Hang zur Selbstdemontage
Der Rat des Altkanzlers ist eindeutig: Die Kanzlerfrage sollte nicht mehr lange offen bleiben, hat Gerhard Schröder seiner SPD ins Stammbuch geschrieben. Und trotz vieler Dinge, die man insbesondere als Sozialdemokrat an Schröder schlecht finden kann, steht eines fest: Er war über sehr lange Zeit sehr gut darin, Wahlen zu gewinnen.
Schröders SPD-Möchtegernnachfolger Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Martin Schulz scheiterten nicht nur an Angela Merkel, sondern auch an übereilten Kampagnen. Und so ist es richtig, wenn sich die Partei früh Gedanken macht, wie sie eine Neuauflage alter Fehler vermeiden und gut ins Wahljahr 2021 starten kann. Dass die SPD dies ungern an die große Glocke hängt, ist ebenso klar: In Zeiten, in denen viele Menschen existenzielle Sorgen umtreiben, kommen öffentliche Personaldebatten schlecht an.
Dabei braucht die Partei einen Plan: Nicht nur die Bundestagswahl im Herbst 2021 rückt näher. Auch für die Baden-Württemberg-Wahl ein halbes Jahr zuvor kann die darbende Partei Berliner Rückenwind gut brauchen. Und obwohl die SPD in Umfragen bei weit unter 20 Prozent festgenagelt scheint, gibt es Hoffnung: Tritt Merkel 2021 nicht mehr an, muss sich auch die Union neu erfinden. Und bei den Grünen gehen die Habeck-Festspiele zu Ende, so dass ein SPD-Kanzlerkandidat gar nicht mehr abwegig erscheint.
Doch es gibt ein zweites großes Problem, an dem die drei Merkel-Herausforderer gescheitert sind. Es ist der SPD-Hang zur Selbstdemontage, der sich mit der Wahl der Parteichefs Saskia Esken und Norbert WalterBorjans fortgesetzt hat. Denn die Konstruktion funktioniert nicht: Irgendwie soll das Duo ohne Hausmacht in der Regierung mitreden, faktisch hat es wenig zu sagen. Und wenn sich einer der beiden zu Wort meldet, folgte danach oft nichts.
Altkanzler Schröder hatte Esken übrigens kürzlich „freundlich empfohlen“, einfach mal nichts zu sagen, sondern sich hinter die SPD-Minister zu stellen. „Man kann auch Falsches erst recht zur falschen Zeit sagen“, sagte Schröder.