Kreisrätinnen wollen genannt werden
Kommunalpolitikerinnen stellen den Antrag, dass der Landkreis Lindau für seine offiziellen Verlautbarungen geschlechtergerechte Formulierungen wählt.
- Sie möchten wahrgenommen werden – und genannt. Acht in den neuen Kreistag des Landkreises Lindau gewählte Bürgerinnen wollen erreichen, dass Frauen in Politik und Gesellschaft sichtbarer werden. Darum haben sie einen Antrag für die konstituierende Sitzung des Kreistags am 14. Mai formuliert, in dem sie eine „geschlechtergerechte Sprache“fordern: auf der Homepage, in Protokollen, Anschreiben, Verlautbarungen und Formularen des Landkreises.
„Sprache ist Spiegel der Machtverhältnisse – Sprache schafft Bewusstsein.“Diese Überzeugung stellen die Unterzeichnerinnen an den Beginn ihres Antrags. Dr. Ulrike Lorenz-Meyer hat ihn initiiert. Sie stellt fest: „Ich sehe, dass viele Institutionen geschickte Regelungen für geschlechtergerechte Sprache finden. Das ist vielerorts selbstverständlich – nur bei uns nicht.“
Maria Kempter aus Heimenkirch bestätigt dies. „An Schulen und Universitäten ist das weitgehend normal. Studierende bekommen zum Teil Punkteabzug, wenn sie in schriftlichen Arbeiten nicht gendern.“Kempter geht davon aus, „dass sich durch gendergerechten Ausdruck auch ein gendergerechtes Bewusstsein entwickelt“. Wenn immer nur von „Kreisräten“die Rede sei, brauche man sich nicht zu wundern, dass viele Leute zunächst das Bild einer Männer-Runde vor Augen hätten, sagt die 21-Jährige. „Es ist einfach nicht mehr zeitgemäß, ausschließlich die männliche Form zu verwenden.“
17 von 60 Mitgliedern des neuen Kreistags sind Frauen, das entspricht gut 28 Prozent. Alle künftigen Kolleginnen haben den Antrag zugeschickt bekommen. Ihre Rückmeldungen waren laut Ulrike LorenzMeyer durchwachsen. „Manche sind der Meinung, eine andere Sprachregelung wäre zu kompliziert, andere halten es für überflüssig, dieses Thema überhaupt zu diskutieren“, schildert sie. Ob sich die Haltungen je nach Fraktion unterscheiden, möchte sie nicht kommentieren. Die Unterzeichnerinnen des Antrags sind neben der Initiatorin: Maria Kempter und Kyra Funk von den Grünen, Rose Eitel-Schmid, Claudia Halberkamp
und Katrin Dorfmüller von der SPD und Angela Feßler von den Freien Wählern.
Wenn Angela Feßler ein Schreiben erhält mit der Anrede „Liebe Kollegen, .... “geht sie über die Verkürzung hinweg und vertieft sich in den Inhalt. „Ich habe damit kein persönliches Problem“, sagt die langjährige Kommunalpolitikerin. In Ordnung findet sie die ausschließlich männliche Form aber nicht. Als sie 2002 Stellvertreterin des damaligen Heimenkircher Bürgermeisters Rudi Janisch wurde, fragte dieser sie, ob sie als „Frau Bürgermeister“oder „Frau Bürgermeisterin“angesprochen werden wolle. „Ich habe geantwortet, dass ich ,Bürgermeisterin’ bevorzuge“, erzählt Angela Feßler. Bei der Erinnerung an diese Episode fügt die 72-Jährige erstaunt hinzu: „Das ist jetzt 18 Jahre her! Da sollte es inzwischen doch überall angekommen sein, dass auch Frauen in kommunalpolitischen Gremien sitzen.“
Für Ulrike Lorenz-Meyer ist klar: „Mit der Sprache wird Rollenverhalten festgezurrt.“Darüber ärgert sie sich. Zudem findet sie es „einfach unhöflich“, wenn Frauen bei der Anrede in Schriftstücken oder Ansprachen schlicht übergangen werden. „Es geht mir ja gar nicht darum, dass man sich sklavisch an politische korrekte Formen hält“, sagt die 58-jährige Kommunalpolitikerin, „sondern darum, dass wir Frauen überhaupt vorgesehen und gemeint sind.“
Das Argument, geschlechtergerechte Sprache sei unlesbar, lässt Lorenz-Meyer nicht gelten. „Wenn man sich ein bisschen Mühe gibt, ist das möglich.“Als Hilfe für die konkrete Umsetzung nennt sie Muster des bayerischen Gemeindetags für Geschäftsordnungen von Kommunen, die jeweils die weibliche und männliche Form anführen. Auch verweist sie auf eine Arbeitshilfe der Stadt Augsburg für eine „geschlechtersensible Sprache“.
Obwohl sicher nicht alle Kreistagskolleginnen und -kollegen der Argumentation des Antrags folgen, ist die Initiatorin zuversichtlich, dass er eine Mehrheit findet. Das Thema habe „im 21. Jahrhundert für engagierte Frauen und auch für engagierte Männer einen hohen symbolischen Stellenwert“und könne zudem ohne großen Aufwand und Kosten umgesetzt werden.