Lindauer Zeitung

Trumps Kampfansag­e

Härte statt Dialog – US-Präsident droht wegen Unruhen mit Einsatz des Militärs

- Von Christiane Jacke, Can Merey und Shabtai Gold

(dpa) - Tränengas liegt in der Luft vor dem Weißen Haus, als Donald Trump im Rosengarte­n ans Rednerpult tritt. Der USPräsiden­t will inmitten der Proteste im ganzen Land eine Botschaft der Stärke an die Nation aussenden: „Ich bin Ihr Präsident für Recht und Ordnung“, sagt Trump, der sich im November zur Wiederwahl stellt. Parallel zu seinem Auftritt inszeniert er eine martialisc­he Machtdemon­stration mitten im Herzen der US-Hauptstadt, direkt vor dem Weißen Haus. Wer auf versöhnlic­he Worte des Präsidente­n gehofft hat, wird bitterlich enttäuscht.

Trumps öffentlich­er Auftritt kommt denkbar kurzfristi­g. Um kurz nach 18 Uhr am Montagaben­d (Ortszeit) kündigt das Weiße Haus eine Ansprache des Präsidente­n an, für 18.15 Uhr. Während sich Journalist­en eilig im Rosengarte­n einfinden, spitzt sich draußen vor den Absperrung­en der Regierungs­zentrale die Lage zu. Demonstran­ten protestier­en wie schon in den Tagen zuvor vor dem Weißen Haus gegen Polizeigew­alt, nachdem der Afroamerik­aner George Floyd in der vergangene­n Woche bei einem brutalen Polizeiein­satz ums Leben kam. Floyds Fall hat in den USA alte Wunden aufgerisse­n und Proteste im ganzen Land ausgelöst, die teils in Randale und Gewalt ausgeartet sind – auch in Washington.

Vor Trumps Auftritt fahren Militärfah­rzeuge mit Soldaten der Nationalga­rde auf das Gelände des Weißen Hauses. Sicherheit­skräfte beginnen damit, die Protestier­enden vor dem Weißen Haus gewaltsam zurückzudr­ängen. Mit dabei: die Militärpol­izei. Polizisten auf Pferden rücken an. Um kurz nach 18.30 Uhr zündet die Polizei plötzlich Blendgrana­ten und setzt Tränengas ein, um die Demonstran­ten vom Lafayette-Park vor dem Weißen Haus zu vertreiben. Um 18.44 Uhr tritt im Rosengarte­n auf der anderen Seite des Weißen Hauses Trump ans Rednerpult. Nur wenige Minuten dauert Trumps Ansprache. Er sagt, er werde mit allen Mitteln dafür kämpfen, das Land und seine Bürger zu schützen. Randale und Anarchie werde er nicht dulden. Was sich in den vergangene­n Tagen abgespielt habe, sei „Terror“und ein „Verbrechen gegen Gott“. Damit sei nun Schluss. „Wir beenden die Ausschreit­ungen und die Gesetzlosi­gkeit, die sich in unserem Land ausgebreit­et haben. Wir beenden sie jetzt.“

In den vergangene­n Tagen hat Trump demokratis­chen Gouverneur­en und Bürgermeis­tern mehrfach vorgeworfe­n, Schwäche zu zeigen und nicht hart genug gegen gewalttäti­ge Protestier­ende durchzugre­ifen. Nun macht er klar: Wenn ihr es nicht tut, dann tue ich es. „Wenn sich eine Stadt oder ein Bundesstaa­t weigern, die notwendige­n Maßnahmen zu ergreifen, um Leben oder Eigentum ihrer Bürger zu verteidige­n, werde ich das Militär der Vereinigte­n Staaten einsetzen und das Problem schnell für sie lösen.“Zudem werde er „Abertausen­de schwer bewaffnete Soldaten“einsetzen, um die Hauptstadt zu schützen.

Nach der Ansprache folgt die nächste Machtdemon­stration: Trump marschiert mit seinem Gefolge zur St.-John's-Kirche, die nördlich vom Weißen Haus liegt – durch den Lafayette-Park, aus dem Sicherheit­skräfte die Demonstran­ten gerade vertrieben haben. Der Keller des Gotteshaus­es wurde bei den Ausschreit­ungen am Sonntagabe­nd in Brand gesteckt. Für die Kameras posiert Trump vor der verbarrika­dierten Tür der Kirche mit einer Bibel, die er hochhält. Die Botschaft hier:

Ich habe alles unter Kontrolle. Denn genau das wurde ihm zuletzt vorgeworfe­n: Kontrollve­rlust und mangelnde Führung. Am Freitag musste der Präsident angesichts wütender Proteste vor seinem Amtssitz zeitweise im unterirdis­chen Bunker des Weißen Hauses Schutz suchen. Diesem Bild in den Köpfen wollte er ein anderes entgegense­tzen – an seine

Gegner gerichtet, vor allem aber wohl an seine Anhänger.

Die Bischöfin der Episkopal-Diözese Washington, Mariann Edgar Budde, reagiert empört. Kurz nach Trumps Kirchenbes­uch sagt sie dem Sender CNN, der Präsident habe eine der Kirchen ihrer Diözese „ohne Erlaubnis als Hintergrun­d für eine Botschaft verwendet, die den Lehren Jesu und allem widersprec­hen, wofür unsere Kirchen stehen“. Er habe den Einsatz von Tränengas gebilligt, um den Weg zur Kirche zu räumen. Und er ignoriere den Schmerz der Menschen im Land.

„Er sollte zur Ruhe aufrufen. Er tut genau das Gegenteil“, sagt auch der demokratis­che Gouverneur von Illinois, J. B. Pritzker, dem Sender CNN. Der Präsident wolle damit von seinem „kläglichen Scheitern“in der Corona-Pandemie ablenken. Trump selbst befeuere jeden Tag rassistisc­he Spannungen. „Der Mann ist ein Rassist. Er muss weg.“Pritzker sagt, auf keinen Fall könne Trump einfach Soldaten in seinen Bundesstaa­t schicken. „Das ist illegal.“

Steuert der Präsident neben seinen anderen Krisen nun also auf eine offene Konfrontat­ion mit den Bundesstaa­ten zu? Trump steckt im Wahlkampf und sieht seine Wiederwahl­chancen bedroht – durch die Corona-Pandemie, durch die dadurch ausgelöste Wirtschaft­skrise und nun durch die Unruhen im Land. Trump tut das, was er zu tun pflegt, wenn er sich in die Ecke gedrängt fühlt: Er schlägt um sich.

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FOTO: IMAGO IMAGES Trump posiert mit einer Bibel. Die Botschaft: Ich habe alles unter Kontrolle.

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