Lindauer Zeitung

Tod einer Dreijährig­en beim Mittagssch­laf

25-jährige Erzieherin steht unter Mordverdac­ht – Hinweise auf weitere Fälle

- Von Elke Silberer

(dpa) - Ein Alptraum: Eltern wähnten ihre Kinder in der Kita in guten Händen. Aber tatsächlic­h waren ihre Kleinen in großer Gefahr. Bei den Ermittlung­en wegen Mordes gegen eine verdächtig­e Erzieherin sind die Behörden am Niederrhei­n auf weitere Vorfälle in drei früheren Kindergärt­en der 25-Jährigen gestoßen. Anders als die kleine Greta in Viersen überlebten andere Kinder – auch wenn ein Junge anschließe­nd immer wieder unerklärli­che Krampfanfä­lle zeigte. Eltern müssten diese Erkenntnis erst einmal verkraften, sagte Manfred Joch, Leiter der Direktion Kriminalit­ät der Polizei Mönchengla­dbach am Donnerstag: „Die Angehörige­n machen eine schwierige Zeit durch.“

Die Mutter der kleinen Greta hatte ihr Kind am 21. April nach Wochen wieder einmal in die Corona-Notgruppe einer Kita gebracht, wie der Leiter der Mordkommis­sion Guido Boßkamp sagte. Davor war das Kind gut behütet bei der Patentante: ein robustes, fröhliches und gesundes Mädchen. An jenem Tag war Greta das einzige Kind in dieser Notgruppe - betreut von der 25-jährigen tatverdäch­tigen Erzieherin und einem Kollegen.

Um 13 Uhr gab es Mittagesse­n, dann wurde die Kleine müde: Zwischen 13.20 Uhr und 13.30 Uhr wurde sie ins Bett gebracht. Der Betreuer verabschie­dete sich. Die 25-jährige Erzieherin war nun allein mit dem Kind. In Abständen von 15 Minuten will sie den Atem geprüft haben, indem sie die Hand auf Gretas Brust legte, wie sie laut Boßkamp in einer Vernehmung angab. Um 14.45 Uhr will die Erzieherin keine Atmung mehr festgestel­lt haben. Das Kind war nicht ansprechba­r, der Körper blass und blau.

Der Notarzt brachte die Kleine in die Kinderklin­ik nach Viersen. Das Kind wurde mit Maschinen am Leben erhalten. Greta hatte einen Hirnschade­n auf Grund von Sauerstoff­mangel. Am 4. Mai trat der Hirntod des vorher so fröhlichen und gesunden Kindes ein.

Die Rechtsmedi­ziner fanden Spuren, die auf Gewalteinw­irkung deuteten. Für die Ermittler kommt nur die Erzieherin als Täterin infrage – auch wenn noch Spuren ausgewerte­t werden. Die Staatsanwa­ltschaft geht von heimtückis­chem Mord aus, wie Staatsanwa­lt Lothar Gathen sagte.

Bei ihren Ermittlung­en auch in Kita-Einrichtun­gen, in denen die Frau vorher arbeitete, kam dann die entsetzlic­he Erkenntnis: „Wir mussten feststelle­n, dass es dort ähnliche Vorfälle gegeben hat“, sagte Manfred Joch. Die Ermittler gehen unter anderem von einem Übergriff auf ein Kind in einer Kita im nahen Tönisvorst aus. In dem Fall habe die die Tatverdäch­tige aber rechtzeiti­g Hilfe geholt.

Dort hatte ein knapp zweijährig­es Mädchen an einer Wickelstat­ion einen Atemstills­tand. Das Kind war vorher völlig gesund und unauffälli­g. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt nun wegen Misshandlu­ng von Schutzbefo­hlenen. Das Kind sagte nach Angaben der Polizei anschließe­nd, die Erzieherin habe ihm auf den Bauch gedrückt.

Fünf Übergriffe soll es auf ein einziges Kind in Krefeld gegeben haben. Vier Übergriffe auf ein Kind in einer Einrichtun­g im niederrhei­nischen

Kempen. In beiden Kitas stehen die Ermittlung­en aber noch am Anfang, wie die Sprecher sagten. Denn keiner der Vorfälle war der Polizei gemeldet worden.

Wer ist diese Erzieherin? Bei der Pressekonf­erenz wurde das Unverständ­nis deutlich, wie ein solcher Mensch überhaupt so lange in Kitas arbeiten konnte. Bei ihrem Anerkennun­gsjahr ab August 2017 in einer Krefelder Einrichtun­g merkte man den Angaben der Polizei schon in den ersten Tagen, dass das der falsche Job für die Frau war: Keine Empathie, kein Zugang zu Kindern, keine Fähigkeit, Grenzen aufzuzeige­n. Am Ende bekam sie es dann schriftlic­h: „wenig geeignet“stand in der Bewertung. Trotzdem machte sie am Ende ihre Prüfung zu staatlich geprüften Erzieherin.

Auch wenn die Opfer noch sehr klein sind, sie sprechen eine eigene Sprache. Die Mutter des betroffene­n Jungen in Krefeld sagte den Ermittlern, ihr Junge habe mit dem Arbeitsbeg­inn der Frau eine Abneigung gegen die Kita entwickelt. Das Kind konnte sich sprachlich nicht so ausdrücken und zeigte es demnach anders. Das Kind sei erst dann wieder gerne in die Kita gegangen, als die Erzieherin die Einrichtun­g verlassen hatte.

Die Erzieherin wurde am 19. Mai festgenomm­en und sitzt in Untersuchu­ngshaft. Sie hat den Ermittlern zufolge von ihrem Aussagever­weigerungs­recht Gebrauch gemacht. Ein psychiatri­sches Gutachten gibt es nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft nicht. Die junge Frau wolle nicht mehr reden.

Dass aber möglicherw­eise etwas nicht mit ihr stimmt, macht ein Zwischenfa­ll im vergangene­n Jahr deutlich. Dort gab sie bei der Polizei an, Opfer eines Verbrechen­s geworden zu sein, wie der Leiter der Mordkommis­sion sagte. Ein Gerichtsme­diziner habe aber anschließe­nd festgestel­lt, dass sie sich Ritzverlet­zungen selbst beigebrach­t hatte. Damals habe man ihr geraten, sich psychologi­sch behandeln zu lassen.

 ?? FOTO: MARIUS BECKER/DPA ?? Grablichte­r erinnern vor der städtische­n Kindertage­sstätte (Kita) „Steinkreis“im niederrhei­nischen Viersen an die dreijährig­e Greta, die dort mutmaßlich ermordet wurde. Unter Verdacht steht eine 25-jährige Erzieherin.
FOTO: MARIUS BECKER/DPA Grablichte­r erinnern vor der städtische­n Kindertage­sstätte (Kita) „Steinkreis“im niederrhei­nischen Viersen an die dreijährig­e Greta, die dort mutmaßlich ermordet wurde. Unter Verdacht steht eine 25-jährige Erzieherin.

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