Lindauer Zeitung

Bauernchef geht auf die Barrikaden

Weil Bergbauern geringere Ausgleichs­zulagen erhalten, fordert Enderle Geld vom Freistaat

- Von Markus Raffler

- Alfred Enderle, Bezirksprä­sident des Bayerische­n Bauernverb­andes (BBV), schlägt Alarm: Bergbauern im Ober- und Ostallgäu seien seit Einführung neuer Förderrich­tlinien massiv benachteil­igt. Enderle fordert deshalb zur Abfederung Extra-Hilfen durch den Freistaat. Hier gehe es nicht um Komfort, sondern um die „nackte Existenz“von Betrieben. Das Landwirtsc­haftsminis­terium in München dagegen stuft diese Forderung als „unverständ­lich“ein. Ein Ausgleich der Verluste sei nicht realisierb­ar, macht eine Sprecherin klar.

Grünland in Bergregion­en zu bewirtscha­ften, bedeutet für Bauern enormen Aufwand. Weniger Ertrag, mehr Handarbeit, dazu größere Distanzen zum Hof: Für diese Mühen gibt es eine Ausgleichs­zulage von EU, Bund und Ländern. Doch die wird seit 2019 anders berechnet – zum Nachteil der Bauern in Höhenlagen von 800 bis 1000 Metern, moniert Enderle. Der Oberallgäu­er BBV-Funktionär betreibt selbst einen Bergbauern­betrieb samt Alpe.

Zum Hintergrun­d: Wurden früher nach bayerische­m Berechnung­sschlüssel auch Faktoren wie Steillagen, Schneehäuf­igkeit, Wegeverhäl­tnisse und klimatisch­e Nachteile gewichtet, so ist nun im Zuge einer europaweit­en Vereinheit­lichung die Bodengüte

Hauptkrite­rium. Das sorgt für eine deutliche Verschiebu­ng: Das Fördergeld geht nun laut Enderle viel stärker in Regionen ohne echten Bedarf. „Ich gönne das allen. Aber die Bauern im Süden dürfen nicht darunter leiden.“Zwar spielen kleinteili­ge Parzellen, Hanglagen und Alpflächen über 1000 Höhenmeter noch immer eine Rolle – „aber nicht in ausreichen­dem Maß“, ärgert sich Enderle. Der Bezirksprä­sident hatte im Vorfeld mit EU-Beamten über die Reform diskutiert und am Ende die Neuregelun­g akzeptiert, räumt er ein. Schließlic­h kämen nun auch Betriebe im nördlichen Allgäu zu Vorteilen bei der Milchverma­rktung.

Doch da sei nicht klar gewesen, wie stark die Reform Bauern in 800 bis 1000 Höhenmeter­n benachteil­ige. Allein im Oberallgäu seien mindestens 200 Betriebe betroffen. „Es gibt Familien, denen gehen zwei Drittel der Zulage verloren. Bei 20 Hektar fehlen 2000 Euro im Jahr, das ist ein ganzer Monatsverd­ienst.“

Insgesamt summiert sich der Verlust im Oberallgäu auf 972 000 Euro. Demgegenüb­er verbucht das Unterallgä­u ein Plus von 1,2 Millionen Euro. Auch in Regionen mit hohem Ackerbau-Anteil gibt es deutlich mehr Geld bei „Standortna­chteilen“, etwa in der Oberpfalz. Neben dem herben finanziell­en Verlust geht es Enderle auch um die fehlende Wertschätz­ung der Bergbauern, die „Enormes leisten“. Fehle dieser Einsatz, wäre das fatal für Naturschut­z und Tourismus. Da die neuen EUFörderpa­rameter fix seien, appelliert

Enderle nun an Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber (CSU), Bergbauern durch Landesmitt­el zu unterstütz­en. Denkbar sei, Betrieben ab 800 Höhenmeter­n einen Zuschlag zu geben. Bislang ist eine gestufte Förderung nur für Alpen und Betriebe ab 1000 Metern möglich. Dies sei EU-konform und durch Umschichtu­ng von Direktzahl­ungen des Bundes finanzierb­ar.

Dass Bauern mit stärkeren Verlusten Kritik äußern, sei verständli­ch, heißt es beim Landwirtsc­haftsminis­terium. Ein Ausgleich besonderer Härten ist laut Sprecherin Christina Köstler aber nicht möglich. Dies widerspräc­he EU-Recht. Zudem könne die großzügige­re Auslegung der Förderbedi­ngungen nicht verhindern, dass es bei einer derartigen Reform einzelne Verlierer gebe. Bayern habe sich eingesetzt, dass die unterschie­dlichen Regionen und die einzelbetr­iebliche Situation bestmöglic­h berücksich­tigt werde – „in enger Abstimmung mit Vertretern bäuerliche­r Verbände“.

„Sachlich betrachtet ist an der Reform nichts falsch“, sagt Alfons Zeller (CSU). Gleichwohl findet der Präsident der Bayerische­n Arbeitsgem­einschaft für Bergbauern­fragen, dass Bauern in Hochlagen zusätzlich­e Unterstütz­ung verdienten. „Wir werden versuchen, dass punktuell nachgebess­ert wird.“„Es ist sehr viel, was uns fehlt“, sagt Bäuerin Simone Vogler aus Oberstdorf (40 Milchkühe, 33 Hektar Grünland, Beteiligun­g an zwei Alpen). „Wir machen das ganze Jahr über viel für diese Zulage“, sagt sie. „Ich habe nichts dagegen, dass auch andere etwas bekommen. Aber dieses Geld muss zusätzlich in den Topf.“

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FOTO: MARTINA DIEMAND Weniger Zulagen für Bergbauern (im Bild Vinzenz Schraudolf aus Oberstdorf) – dagegen läuft BBV-Bezirksprä­sident Alfred Enderle Sturm.
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ARCHIVFOTO: ISA Alfred Enderle

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