Frauennotruf kann jetzt Präventionsarbeit ausbauen
Schulen und Kitas im Kreis Lindau nutzen Workshop-Angebot, um den Nachwuchs vor Missbrauch zu schützen
- Das Team des Frauennotrufs Kempten hat 2019 wieder alle Hände voll zu tun gehabt. So mussten nicht nur die Opfer von 17 Vergewaltigungen zwischen Allgäu und Bodensee betreut werden. Aktiv werden mussten die beiden Sozialpädagoginnen Petra v. Sigriz und Ilona Braukmann unter anderem auch in 50 Fällen von aktuellem Missbrauch sowie weiteren 49 von psychischer Misshandlung. Da ihnen jeder einzelne Fall einer zu viel ist, setzt das Duo sehr stark auf Prävention. Vor allem im Kreis Lindau haben sie erneut sehr viel Aufklärungs- und Motivationsarbeit geleistet.
Zunächst stand das Jahr 2019 unter keinem guten Stern. Da die Arbeit des Frauennotrufs ständig wächst, schob das Team viele Überstunden vor sich her. Deshalb gingen die Frauen mit dem Vorsatz ins Jahr, diese abzubauen. Mit der Folge, dass einiges wie beispielsweise Selbstverteidigungskurse wegfallen musste. Allerdings kam dem Frauennotruf dann zugute, dass fünf Jahre, nachdem der Europarat sein „Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“(die sogenannte Istanbul-Konvention) beschlossen hatte, jetzt staatliche Stellen den Etat des Notrufs etwas aufstocken. „Damit wurde die Möglichkeit eröffnet, neue Stellen für den Bereich Prävention zu schaffen“, freut sich das Team in seinem Jahresbericht.
Im Klartext sieht das so aus, dass die vor allem im Landkreis Lindau aktive Sonderpädagogin Petra v. Sigriz seit September nun rund zehn Stunden mehr und damit in Vollzeit arbeitet. Mit seiner Öffentlichkeitsund Präventionsarbeit hat das Team im Kreis Lindau 2019 fast 4000 Kinder und Erwachsene erreicht. 244 Stunden haben die beiden Pädagoginnen dabei investiert, was knapp der Hälfte des gesamten Präventionsstundenbudgets des Frauennotrufs entspricht.
So haben die beiden Frauen im Kreis Lindau 23 Elternabende organisiert, unter anderem in den Kindergärten in Nonnenhorn, Wasserburg und Bodolz-Ebnet, aber auch in den Grundschulen in Wasserburg, Weißensberg und Hergensweiler sowie in den Lindauer Stadtteilen Insel, Aeschach und Hoyren.
Als Schwerpunkt ihrer vorbeugenden Arbeit 2019 betrachten v. Sigriz und ihre Kollegin Braukmann aber die Workshops mit Kindern und Jugendlichen. „Das Ziel einer sinnvollen Präventionsarbeit muss sein, Kinder und Jugendlich zu selbstsicheren, autonomen Persönlichkeiten zu erziehen, die es gelernt haben, sich auf ihre Gefühle zu verlassen, und die wissen, sie dürfen sich Hilfe holen in Situationen, in denen sie nicht mehr weiterwissen", betonen die Pädagoginnen in ihrem Jahresbericht. Im Lindauer Kreisgebiet haben sie knapp 80 dieser Kurse abgehalten und dabei fast 1400 Kindergartenkinder und Schüler sensibilisiert und gestärkt.
Doch trotz der jahrelangen Präventionsarbeit des Kemptener Frauennotrufs erleben die Pädagoginnen immer wieder den Ernstfall. So mussten sie sich im vergangenen Jahr in ihrem Einzugsgebiet um 50 Fälle von aktuellem Missbrauch kümmern. Vielfach geschieht das in Einzelberatungen, aber auch in Form von sogenannter tiergestützter Therapie: Dann kommen Braukmanns ausgebildete Therapiehündinnen
Chayenne und Pocahontas zum Einsatz. Doch nicht nur bei sexuellem Missbrauch ist das Team des Frauennotrufs im Einsatz. Auch bei psychischer Gewalt geben die Fachfrauen Hilfe. Mit ihrer Einzelfallhilfe haben die Pädagoginnen im vergangenen Jahr im Landkreis Lindau siebzehn Langzeitklienten unterstützt, während sie in Kempten 52 und im Oberallgäu 75 Opfer betreuten. Die sind übrigens nicht nur weiblich: Auch sieben minderjährige Jungen gehörten dazu.
Petra v. Sigriz vom Frauennotruf Kempten ist vor allem im Landkreis Lindau aktiv. Im Notfall ist Petra v. Sigriz telefonisch unter der Nummer 0171 / 537 33 96 erreichbar.