Lindauer kämpfen um ihre Schrebergärten
Bahn plant eine Zufahrtsstraße mitten durch vier Gärten – Dabei gäbe es bessere Lösung
- Peter Wenzler sitzt in seinem Schrebergarten, genießt die Ruhe. Plötzlich kreist eine Drohne über seinem Kopf, kurz darauf kommt ein Mann mit einem Meterstab und misst seine Hecke aus. Peter Wenzler fragt nach und erfährt, dass ein Teil seines Gartens einer Baustellenzufahrt der Bahn weichen soll. Es stellt sich heraus, dass noch drei weitere Gärten betroffen sind, zwei davon sollen komplett platt gemacht werden. Dabei gäbe es eine einfache Alternative.
Den Pachtvertrag für seinen Garten direkt neben der Kamelbuckelbrücke hat Peter Wenzler 1989 unterschrieben. „Ich habe sechs Kinder, die sind hier aufgewachsen“, sagt er. Doch nicht nur seine Familie fühlt sich im Schrebergarten wohl. In der Hecke brütet gerade eine Amsel ihre Eier aus, auch Rotkehlchen, Wiedehopfe und Bergmolche leben dort. „Wir haben hier Tiere, die kennen viele nur aus dem Bilderbuch“, sagt Peter Wenzler, für den seine Gartenparzelle mit der gemütlichen Holzhütte, dem Teich und der dichten Hecke mehr ein Biotop als ein klassischer Schrebergarten ist. Erst kürzlich wurde sein Garten deswegen sogar ausgezeichnet.
Umso größer ist der Schock darüber, dass ein Teil dieses Gartens nun plattgemacht werden soll. Die Bahn plant eine Zufahrtsstraße für ihre Baustelle in Reutin. Baustellenfahrzeuge sollen von der Kamelbuckelbrücke kommend scharf rechts abbiegen und quasi durch die Schrebergärten zur Baustelle gelangen. „Die neue Zufahrtsstraße hat die Deutsche Bahn bewusst so geplant, dass möglichst wenig Flächen benötigt werden. Die Straße soll am Rand des Geländes liegen, das einer neuen städtebaulichen Bestimmung zugeführt wird und soll dieses Gelände eben nicht durchschneiden. Im Planfeststellungsverfahren ist dies auch genauso genehmigt worden“, schreibt Bahnsprecher Franz Lindemair auf Anfrage der LZ.
Nach und nach füllt sich der Schrebergarten von Peter Wenzler. Auch die Nachbarn haben von den Plänen der Bahn mitbekommen. Sie sind fassungslos und wütend. Besonders hart treffen würden die Pläne der Bahn Karin Riess. Sie hat nur einen kleinen Garten, die Straße würde ihn komplett zunichte machen. Räumen soll sie ihren Garten selbst. „Ich weiß gar nicht, wie ich das alles jetzt so schnell abtragen sollte“, sagt sie. Ihr Schrebergarten gehörte bereits ihren Eltern, sie selbst hat dort ihre Kindheit verbracht, später haben dort ihre eigenen Kinder gespielt. Dass 50 Jahre Familiengeschichte nun durch eine Baustellenstraße ersetzt werden sollen, empfindet sie als „Schikane“. Die Schwiegereltern von Florian Pfeiffer haben erst viel Geld in einer Gartenhütte gesteckt, die der neuen Straße ebenfalls zum Opfer fallen würde. „Da wird unser Geld verbrannt“, sagt er.
Dabei gäbe es eine Alternative. Denn neben den Schrebergärten steht in großer Schopf der Bahn, der sowieso abgerissen werden soll. Die Straße könnte auch über dieses Grundstück führen, dann müsste kein Schrebergarten abgebaut werden. Zumal die Bahn es ohnehin verpasst hat, den Schrebergärtnern rechtzeitig zu kündigen. „Wir haben überhaupt noch nichts Schriftliches bekommen“, sagt Peter Wenzler.
Bruno Mahl von der Bahn Landwirtschaft bestätigt, dass die Pachtverträge eine Kündigungsfrist von einem halben Jahr haben. Das Pachtverhältnis an sich ist kompliziert: Die Flächen gehören der Bahn Immo, die sie an die Bahn Landwirtschaft verpachtet. Diese wiederum verpachtet die einzelnen Parzellen an die Gärtner. „Es wurde letztes Jahr versäumt, den Gärtnern zu kündigen“, sagt Bruno Mahl. Mit einem ordentlichen Kündigungsverfahren
würde es November werden, bis die Schrebergärten geräumt sein müssten.
Laut Bruno Mahl, der sich für die Schrebergärtner einsetzt, gibt es vonseiten der Bahn Überlegungen, inwiefern das Kündigungsverfahren beschleunigt werden könnte. Das scheint aber nicht so einfach zu sein. Zumindest schreibt Bahnsprecher Franz Lindemair auf Anfrage, die Bahn versperre sich nicht den Überlegungen, „den Verlauf der Straße noch anzupassen und dadurch einige Schrebergärten unbeeinträchtigt zu lassen.“Der Abrisst des Schuppens könne dabei „durchaus zielführend sein“. Die Bahn prüfe diese Lösung nun „in der Erwartung, dass sie sich als vorteilhaft erweist“. Eventuell sei dazu dann aber eine neue Plangenehmigung nötig.
„Wenn die Bahn da offen ist, dann sind wir das auch“, sagt Jürgen Widmer, Pressesprecher der Stadt. Die Straße sei auch deshalb an dieser Stelle geplant, weil dort später die Zufahrt zur Therme erfolgen soll. Wie berichtet, sollen deren Besucher über eine Art Schleife unter der Kamelbuckelbrücke hindurch geführt werden, damit die Anwohner möglichst wenig vom Verkehr mitbekommen. „Wir schauen, dass wir die Straße etwas weiter nach links verschieben können“, verspricht Widmer. Schließlich habe die Stadt überhaupt kein Interesse daran, den Gärtnern unnötig zu schaden.
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