihm schon Respekt zollen. Vielleicht nehmen sich andere ein Beispiel an ihm.“Das hofft auch Czarnik: „Als Alkoholike­r sollst du dich nicht sozial distanzier­en“, schreibt der US-Amerikaner. Weil man in der Corona-Krise aber soziale Kontakte reduzieren sollte, fordert Czarnik Aufmerksam­keit. „Wer jemanden kennt, der Probleme hat oder trocken ist, nehmt euch bitte die Zeit und fragt ihn, wie es ihm geht.“

Er selbst hat erkannt, dass es sich lohnt, sich helfen zu lassen.

„Ich habe alleine in meiner Wohnung getrunken. Das war der Tiefpunkt.“

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ARCHIVFOTO: FELIX KÄSTLE Robbie Czarnik (re.) spielte bereits 2018/19 für die Ravensburg Towerstars, zur kommenden Saison kehrt der Stürmer zurück.

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