Abstandsregelung statt Umarmung bei Trauerfeiern
Lindauer Bestatter versuchen den Spagat zwischen Wahrung der Distanz und Trauerhilfe – Ab Montag wieder Urnenbestattungen
- Ab Montag finden auf den Lindauer Friedhöfen wieder Urnenbestattungen statt. Diese waren vom Gesetzgeber zwar nicht explizit verboten, jedoch hatte das bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege empfohlen, sie möglichst zu verschieben. Seit dem 30. März wurden daher im Raum Lindau nur noch Erdbestattungen durchgeführt.
Mit Inkrafttreten der Regelungen zur Lockerung der Corona-Maßnahmen werden auf den drei Lindauer Friedhöfen in Oberreitnau, Reutin und Aeschach jetzt auch wieder Urnenbestattungen durchgeführt. „Wir haben uns seit Ende März an die Empfehlung gehalten und alle Urnenbestattungen verschoben“, erklärt Martina Rankl, Leiterin der Friedhofsverwaltung der Stadt Lindau. Die jetzt anlaufenden Lockerungen habe man zum Anlass genommen, die Urnenbestattungen unter Einhaltung aller Regeln wieder aufzunehmen. Dennoch hat die Pandemie zu einigen grundsätzlichen Veränderungen geführt, sowohl für die Trauernden als auch für die Bestattungsunternehmen.
Bestattungen sind laut Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus ausdrücklich erlaubt. Allerdings dürfen in Bayern nur noch zehn, maximal 15 Familienmitglieder anwesend sein, die Anwesenheit von Freunden und Bekannten ist verboten, Trauerfeiern und Gottesdienste dürfen nur noch im Freien stattfinden und die erforderlichen Vorkehrungen zur Hygiene und zur Gewährleistung eines Mindestabstands von eineinhalb Metern müssen eingehalten werden. Gerade dieses Trauern ohne Umarmungen ist es, was Bestattungen in Zeiten von Corona sowohl für Hinterbliebene als auch für die Bestatter erschwert.
„Das ist für uns sehr ungewohnt, da wir normalerweise immer versuchen Nähe aufzubauen, um die Hinterbliebenen in der Trauerarbeit zu unterstützen“, erklärt Dennis Wurm, Bestattermeister und Inhaber von Wurm Bestattungen. Wo früher in den Arm genommen wurde, muss nun Distanz gewahrt werden. Vieles von dem, was normalerweise in der Vorbereitung einer Beerdigung bei den Menschen daheim oder in den Räumen des Unternehmens stattgefunden hat, versuchen die Bestatter daher via Telefon oder E-Mail zu klären. „Das klappt zum Teil sehr gut“, bestätigt Manuel Breyer, von Breyer Bestattungen, jedoch bleibe ohne persönlichen Kontakt leider viel
Zwischenmenschliches auf der Strecke.
Für die noch immer stattfindenden, persönlichen Gespräche wurden die Beratungsräume so umgestaltet, dass ein Mindestabstand gewahrt werden kann. Den Bestattern und ihren Mitarbeitern bleibt nur, auf Einfühlungsvermögen und Freundlichkeit zu setzen, um die räumliche Distanz zu überwinden. Sie wissen aber, wie schwer das in ihrem Beruf ist. „Wir sind eigentlich auch dazu da, um zu trösten und trauerpsychologisch zu helfen. Das ist ohne persönlichen Kontakt sehr schwierig“, erklärt Breyer.
Trotz dieser Einschränkungen versuchen die Bestatter ihr Möglichstes, um den Trauernden einen würdevollen Abschied von den Verstorbenen zu ermöglichen. „Die Bestattungszeremonie gehört zu unserer Kultur einfach dazu und wir versuchen es so pietät- und würdevoll wie möglich durchzuführen, wenn auch vieles in einer reduzierten Version stattfinden muss“, so Breyer. Als Beispiel dient das Verbot der zurückliegenden Wochen, Erde und Weihwasser ins offene Grab zu geben. Stattdessen wurden von den Trauernden Blütenblätter oder Blumen in die Gräber geworfen. Laut Mitteilung des bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege sind Erdwurf und Weihwassergaben am offenen Grab sowie am aufgebahrten Sarg ab Ende April aber wieder zulässig, sofern vor Nutzung der berührten Gegenstände durch eine weitere Person eine Desinfektion (Wischdesinfektion) durchgeführt wird. Ein Schritt, den die Bestatter begrüßen, denn sie wissen, dass diese Riten den Menschen wichtig sind, „damit sie sich richtig verabschieden können und nicht unbeholfen am
Grab stehen müssen“, so Wurm.
Auch bei den Angehörigen treffen die Maßnahmen nach Aussage der Bestatter auf Verständnis, auch wenn viele es natürlich lieber sehen würden, wenn sich auch Freunde und Arbeitskollegen am Grab verabschieden könnten.
Allerdings habe der eine oder andere auch schon angemerkt, dass ihm so die Entscheidung abgenommen wurde, ob die Feier im kleinen oder großen Kreis stattfinden soll, wie Wurm aus dem Arbeitsalltag zu berichten weiß.
Dieser Alltag hat sich für die Bestatter im Umgang mit den Toten weniger verändert als im Umgang mit den Hinterbliebenen. Bestatter müssen in ihrer Arbeit von jeher davon ausgehen, dass ein Verstorbener möglicherweise eine ansteckende Krankheit gehabt haben könnte, die nicht auf dem Totenschein ausgewiesen wurde. Schutzkleidung ist daher immer vorgesehen. „Wir sind immer vorsichtig, aber bei ausgewiesenen Corona-Infektionen kommt das volle Schutzprogramm von Ganzkörperanzug mit Kapuze, Schürze, Atemmaske, Schutzbrille und Handschuhen zum Einsatz“so Breyer. Außerdem ist der Kontakt mit dem Verstorbenen auf ein Minimum reduziert worden. Zu den vorgegebenen Schutzmaßnahmen des Staatsministeriums für den Umgang mit coronainfizierten Verstorbenen gehört, dass sie nicht behandelt, insbesondere gewaschen, rasiert, frisiert oder umgekleidet werden dürfen. Unter Einhaltung dieser Regelungen haben auch die Bestattungen der bislang im Landkreis Lindau am Coronavirus verstorbenen Menschen für die Bestatter kein Problem dargestellt.
Dabei hat auch diese Branche mit Lieferengpässen bei der Schutzkleidung zu kämpfen. In den zurückliegenden Wochen mussten zum Teil kreative Lösungen gefunden werden, um die Mitarbeiter zu schützen. „Nachdem unsere Bestellungen nicht kamen, habe ich mir mit Maleranzügen aus dem Baumarkt beholfen. Die waren sogar noch hochwertiger, als wir es eigentlich brauchen“, berichtet Wurm. Mittlerweile sind die Vorräte aber wieder aufgestockt.
So kommt es also, dass die Lindauer Bestatter beim alleinigen Blick auf die Auftragslage bislang von einem durchschnittlichen Jahr sprechen. „Der Arbeitsaufwand ist aufgrund der Umstellungen deutlich höher, aber wir haben heuer auch nicht mehr Beerdigungen als sonst“, erklären Wurm und Breyer einheitlich.