Im Schatten von König Fußball
Was passiert mit den Profiligen im Volleyball, Handball und Basketball nach der Krise?
- Die Volleyballer hatten 2013 ehrgeizige Pläne. Mit einem Masterplan wollten die Vereine ihre Bundesliga attraktiver machen, näher zu den Ligen von Handball, Basketball und Eishockey heranrücken. „Wir wollen die Erlöse auf Vereinsebene steigern, mehr Zuschauer gewinnen und eine breite mediale und öffentliche Aufmerksamkeit erzielen“, lautete das Ziel. Die VolleyballBundesliga sollte eine starke Marke werden. In der Corona-Krise blieben jetzt aber drei Clubs auf der Strecke, die Zukunft ist ungewiss.
Mit einem hauptamtlichen Management und qualifizierten Mitarbeitern sollten die Bundesligaspiele als attraktive Events in modernen Hallen inszeniert werden. Damit sollten die öffentliche und mediale Aufmerksamkeit steigen, was wiederum zu größeren Einnahmen durch Sponsoren und TV-Vermarktung führen sollte. Durch eine Kooperation mit Sport1 wurde zumindest die Fernsehpräsenz vergrößert.
Was hat das gebracht? Der TV Rottenburg und die Alpen Volleys Haching verzichten nach dem Abbruch der Saison 2019/20 wegen des Coronavirus freiwillig auf eine Bundesligalizenz, dem VC Eltmann wurde sie wegen einer Insolvenz entzogen. Damit gehören nur noch neun Mannschaften zur Beletage des deutschen Volleyballs. Quasi als Rettungsschirm für den Rest hat die Volleyball-Bundesliga (VBL) ein Maßnahmenpaket zusammengestellt, um die Vereine der Frauen- und MännerBundesliga einigermaßen glimpflich durch die Krise manövrieren zu können. Das Hilfspaket, das ausschließlich für die Saison 2020/21 gelten soll, umfasst ein Volumen von gerade einmal 200 000 Euro an Zahlungsreduktionen für die Vereine sowie weiteren etwa 100 000 Euro Direkteinsparungen im Haushalt der Liga. Zudem soll den Clubs ermöglicht werden, die Lizenzgebühren in Raten zu zahlen. „Wir werden die Situation verfolgen und analysieren, um die Maßnahmen auch veränderten Bedürfnissen und Gegebenheiten anpassen zu können“, sagte VBL-Präsident Michael Evers.
Dass auch Handball, Basketball und Eishockey derzeit mit ähnlichen
Problemen – in kleinerer Ausprägung – zu kämpfen haben, ermutigt Hans Peter Müller-Angstenberger zu neuen Denkansätzen. 17 Jahre hat der Deutsch- und Religionslehrer die Volleyballer des TV Rottenburg trainiert. Er weiß, von was er redet. „Die Krise bietet die riesige Chance, neu zu denken und anders weiterzumachen“, sagt der 47-Jährige. Keiner könnte alleine etwas gegen den übermächtigen Fußball ausrichten. „Aber stets hecheln alle dem Fußball als Vorbild hinterher“, sagt Müller-Angstenberger. „Wie schaffen wir es, den Sport anders zu platzieren?“, fragt er und hat selbst die Antwort: „Es müsste zum Schulterschluss dieser vier Sportarten kommen.“
Vom Selbstverständnis her fordert der Handball zwar ein, die Sportart Nummer zwei hinter dem Fußball zu sein. Wolfgang Strobel, Geschäftsführer des Bundesligisten HBW Balingen-Weilstetten, weiß
Ex-Volleyballtrainer Hans-Peter Müller-Angstenberger aber: „Die vier Ligen konkurrieren untereinander.“Deshalb sagt auch er: „Die vier Ligen müssen sich zusammenschließen, um stärker gegenüber anderen Institutionen auftreten zu können.“Er denkt dabei vor allem ans Fernsehen. Denn über die Vermarktung der TV-Rechte fließt zwar an die Fußballvereine viel Geld, nicht aber an die Clubs der vier anderen Sportarten. Die sind umso mehr auf Einnahmen durch Sponsoren und Zuschauer angewiesen. Nur: Wie viele der meist regionalen Geldgeber können sich nach der CoronaKrise überhaupt noch eine Unterstützung leisten? Wann dürfen die Fans wieder in die Hallen? „Wie soll man Sponsoren akquirieren, wenn keine Zuschauer zusehen?“, fragt Philipp Vollmer, Geschäftsführer beim TV Rottenburg.
Nach Ansicht seines ehemaligen Trainers muss eine neue Sportlandschaft in Deutschland kreiert werden. Die da lautet: zurück zu den Wurzeln. Seiner Einschätzung nach müssen wieder die Vereine in den Mittelpunkt gerückt werden, weil dort die Talente gesichtet und gefördert werden, weil dort die Leistung entsteht. „In den Vereinen existiert Begeisterungsfähigkeit und Engagement – ein enormer kultureller Schatz“, meint Müller-Angstenberger. Und es müsse eine Konzentration auf die Bundesliga und einen Pokal erfolgen. Immer noch mehr Cups führten zu einer Verwässerung.
Sollten die vier Sportarten nach überstandener Krise zu einem Weiter-so zurückkehren und keine schlüssige Antwort für einen mutigen Neuanfang finden, malt MüllerAngstenberger ein düsteres Bild: „Dann wir die viel gepriesene Vielfalt des deutschen Sports enden.“Masterplan hin, Masterplan her.
„Stets hecheln alle dem Fußball hinterher.“
Beim VfB Friedrichshafen wird zur neuen Saison Linus Weber spielen. Der 20-Jährige aus Gera steht bis 2022 beim italienischen Club Power Volley Milano unter Vertrag, wird laut „Thüringer Allgemeine“aber für ein Jahr an den VfB ausgeliehen. Eine Bestätigung der Friedrichshafener gab es noch nicht.