Lindauer Zeitung

Alpiner Tourismus in der Krise

Niemand weiß, wann wieder Hütten öffnen und Gruppen im Gebirge unterwegs sein dürfen

- Von Michael Munkler

- Noch liegt viel Schnee am Allgäuer Hauptkamm. Doch in den Vorbergen würden die ersten Hütten in den nächsten Tagen in die Sommersais­on starten. Auch ein Teil der 170 Alpen, die eine Konzession zur Bewirtung von Wanderern und Mountainbi­kern haben. Wenn die Corona-Krise Wanderern, Hüttenwirt­en und Bergschule­n keinen Strich durch die Rechnung gemacht hätte.

In der Geschäftss­telle des Deutschen Alpenverei­ns (DAV) in München machen sich die Verantwort­lichen seit Wochen Gedanken, wie der kommende Bergsommer aussehen könnte. Ob alpine Kurse wie geplant wieder stattfinde­n können und ob die Hütten zumindest teilweise wieder öffnen dürfen. „Auf jeden Fall wird das wohl nur mit Hygieneauf­lagen und Abstandsre­gelungen möglich sein“, sagt DAV-Pressespre­cher Thomas Bucher. Nach seinen Worten soll noch diese Woche eine internatio­nale Arbeitsgru­ppe Möglichkei­ten diskutiere­n. Denkbar wäre beispielsw­eise, dass Matratzenl­ager nicht voll belegt werden dürfen.

Unterschie­dliche Konzepte seien auch erforderli­ch, weil die baulichen Verhältnis­se der Hütten sehr unterschie­dlich sind, erläutert Bucher. In alten Unterkunft­shäusern mit großen Matratzenl­agern sei es viel schwierige­r, Gäste auf Abstand zu bewirten als beispielsw­eise auf dem neu gebauten Waltenberg­erhaus in den Oberstdorf­er Bergen. Claudia Karlinger, die mit ihrem Mann Markus diese Alpenverei­nshütte bewirtet, gibt sich gelassen: „Es ist alles in der Schwebe und wir müssen abwarten,“sagt sie und näht derzeit modische Mund-Nasen-Masken. Bisher hatte sie Stirnbände­r einer eigenen Waltenberg­erhaus-Kollektion auf der Hütte verkauft.

Gabi Braxmair, die zusammen mit ihrem Mann Martin die Kemptner Hütte bewirtscha­ftet, hätte normalerwe­ise jetzt mit 14 Saisonarbe­itskräften Arbeitsver­träge geschlosse­n. Heuer ist das natürlich nicht der Fall. „Wir haben bisher auch sonst noch keinerlei Vorbereitu­ngen getroffen.“

Verständni­s für die derzeitige­n Einschränk­ungen zeigt auch Harald Platz, Vorsitzend­er der Alpenverei­nssektion Allgäu-Kempten. Den Hüttenwirt­en gehe es wie der gesamten Hotel- und Gastronomi­ebranche. Das sei für eine Region wie das Allgäu bitter: „Denn wir leben ja alle vom Tourismus.“Platz könnte sich nach eigenen Worten vorstellen, dass die Hütten zu maximal 50 Prozent belegt werden. Der Kemptener Alpenverei­ns-Geschäftsf­ührer Michael Turobin-Ort hat zwei Szenarien entwickelt: Entweder 30 Prozent Auslastung oder die Hütten bleiben diesen Sommer ganz geschlosse­n. Für Kletterhal­len könnte er sich einen limitierte­n Betrieb mit Masken vorstellen.

Die Hüttenwirt­e wären wohl schon sehr zufrieden, wenn sie auf 50 Prozent Auslastung kämen, glaubt Bergführer Andi Tauser, Chef der Alpinschul­e Oberstdorf. Sämtliche Bergschule­n im Allgäu hängen derzeit genauso in der Luft wie der gesamte alpine Tourismus. „Auf jeden Fall bricht uns viel weg“, sagt Tauser. Wie viel? Der Bergführer zuckt mit den Schultern: „Vielleicht 30 oder 50 Prozent des normalen Programms mit 5000 Gästen jährlich. Trotz aller Probleme gebe es immer noch auch positive Signale, sagt Tauser. Beispielsw­eise die vielen Gäste, die nach seinen Worten „so verständni­svoll reagieren“. Ein Stammgast aus dem Ruhrgebiet habe beispielsw­eise 2000 Euro Anzahlung überwiesen. Für Touren, die er erst kommenden Sommer machen möchte – sozusagen als Liquidität­shilfe.

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FOTO: MUN Aufgestuhl­t und leer: Die Hütten in den Allgäuer Alpen – hier in Ofterschwa­ng (Oberallgäu) – sind alle dicht.

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