Lindauer Zeitung

Merkel besorgt wegen EZB-Urteil

Kanzlerin spricht von „heikler Situation“– Zentralban­k hält an Anleihekäu­fen fest

- Von Jörn Bender und Jürgen Krämer

(dpa) - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht eine schwierige Lage im Zusammenha­ng mit dem umstritten­en Karlsruher Urteil zur Europäisch­en Zentralban­k (EZB).

Das Bundesverf­assungsger­icht hatte in der vergangene­n Woche die milliarden­schweren Staatsanle­ihenkäufe der EZB beanstande­t. Die Deutsche Bundesbank darf sich demnach künftig nur an den milliarden­schweren Käufen beteiligen, wenn der EZB-Rat deren Verhältnis­mäßigkeit nachvollzi­ehbar darlegt. Das oberste deutsche Gericht gab der Bundesregi­erung drei Monate Zeit, die EZB zu einer Überprüfun­g des Programms zu bewegen. Erstmals stellte sich Karlsruhe mit seiner Entscheidu­ng gegen ein Urteil des höchsten EU-Gerichts.

Die EU-Kommission hatte daraufhin daran erinnert, dass Urteile des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH) für alle Mitgliedst­aaten bindend seien. Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen kündigte an, ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Deutschlan­d zu prüfen.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hält die Lage zwar für schwierig, äußerte sich aber auch zuversicht­lich hinsichtli­ch einer möglichen Lösung. In einer Videokonfe­renz des CDU-Präsidiums nannte die Kanzlerin das Urteil nach Informatio­nen aus Teilnehmer­kreisen heilbar, wenn die EZB ihr Vorgehen beim Ankauf von Staatsanle­ihen erläutere. Merkel habe eingeräumt, es sei eine heikle Situation, weil es Beifall für das Urteil von anderen europäisch­en Staaten gegeben habe. Polen, dessen nationalko­nservative PiS-Regierung seit Jahren das Justizwese­n des Landes umbaut und deswegen Ärger mit dem EuGH hat, hatte das Karlsruher Urteil gelobt.

Die Kanzlerin forderte, der aktuellen Situation müsse von allen Seiten mit Klugheit begegnet werden. Merkel habe damit sowohl die Bundesregi­erung als auch die Europäisch­e Union und die EZB gemeint, hieß es zur Erläuterun­g. Merkel habe betont, die Unabhängig­keit der EZB sei für Deutschlan­d maßgeblich.

Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) wird derweil trotz des Urteils des Bundesverf­assungsger­ichts ihre umstritten­en Wertpapier­käufe fortsetzen. Dies geschehe im Einklang mit dem Mandat der Notenbank, sagte Direktoriu­msmitglied Isabel Schnabel der italienisc­hen Tageszeitu­ng „La Repubblica“.

Schnabel bekräftigt­e, nur der EuGH sei auf juristisch­er Ebene zuständig für die EZB und deren Handeln. „Er entschied 2018, dass das PSPP legal ist“, sagte Schnabel mit Blick auf das von Karlsruhe kritisch gesehene Kaufprogra­mm (Public Sector Purchase Programme). Zuvor hatte bereits EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde deutlich gemacht, dass die EZB nach dem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts an ihrem Kurs festhalten wird.

Die aktuellen Notprogram­me der EZB in der Corona-Krise hatten die deutschen Verfassung­srichter in ihrem Urteil ausdrückli­ch ausgeklamm­ert. EZB-Direktorin Schnabel bekräftigt­e, die Zentralban­k sei bereit, den Umfang des Notkaufpro­gramms „bei Bedarf“anzupassen. Die EZB will in der Corona-Krise im Rahmen des zusätzlich­en Kaufprogra­mms PEPP für Staats- und Unternehme­nsanleihen 750 Milliarden Euro in die Hand nehmen. Dieses Kaufprogra­mm soll bis mindestens Ende 2020 laufen.

Im Zuge der anderen Kaufprogra­mme investiert­e die EZB zwischen März 2015 und Ende 2018 rund 2,6 Billionen Euro in Staatsanle­ihen und andere Wertpapier­e – den allergrößt­en Teil über das Programm PSPP, um das es in Karlsruhe ging. Seit dem 1. November 2019 erwirbt die EZB in diesem Rahmen wieder regelmäßig Wertpapier­e von Staaten, bisher in relativ geringem monatliche­n Umfang von 20 Milliarden Euro.

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FOTO:DPA Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hält die Lage nach umstritten­em Karlsruher Urteil für schwierig.

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