Bedauern und Besorgnis in Europa
Warum die USA aus dem Rüstungskontrollvertrag „Open Skies“aussteigen wollen
- Deutschland und neun weitere europäische Länder haben ihr Bedauern über den geplanten Ausstieg der USA aus dem Rüstungskontrollvertrag „Open Skies“ausgedrückt und sich zur weiteren Umsetzung des Abkommens mit Russland bekannt. „Wir bedauern die Ankündigung der US-Regierung ihres Vorhabens, sich aus dem 'Open Skies'-Abkommen zurückzuziehen“, erklärte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Freitag gemeinsam mit seinen Kollegen aus Frankreich, Italien, Spanien, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Finnland, Tschechien und Schweden. Auch Russland kündigte an, das Abkommen nach einem Rückzug der USA weiter einzuhalten.
Die Vereinigten Staaten wollen aus dem unmittelbar nach dem Ende des Kalten Krieges ausgehandelten Militärabkommen aussteigen, falls ihnen Russland in den nächsten sechs Monaten nicht entgegenkommt. Der Vertrag über „Open Skies“, den Offenen Himmel, gestattet Nato-Staaten und einstigen Mitgliedern des Warschauer Pakts gegenseitige Beobachtungsflüge, um – zusätzlich zur Aufklärung durch Satelliten – Truppenbewegungen und die Stationierung von Waffensystemen zu überwachen. 1992 unterschrieben und 2002 in Kraft getreten, gilt er als wichtiger Beitrag zur Vertrauensbildung, insbesondere zwischen Washington und Moskau.
Als Donald Trump die Kündigung avisierte, tat er es einmal mehr in der Pose des harten Verhandlers – der zwar pokert, aber letztlich eine Einigung anstrebt. „Wir werden austreten, und sie werden zurückkommen und einen Deal schließen wollen“, orakelte der US-Präsident. Sein Sicherheitsberater Robert O’Brien erklärte prosaischer, man wolle nicht an Abmachungen festhalten, die von anderen Parteien verletzt würden und „nicht länger im Interesse Amerikas liegen“. Das Weiße Haus wirft dem Kreml seit geraumer Zeit vor, weder Kontrollflüge über der strategisch bedeutsamen Ostsee-Exklave Kaliningrad noch über dem Grenzgebiet zwischen Russland und Georgien zuzulassen. Trump, schreibt die „New York Times“, soll sich zudem über eine russische Aufklärungsmaschine geärgert haben, die einmal direkt über seinen Golfplatz in Bedminster hinwegflog – ein lauschiges Anwesen in den Hügeln New Jerseys, in dem er gewöhnlich die Sommerferien verbringt.
Jetzt bleiben sechs Monate Zeit, um das endgültige Aus zu verhindern, wobei Beobachter die Erfolgschancen eher skeptisch beurteilen. Bereits die Ankündigung des Ausstiegs aus dem INF-Vertrag über das Verbot atomarer Mittelstreckenraketen hatte Trump als eine Art Hebel charakterisiert, um die Gegenseite zum Einlenken zu zwingen. Die USA hatten Russland Vertragsbruch vorgeworfen; am Ende lief das Abkommen
aus, ohne dass Kompromisse gefunden wurden. Ähnliches könnte sich demnächst wiederholen.
Die Opposition indes will versuchen, dem Präsidenten die Hände zu binden. Nach einem von Edward Markey, einem Senator aus Massachusetts, und Jimmy Panetta, einem Kongressabgeordneten aus Kalifornien, eingebrachten Gesetzentwurf soll sich das Weiße Haus nur dann aus dem Vertrag zurückziehen dürfen, wenn beide Parlamentskammern zustimmen. Es würde bedeuten, dass die Demokraten, im Repräsentantenhaus in der Mehrheit, dem Staatschef in die Parade fahren könnten. Der republikanische Senator Ted Cruz wiederum applaudiert einem in seinen Worten überfälligen Schritt: Der „Offene Himmel“habe Russland nur dazu gedient, „das amerikanische Volk auszuspähen“.
Open Skies geht auf einen Vorschlag zurück, den der damalige USPräsident Dwight Eisenhower bereits 1955 unterbreitete. Beide Supermächte sollten Truppenbewegungen der jeweils anderen Seite überwachen, um das Risiko eines unbeabsichtigten, auf Missverständnissen beruhenden Konflikts zu reduzieren. Im Kreml stieß die Idee nicht auf Gegenliebe, da man die Amerikaner verdächtigte, nur spionieren zu wollen. Erst im Mai 1989 wurde sie vom Präsidenten George Bush wieder aus den Schubladen geholt.
Trumps Vorstoß nährt nun die Sorge, dass auch über dem wichtigsten Abrüstungsvertrag zwischen Washington und Moskau ein Damoklesschwert schwebt. Im Februar 2021 läuft New Start aus – ein Abkommen, das die Zahl der strategischen Nuklearsprengköpfe in amerikanischen und russischen Arsenalen auf jeweils 1550 begrenzt. Sollte der Amtsinhaber im November wiedergewählt werden, ist damit zu rechnen, dass es nicht verlängert wird.