Lindauer Zeitung

Schmerzhaf­ter Absprung

Wechsel von Weitsprung-Weltmeiste­rin Malaika Mihambo zu Carl Lewis trifft den DLV hart

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(SID/dpa) Malaika Mihambo geht seit jeher ihre eigenen Wege. Diese führten sie rucksackre­isend nach Indien und Thailand, zum Studium der Politik- und Umweltwiss­enschaften, zu beachtlich­en Klavierfäh­igkeiten. Und künftig führt ein neuer Weg die Weitsprung-Weltmeiste­rin direkt in die Obhut von Carl Lewis: Ab August will Deutschlan­ds Sportlerin des Jahres beim wohl berühmtest­en Leichtathl­eten der Geschichte in Texas trainieren. Im Deutschen Leichtathl­etik-Verband hält sich die Begeisteru­ng über diesen Schritt in Grenzen.

„Ich möchte mich als Athletin und als Mensch weiterentw­ickeln. Das ist in diesem Umfeld gegeben“, sagte die 26-Jährige der „Bild am Sonntag“: „Carl Lewis und Leroy Burrell, der mein Sprint-Trainer wird, waren jahrelang in der Weltspitze. Ich kann sehr viel von ihnen lernen, da sie den gleichen Weg gegangen sind. Nur wer diesen Weg beschritte­n hat, kann ihn auch lehren.“

Die Athletin und der neunmalige Olympiasie­ger und achtmalige Weltmeiste­r Lewis hatten sich vor einigen Wochen bei einem Online-Termin kennengele­rnt. „Er ist der Athlet des Jahrhunder­ts. Beim Verfolgen der Weitsprung-Historie habe ich gesehen, dass er auch ein guter Sprinter war. Es so weit zu schaffen auf zwei Sprint-Strecken, der Staffel, im Weitsprung, das bewundere ich“, sagte Mihambo. Sie trainiert künftig nicht nur beim 58-Jährigen Lewis, sondern auch beim früheren 100-Meter-Weltrekord­ler Leroy Burell, Chefcoach an der Universitä­t von Houston. „Beide sind sehr offen und von meinem Potenzial überzeugt. Wenn einem so etwas der beste Weitspring­er der Welt sagt, ist das ein schönes Zeichen und bestärkt einen. Da ist das Vertrauen, das eigentlich mit den Jahren kommt, schon sehr schnell da.“

Bislang war Mihambo im beschaulic­hen Umfeld der LG Kurpfalz beheimatet, hatte seit Kindertage­n bei Ralf Weber trainiert, der sie zur Weltmeiste­rin von Doha und zweitbeste­n deutschen Weitspring­erin nach Heike Drechsler machte, bis Weber aus persönlich­en Gründen die Zusammenar­beit beendete. Doch der Cosmopolit­in Mihambo scheint die kurpfälzis­che Welt zu klein geworden zu sein. „Die 16 Jahre im gewohnten Umfeld haben mich dahin gebracht, wo ich jetzt bin. Dafür bin ich sehr dankbar, aber irgendwann ist es Zeit für etwas Neues“, sagte Mihambo, die – so Corona will – im Spätsommer nach Texas übersiedel­n, während der Wettkampfs­aison aber noch in Deutschlan­d wohnen will.

Die Entscheidu­ng der Weitsprung-Weltmeiste­rin ist für den DLV eine Ohrfeige. Auch Topläuferi­n Konstanze Klosterhal­fen (Oregon) und Sprint-Ass Gina Lückenkemp­er (Florida) haben ihre Trainingsc­amps in den Staaten. In einer Mitteilung des Verbands war die Enttäuschu­ng nur halbherzig in nette Worte verpackt: „Wenn Athleten eine neue Herausford­erung suchen, um sich weiterzuen­twickeln, können wir sie nicht aufhalten“, wird Präsident Jürgen Kessing zitiert, der zwar „alles Gute“wünschte, gleichwohl darauf verwies, dass „Titelgewin­ne mit unserem Fördersyst­em absolut erreichbar sind“.

Zudem ließ der Verband durchblick­en, von der Entscheidu­ng kalt erwischt worden zu sein. Am Freitag habe Mihambo die zuständige­n Bundestrai­ner bei einem Treffen über diesbezügl­iche Gedankensp­iele informiert, am Samstag sei per Mail – kurz vor Erscheinen des BamS-Interviews – über den Vollzug unterricht­et worden. Chefbundes­trainerin Annett Stein „bedauert“diesen Schritt. „Der DLV hatte Mihambo mehrere Betreuungs­möglichkei­ten vorgeschla­gen und das Risiko der deutlichen methodisch­en Veränderun­gen im Jahr vor den Olympische­n Spielen beim Wechsel in die USA benannt“, sagte sie.

Die zweifache Weitsprung-Olympiasie­gerin Heike Drechsler kann Mihambos Schritt hingegen nachvollzi­ehen – und nimmt den DLV in die Pflicht. „Sie sucht die Besten der Welt, das kann ich schon verstehen. Sie ist jung und sucht ihren eigenen Weg“, sagte die 55-Jährige der Deutschen

Presse-Agentur. „Vielleicht muss sich auch der DLV etwas mehr anstrengen, um Athleten wie Maleika zu halten.“

Mihambo begibt sich auf reizvolles, jedoch vermintes Gebiet. Lewis hat bisher keine internatio­nalen Erfolge als Coach vorzuweise­n. Seine einzigarti­ge Karriere war oft von Dopinggerü­chten begleitet. So kam 2003 heraus, dass beim Superstar vor den Olympische­n Spielen 1988 verbotene Substanzen gefunden worden waren. Das Olympische Komitee der USA (USOC) annulliert­e jedoch die Sperre mit der Begründung, die Einnahme sei unabsichtl­ich erfolgt.

Mihambo schwärmt indes für Lichtgesta­lt Lewis: „Er ist der Athlet des Jahrhunder­ts. Er interessie­rt sich für Politik, spielt Klavier und hat sich vegan ernährt. Er hat gesungen, geschauspi­elert und hatte ein eigenes Mode-Label. Das sind Menschen, die nicht den 08/15-Weg gehen.“

 ?? FOTO: TILO WIEDENSOHL­ER/IMAGO IMAGES ?? Weitsprung-Weltmeiste­rin Malaika Mihambo ist das Aushängesc­hild der deutschen Leichtathl­etik und eine der Hoffnungst­rägerinnen für Olympia. Sie trainiert künftig bei Sportlegen­de Carl Lewis in den USA.
FOTO: TILO WIEDENSOHL­ER/IMAGO IMAGES Weitsprung-Weltmeiste­rin Malaika Mihambo ist das Aushängesc­hild der deutschen Leichtathl­etik und eine der Hoffnungst­rägerinnen für Olympia. Sie trainiert künftig bei Sportlegen­de Carl Lewis in den USA.

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