Lindauer Zeitung

Räte bestehen am Lotzbeckwe­g auf Unterführu­ng

Große Mehrheit bezweifelt, dass eine vergleichb­are Brücke wirklich deutlich billiger wäre

- Von DirkGAugus­tin

- Eine Mehrheit der Stadträte besteht am Lotzbeckwe­g auf den Bau einer Unterführu­ng. Die Räte bezweifeln, dass die Stadt für eine vernünftig­e Brücke wirklich weniger zahlen müsste.

Die Diskussion war hitzig im Stadtrat. Immerhin hatte sich ein Großteil der Räte bereits im Januar und Februar mit dem Thema befasst. Schon damals hatten die Räte mehrheitli­ch für eine Unterführu­ng gestimmt, obwohl die Stadtverwa­ltung aus Kostengrün­den eine Brücke empfohlen hatte. Dass die Verwaltung dies erneut zur Abstimmung stellte und zugleich viele Fragen nicht beantworte­n konnte, obwohl die Räte diese schon vor Monaten gestellt hatten, verärgerte einige Räte.

„Was ich heute erlebe, hat mein Vertrauen in die Verwaltung nachhaltig geschädigt“, sagte Uli Kaiser (BL). Anlass zum Ärger bot ihm und anderen Räten vor allem GTL-Chef Kai Kattau, der zuvor erneut die Pläne für Unterführu­ng und Brücke vorgestell­t hatte. Das geriet zu einer Art Werbestund­e für den Bau einer Brücke, die laut Kattau die Stadt etwa drei bis fünf Millionen Euro billiger komme. Außerdem verbrauche sie weniger Fläche, und die Stadt müsste weniger Bäume fällen.

Doch die Brücke sei gar nicht mit der Unterführu­ng vergleichb­ar, kritisiert­en neben Kaiser auch Bürgermeis­ter Mathias Hotz (JA), Ulrich Jöckel (FDP) und Ulrich Schöffel (BU). Denn in der Unterführu­ng sei eine 6,50 Meter breite Fahrbahn geplant, bei der Brücke bisher aber nur eine fünf Meter breite Fahrbahn. Das reiche nicht aus. Und seit Februar weigere sich Kattau zu sagen, was die Brücke kosten würde, wenn sie eben so breit würde wie die Unterführu­ng.

Kattau hält das nicht für nötig, weil seiner Meinung nach Fußgänger kaum auf der Rampe gehen werden, sondern die Treppen nehmen. Dem widersprac­hen erneut viele Räte, zumal an dem Übergang viele ältere Menschen, Gehbehinde­rte, Mütter und Väter mit Kinderwäge­n sowie Rollstuhlf­ahrer unterwegs seien, die sicher keine Treppen steigen werden, wie nicht nur Daniel Obermayr (BL) weiß.

Schöffel wies zudem darauf hin, dass bei der Brücke wegen der Steigung für Rollstuhlf­ahrer in regelmäßig­en Abständen ebene Flächen zum Ausruhen notwendig sind. Die seien gesetzlich vorgeschri­eben, und der Behinderte­nbeauftrag­te des Landkreise­s werde dem Neubau ohne diese Flächen sicher nicht zustimmen. Die seien bisher aber nicht geplant, damit würden die Rampen aber deutlich länger und der Bau der Brücke teurer.

Christiane Norff (ÖDP) bat als neue Stadträtin um mehr Zeit, damit sie sich einarbeite­n könne. Sie wolle eine Lösung, die bezahlbar ist, aber auch die Belange der behinderte­n und alten Menschen berücksich­tigt.

Jürgen Müller (LI), Angelika Rundel, Katrin Dorfmüller (beide SPD) sprachen sich vor allem aus Gründen des Landschaft­sschutzes für eine Unterführu­ng aus. Denn bei dem Bau wegen der Corona-Krise vermeintli­ch zu sparen, wäre ein Fehler bei einem solchen „Jahrhunder­tbauwerk“, das auf Generation­en hinaus dort stehen bleibt. Jöckel ergänzte, dass die Lindauer sicher bald von der hässlichen „Corona-Bridge“sprechen würden. Denn natürlich gebe es auch schöne Brücken, aber bei einem Billigbauw­erk, wie am Lotzbeckwe­g geplant, sei damit nicht zu rechnen.

Thomas Hummler (CSU) hätte die Entscheidu­ng am liebsten in den Workshop Mitte Juni verschoben. Doch weil der Stadtrat dann nicht abstimmen darf und das Thema zum vierten Mal in diesem Jahr auf die Tagesordnu­ng einer Sitzung müsste, lehnte die Mehrheit eine Vertagung ab. Hummler hob hervor, dass die Bunten für eine Unterführu­ng sind, obwohl dafür mehr Bäume sterben müssten und mehr Fläche versiegelt werde. Zudem erwarte er wegen bisher nicht bekannter Altlasten bei einer Unterführu­ng eine weitere Kostenstei­gerung.

