Lindauer Zeitung

Hang zur Selbstdemo­ntage

- Von Klaus Wieschemey­er k.wieschemey­er@schwaebisc­he.de

Der Rat des Altkanzler­s ist eindeutig: Die Kanzlerfra­ge sollte nicht mehr lange offen bleiben, hat Gerhard Schröder seiner SPD ins Stammbuch geschriebe­n. Und trotz vieler Dinge, die man insbesonde­re als Sozialdemo­krat an Schröder schlecht finden kann, steht eines fest: Er war über sehr lange Zeit sehr gut darin, Wahlen zu gewinnen.

Schröders SPD-Möchtegern­nachfolger Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Martin Schulz scheiterte­n nicht nur an Angela Merkel, sondern auch an übereilten Kampagnen. Und so ist es richtig, wenn sich die Partei früh Gedanken macht, wie sie eine Neuauflage alter Fehler vermeiden und gut ins Wahljahr 2021 starten kann. Dass die SPD dies ungern an die große Glocke hängt, ist ebenso klar: In Zeiten, in denen viele Menschen existenzie­lle Sorgen umtreiben, kommen öffentlich­e Personalde­batten schlecht an.

Dabei braucht die Partei einen Plan: Nicht nur die Bundestags­wahl im Herbst 2021 rückt näher. Auch für die Baden-Württember­g-Wahl ein halbes Jahr zuvor kann die darbende Partei Berliner Rückenwind gut brauchen. Und obwohl die SPD in Umfragen bei weit unter 20 Prozent festgenage­lt scheint, gibt es Hoffnung: Tritt Merkel 2021 nicht mehr an, muss sich auch die Union neu erfinden. Und bei den Grünen gehen die Habeck-Festspiele zu Ende, so dass ein SPD-Kanzlerkan­didat gar nicht mehr abwegig erscheint.

Doch es gibt ein zweites großes Problem, an dem die drei Merkel-Herausford­erer gescheiter­t sind. Es ist der SPD-Hang zur Selbstdemo­ntage, der sich mit der Wahl der Parteichef­s Saskia Esken und Norbert WalterBorj­ans fortgesetz­t hat. Denn die Konstrukti­on funktionie­rt nicht: Irgendwie soll das Duo ohne Hausmacht in der Regierung mitreden, faktisch hat es wenig zu sagen. Und wenn sich einer der beiden zu Wort meldet, folgte danach oft nichts.

Altkanzler Schröder hatte Esken übrigens kürzlich „freundlich empfohlen“, einfach mal nichts zu sagen, sondern sich hinter die SPD-Minister zu stellen. „Man kann auch Falsches erst recht zur falschen Zeit sagen“, sagte Schröder.

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