Bauernchef geht auf die Barrikaden
Weil Bergbauern geringere Ausgleichszulagen erhalten, fordert Enderle Geld vom Freistaat
- Alfred Enderle, Bezirkspräsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), schlägt Alarm: Bergbauern im Ober- und Ostallgäu seien seit Einführung neuer Förderrichtlinien massiv benachteiligt. Enderle fordert deshalb zur Abfederung Extra-Hilfen durch den Freistaat. Hier gehe es nicht um Komfort, sondern um die „nackte Existenz“von Betrieben. Das Landwirtschaftsministerium in München dagegen stuft diese Forderung als „unverständlich“ein. Ein Ausgleich der Verluste sei nicht realisierbar, macht eine Sprecherin klar.
Grünland in Bergregionen zu bewirtschaften, bedeutet für Bauern enormen Aufwand. Weniger Ertrag, mehr Handarbeit, dazu größere Distanzen zum Hof: Für diese Mühen gibt es eine Ausgleichszulage von EU, Bund und Ländern. Doch die wird seit 2019 anders berechnet – zum Nachteil der Bauern in Höhenlagen von 800 bis 1000 Metern, moniert Enderle. Der Oberallgäuer BBV-Funktionär betreibt selbst einen Bergbauernbetrieb samt Alpe.
Zum Hintergrund: Wurden früher nach bayerischem Berechnungsschlüssel auch Faktoren wie Steillagen, Schneehäufigkeit, Wegeverhältnisse und klimatische Nachteile gewichtet, so ist nun im Zuge einer europaweiten Vereinheitlichung die Bodengüte
Hauptkriterium. Das sorgt für eine deutliche Verschiebung: Das Fördergeld geht nun laut Enderle viel stärker in Regionen ohne echten Bedarf. „Ich gönne das allen. Aber die Bauern im Süden dürfen nicht darunter leiden.“Zwar spielen kleinteilige Parzellen, Hanglagen und Alpflächen über 1000 Höhenmeter noch immer eine Rolle – „aber nicht in ausreichendem Maß“, ärgert sich Enderle. Der Bezirkspräsident hatte im Vorfeld mit EU-Beamten über die Reform diskutiert und am Ende die Neuregelung akzeptiert, räumt er ein. Schließlich kämen nun auch Betriebe im nördlichen Allgäu zu Vorteilen bei der Milchvermarktung.
Doch da sei nicht klar gewesen, wie stark die Reform Bauern in 800 bis 1000 Höhenmetern benachteilige. Allein im Oberallgäu seien mindestens 200 Betriebe betroffen. „Es gibt Familien, denen gehen zwei Drittel der Zulage verloren. Bei 20 Hektar fehlen 2000 Euro im Jahr, das ist ein ganzer Monatsverdienst.“
Insgesamt summiert sich der Verlust im Oberallgäu auf 972 000 Euro. Demgegenüber verbucht das Unterallgäu ein Plus von 1,2 Millionen Euro. Auch in Regionen mit hohem Ackerbau-Anteil gibt es deutlich mehr Geld bei „Standortnachteilen“, etwa in der Oberpfalz. Neben dem herben finanziellen Verlust geht es Enderle auch um die fehlende Wertschätzung der Bergbauern, die „Enormes leisten“. Fehle dieser Einsatz, wäre das fatal für Naturschutz und Tourismus. Da die neuen EUFörderparameter fix seien, appelliert
Enderle nun an Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU), Bergbauern durch Landesmittel zu unterstützen. Denkbar sei, Betrieben ab 800 Höhenmetern einen Zuschlag zu geben. Bislang ist eine gestufte Förderung nur für Alpen und Betriebe ab 1000 Metern möglich. Dies sei EU-konform und durch Umschichtung von Direktzahlungen des Bundes finanzierbar.
Dass Bauern mit stärkeren Verlusten Kritik äußern, sei verständlich, heißt es beim Landwirtschaftsministerium. Ein Ausgleich besonderer Härten ist laut Sprecherin Christina Köstler aber nicht möglich. Dies widerspräche EU-Recht. Zudem könne die großzügigere Auslegung der Förderbedingungen nicht verhindern, dass es bei einer derartigen Reform einzelne Verlierer gebe. Bayern habe sich eingesetzt, dass die unterschiedlichen Regionen und die einzelbetriebliche Situation bestmöglich berücksichtigt werde – „in enger Abstimmung mit Vertretern bäuerlicher Verbände“.
„Sachlich betrachtet ist an der Reform nichts falsch“, sagt Alfons Zeller (CSU). Gleichwohl findet der Präsident der Bayerischen Arbeitsgemeinschaft für Bergbauernfragen, dass Bauern in Hochlagen zusätzliche Unterstützung verdienten. „Wir werden versuchen, dass punktuell nachgebessert wird.“„Es ist sehr viel, was uns fehlt“, sagt Bäuerin Simone Vogler aus Oberstdorf (40 Milchkühe, 33 Hektar Grünland, Beteiligung an zwei Alpen). „Wir machen das ganze Jahr über viel für diese Zulage“, sagt sie. „Ich habe nichts dagegen, dass auch andere etwas bekommen. Aber dieses Geld muss zusätzlich in den Topf.“