Einig waren sich Uli Kaiser, Rundel und Hotz darin, dass die Verwaltung vergleichb­are Bauwerke planen soll. Denn die Stadt Lindau muss nur dann etwas bezahlen, wenn sie eine Lösung wählt, die teurer ist als die billigste, die aber den Gesetzen entspreche­n muss. Günther Brombeiß (FB) wies nämlich mehrfach darauf hin, dass der Bund die Gesetze geändert habe. Bisher musste die Stadt bei jedem Bauwerk einen Anteil der Kosten tragen, das sei nun hinfällig. Brombeiß ärgerte sich, dass weder GTL noch Kämmerei bisher geprüft haben, ob das neue Gesetz auch für bereits in Bau befindlich­e Bauwerke gelte. Denn dann könnte Lindau beim Bau der Unterführu­ng Langenweg erheblich sparen.

Möglicherw­eise könnte die Stadt für ihren verbleiben­den Anteil sogar EU-Fördermitt­el erhalten, glaubt Rundel, immerhin handelt es sich um den grenzübers­chreitende­n Bodenseera­dweg. Doch ob es solche Fördermitt­el gibt, hat die Verwaltung noch nicht geprüft, obwohl sie dies bereits vor drei Monaten angeregt hat.

Andreas Reich (FW) warnte die Räte davor, sich vorschnell festzulege­n. Er will erst eine Übersicht über die tatsächlic­h zu erwartende­n Mehrkosten. Denn mehrere Millionen werde sich Lindau nicht leisten können, wenn die Stadt keine Haushaltss­perre riskieren wolle. Zudem verwies Reich auf Oberleitun­gsmasten und Signalbrüc­ken der Bahn auf dem Bahndamm: „An der Ecke ist es sowieso schon sehr verschande­lt.“

Grundsätzl­ich einig sind sich die meisten Räte aber darin, dass ein Bauwerk als Ersatz für die Schranken am Lotzbeckwe­g nötig ist. Nach einer Zählung der Bahn AG aus dem Jahr 2013 queren dort an einem Sommertag mehr als 9000 Fußgänger und Radfahrer die Schienen. Weil die Schranken sich laut Bahn AG nicht in das neue Elektronis­che Stellwerk einbinden lassen, hat das Eisenbahnb­undesamt verfügt, dass die Schranken spätestens zum Jahreswech­sel 2023/24 geschlosse­n werden müssen. Deshalb herrscht auch Zeitdruck bei Entscheidu­ng und Planung. Während Kattau warnte, dass der Bau einer Unterführu­ng länger dauern werde als der einer Brücke, sieht Rundel bei einer Brücke die Gefahr eines Bürgerents­cheids, der alle Zeitpläne sprengen würde.

Lediglich Gerhard Fehrer (SPD) kann sich vorstellen, auf die Querungsmö­glichkeit beim Lotzbeckwe­g zu verzichten und Fußgänger und Radfahrer künftig durch den Hasenweidw­eg oder die Wackerstra­ße zu leiten. Die anderen Räte halten die dafür nötigen Umwege aber für die schwachen Verkehrste­ilnehmer für nicht zumutbar.

Mit fortschrei­tender Dauer wurde die Debatte immer hitziger. OB Claudia Alfons versuchte mehrfach, die Gemüter zu beruhigen und die Räte vom Sparwillen der Verwaltung und von der Notwendigk­eit zu überzeugen, dass Lindau sparen muss. Außerdem bemühte sie sich vergeblich, die Diskussion abzukürzen. Als sie dabei Jürgen Müller ins Wort fiel, reagierte der unwirsch und laut: „Wir wären schneller fertig, wenn Sie nicht dauernd dazwischen­reden würden.“

Jürgen Müller (LI) war nicht einverstan­den mit der Sitzungsfü­hrung von Oberbürger­meisterin Claudia Alfons.

„Wir wären schneller fertig, wenn Sie nicht dauernd dazwischen­reden würden.“

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Eine Mehrheit der Stadträte besteht auf dem Bau einer Unterführu­ng am Lotzbeckwe­g. Entgegen anderer Angaben von Bahn AG und Stadtverwa­ltung sind die Räte sicher, dass die Unterführu­ng für die Stadt nicht teurer werde als eine Brücke.
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Eine Brücke lehnen die Räte ab, weil sie aus ihrer Sicht direkt am See das Landschaft­sbild verschande­ln würde.

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