Schäuble zweifelt an Corona-Maßnahmen
Bundestagspräsident warnt vor Kippen der Stimmung – Experten fürchten zweite Welle
- Angesichts der Einschränkungen von Grundrechten in der Corona-Krise haben mehrere Spitzenpolitiker, darunter auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) und Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), vor allzu langen Einschränkungen gewarnt. Die frühere Justizministerin Sabine LeutheusserSchnarrenberger sprach sich für weniger staatliche Vorgaben aus. „Die Bürgerinnen und Bürger werden zwar in Reden viel gelobt, aber man kann ihnen schon etwas mehr vertrauen und auf Freiwilligkeit setzen“, sagte die FDP-Politikerin der „Schwäbischen Zeitung“. Sie nannte etwa die App zur Kontaktverfolgung oder das Tragen von Schutzmasken. Die Pflicht, beim Einkaufen und im Nahverkehr einen Mund-NasenSchutz zu tragen, gilt in Baden-Württemberg und Bayern ab heute.
„Wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muss ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig“, sagte Schäuble dem „Tagesspiegel“.
Wenn es einen absoluten Wert im Grundgesetz gebe, dann sei es die Würde des Menschen – und diese schließe „nicht aus, dass wir sterben müssen“. Der Staat müsse die bestmögliche Gesundheitsversorgung gewährleisten, „aber Menschen werden weiter auch an Corona sterben“. Er warnte vor einem Kippen der Stimmung. Es müssten auch „die gewaltigen ökonomischen, sozialen, psychologischen und sonstigen Auswirkungen“abgewogen werden.
Justizministerin Lambrecht kann die Sorgen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) um eine zu starke Lockerung
der Maßnahmen nicht teilen. Je länger die Einschränkungen andauern, umso gründlicher müssten sie begründet werden, sagte sie. In vielen Städten, in Berlin, Stuttgart und Dresden, wurde für Lockerungen der Maßnahmen demonstriert.
Derweil warnten Experten und Ministerpräsidenten, etwa Tobias Hans (CDU) aus dem Saarland und Malu Dreyer (SPD) aus RheinlandPfalz, vor den Gefahren vorschneller Lockerungen. Der Ulmer Virologe Thomas Mertens sagte, eine zweite Welle könne „einem Flächenbrand“gleichkommen.