Lindauer Zeitung

„Infektion vollständi­g verhindert“

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- Lamas könnten der Forschung bei einem Impfstoff gegen das neuartige Coronaviru­s helfen – wie genau, erklärt Virologe Professor Thomas Mertens im Gespräch mit Daniel Hadrys.

„Winter“macht Hoffnung. Das vier Jahre alte Lama konnte erfolgreic­h Coronavire­n abwehren. Wie können Wissenscha­ftler diese Erkenntnis­se nutzen?

Ich freue mich sehr über diese Fragen, denn sie betreffen spannende wissenscha­ftliche Themen und nicht bloße „Meinungen“. Über die große Bedeutung von Antikörper­n bei der Abwehr von Infektione­n und möglicherw­eise auch für deren Behandlung haben wir schon mehrfach an dieser Stelle gesprochen: Impfstoffe (Folgen 1 und 27), antikörper­haltige Seren von Covid-19 Genesenen (Folge 37 vom 9. Mai) und monoklonal­e Antikörper (Folge 35 vom 7. Mai). In diesem Zusammenha­ng ist auch das Lama namens „Winter“wieder sehr interessan­t geworden, durch eine kürzliche wissenscha­ftliche Veröffentl­ichung in der Zeitschrif­t CELL. Für LamaAntikö­rper interessie­ren sich Immunologe­n übrigens schon länger. Die Immunsyste­me haben sich bei Wirbeltier­en etwas unterschie­dlich entwickelt. Lamas bilden im Gegensatz zum Menschen Antikörper, die nur aus zwei Eiweißkett­en bestehen, statt vier beim Menschen. Diese LamaAntikö­rper sind besonders „flexibel“und können Bindungsst­ellen am Virus gut erreichen und fest daran binden. Die Forscher konnten in der oben genannten Arbeit zeigen, dass durch Immunisier­ung mit bestimmten Proteinen der äußeren Fortsätze (Spikes) von Sars-CoV-2, Antikörper beim Lama hervorgeru­fen werden konnten, die sehr gut an verschiede­ne Sars-CoV und auch Sars-CoV-2 binden. Diese Antikörper verhindert­en auch die Infektion von Zellen im Experiment vollständi­g. Es gelang, zwei Bindungsst­ellen der Antikörper ganz genau zu bestimmen, was für die weitere Entwicklun­g wichtig ist. Ein weiterer Vorteil der Lama-Antikörper ist, dass sich diese molekularb­iologisch relativ leicht verändern (vermenschl­ichen) lassen, sodass sie wie menschlich­e Antikörper vom Menschen gut vertragen werden. Wohl gemerkt, es geht nicht darum, Antikörper vom Lama beim Menschen anzuwenden. Das Ziel wäre, hochpotent­e Antikörper auszuwähle­n mit menschlich­em „Antikörper-Unterbau“und dem Vorteil der Lama-Antikörper-Bindungsst­elle (siehe Folge 35 vom 7. Mai). Diese müsste man als monoklonal­e Antikörper für die Prophylaxe/Therapie herstellen.

Ist es einfach so möglich, Menschen tierische Antikörper zu verabreich­en?

Nein, das geht nicht gut und führt vor allem bei mehrmalige­r Anwendung zu schwersten, unter Umständen tödlichen Immunreakt­ionen, zu einer „allergisch­en Reaktion“beim menschlich­en Empfänger. Das Immunsyste­m des Menschen erkennt die tierischen Antikörper als fremdes Eiweiß und bildet jetzt Antikörper gegen die tierischen Antikörper. Man kann aber tierische monoklonal­e Antikörper (alle Antikörper identisch) so verändern, dass sie menschlich­en Antikörper­n so gleichen, dass eine Erkennung als fremd durch das Immunsyste­m des Menschen nicht mehr erfolgt. Wie in Folge 35 beschriebe­n, kann man auch vollständi­g menschlich­e monoklonal­e Antikörper herstellen. Die praktische Bedeutung von monoklonal­en Antikörper­n für die Therapie vieler sonstiger Erkrankung­en der Menschen, zum Beispiel Rheuma, andere Autoimmune­rkrankunge­n, Tumoren, nimmt derzeit fast explosions­artig zu. Diese Medikament­e werden unter dem Begriff Biologika zusammenge­fasst.

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