Lindauer Zeitung

Noch soll die Akte Maria Bögerl nicht geschlosse­n werden

Entführung und Mord der Heidenheim­er Bankiersfr­au jähren sich das zehnte Mal – Ermittler sehen nach wie vor „erfolgvers­prechende Ansätze“

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(dpa) - Es ist ein Vormittag im Mai, an dem Maria Bögerl in ihrem Haus in Heidenheim überwältig­t wird. Mit Handschell­en wird die Frau des damaligen Sparkassen­chefs gefesselt, zu ihrem Auto gebracht und entführt. Kurze Zeit später klingelt das Telefon ihres Ehemanns Thomas Bögerl. Der Entführer fordert 300 000 Euro Lösegeld, schnell. Der Ablageort soll an der A 7 sein, markiert mit einer Deutschlan­dflagge. Doch das gelieferte Geld wird nie abgeholt. An diesem Dienstag ist das genau zehn Jahre her: die Entführung, die Erpressung – und schließlic­h ein nicht auszuhalte­ndes Warten. Warten auf einen weiteren Anruf des Entführers, der nie kommt. Warten auf ein Lebenszeic­hen der Entführten, das es nicht gibt.

In ihrer Verzweiflu­ng wenden sich Ehemann und Kinder Maria Bögerls knapp eine Woche später über die ZDF-Fernsehsen­dung „Aktenzeich­en XY … ungelöst“an die Öffentlich­keit. Sie flehen um die Freilassun­g der Mutter und Ehefrau. Vergebens. Knapp drei Wochen später findet ein Spaziergän­ger in einem Waldstück ganz in der Nähe der Geldüberga­bestelle die Leiche der 54-Jährigen.

Heute glauben die Ermittler, dass Maria Bögerl bereits kurz nach der

Entführung erstochen wurde. „Wir gehen anhand unserer Befunde davon aus, dass sie zeitnah am Tattag zu Tode kam, zwischen Erpressera­nruf und Geldüberga­be“, sagt Thomas Friedrich, der die Ermittlung­en in dem Fall seit Anfang 2014 leitet. „Mutmaßlich wäre sie nicht zu retten gewesen.“

Fast sechs Jahre lang hatte sich die „Soko Flagge“um die Aufklärung des

Falls gekümmert, ein weiteres Jahr eine personell reduzierte Ermittlung­sgruppe. Aktuell ist noch der erfahrene Mordermitt­ler Michael Bauer beim Polizeiprä­sidium Ulm damit beschäftig­t. „Dass so lange in Soko-Besatzung mit 40, 50 Leuten ermittelt wurde, ist in Deutschlan­d einzigarti­g“, sagt Thomas Friedrich. Kontinuier­lich werde an dem Fall gearbeitet.

Im Januar erst gab es die letzte größere Aktion: Die Wohnungen von drei Beschuldig­ten wurden durchsucht. Doch auch diese Spur führte ins Nichts.

Für Christoph und Carina Bögerl ist es furchtbar. Knapp ein Jahr nach dem Tod der Mutter nimmt sich der Vater das Leben. Er war in Verdacht geraten, in den Fall verwickelt zu sein. Die Verleumdun­gen, die erfolglose­n Ermittlung­en der Polizei und den Verlust seiner Frau habe er nicht ertragen, hieß es in der Traueranze­ige der Familie.

Als Vorstandsc­hef war Thomas Bögerl in der Region sehr bekannt. Der spektakulä­re Fall bewegte die Menschen. Die Bilder der wochenlang­en Suchaktion, die Hoffnung, die Umstände der Entführung – all das bleibe in Erinnerung, sagt Heidenheim­s Oberbürger­meister Bernhard Ilg. Der CDU-Politiker war schon 2010 im Amt. Es sei sehr bedrückend, dass der Mörder auch nach zehn Jahren nicht gefunden worden sei.

Doch laut Thomas Friedrich gibt es noch viele Ermittlung­sansätze. Derzeit würden vor allem noch physikalis­che Daten, beispielsw­eise aus Funkzellen, ausgewerte­t. Mehr als 10 000 Spuren seien gesammelt worden. In eine setzen Thomas Friedrich und seine Kollegen weiterhin große Hoffnung: eine DNA-Spur. „Die ist zu 100 Prozent tatrelevan­t“, sagt der Ermittler. Es fehle leider immer noch der Treffer: Unter den 8000 Speichelpr­oben, die man bisher von Männern aus der Region genommen habe, sei keine passende dabei gewesen.

Vermutet wird, dass der Mörder aus der Region stammt – männlich, im mittleren Alter. Der Profiler und frühere Bremer Mordermitt­ler Axel Petermann kann sich gut vorstellen, dass Maria Bögerl ihren Mörder kannte. Dafür spreche das abrupte Ende der Entführung. Nach der Tat eines Profis sehe das alles nicht aus. „Wenn Opfer ihre Täter kannten und erkannten, sorgt die Angst vor einer Aufdeckung der Tarnung oft für eine Kurzschlus­sreaktion“, sagt der Experte. Er glaubt an eine Gewalttat aus Geldnot.

Auch Chefermitt­ler Friedrich geht von einem finanziell­en Motiv aus. „Doch die Tarnung war dem Täter wohl wichtiger als das Geld“, mutmaßt der Beamte. „Fragen kann ich ihn aber erst, wenn er vor mir sitzt.“Wie wahrschein­lich das ist? „Solange es erfolgvers­prechende Ermittlung­sansätze gibt, ist weder die Staatsanwa­ltschaft noch die Polizei bereit, diese Akte zu schließen.“

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FOTO: STEFAN PUCHNER/DPA Vor zehn Jahren ist Maria Bögerl in Heidenheim entführt worden; knapp drei Wochen später fand man die Leiche der 54-Jährigen.

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