Lindauer Zeitung

Schwerer Neustart für Hotels im Südwesten an Pfingsten

- Von Finn Mayer-Kuckuk

(dpa) - Viele Hotels in Baden-Württember­g kommen nur sehr mühsam aus der Zwangspaus­e. Die Wiedereröf­fnung nach der Lockerung der Corona-Maßnahmen am Pfingstwoc­henende lief verhalten. Das zeigt eine Umfrage des Branchenve­rbands Dehoga, an der sich knapp 800 Betriebe beteiligte­n. Nur jeder fünfte Hotelbetri­eb konnte demnach übers Pfingstwoc­henende mehr als die Hälfte des Umsatzes vom Pfingstwoc­henende 2019 erreichen. Zwei Drittel der Betriebe erlebten einen kompletten Einbruch: Bei ihnen lagen die Umsätze bei weniger als einem Viertel des Vorjahresw­erts.

- Die Preise sind im Mai trotz der Corona-Pandemie nur wenig angestiege­n. Nach vorläufige­n Zahlen des Statistisc­hen Bundesamte­s haben die Verbrauche­rpreise nur um 0,6 Prozent angezogen. Vor dem Einschlag der Pandemie lag dieser Wert noch bei rund 1,7 Prozent. Deutschlan­d bewegt sich damit deutlich unter dem Inflations­ziel der Europäisch­en Zentralban­k (EZB). Diese strebt einen Preisauftr­ieb von knapp zwei Prozent an.

Die stabilen Preise im Mai ergeben sich aus zwei gegenläufi­gen Bewegungen: Während Nahrungsmi­ttel wegen Corona um viereinhal­b Prozent teurer wurden, ist Energie um achteinhal­b Prozent günstiger geworden. Das liegt vor allem am Ölpreis, der – ebenfalls wegen der Pandemie – zwischenze­itlich ins Bodenlose gefallen ist. Mieten und Dienstleis­tungen sind genauso teuer wie vor der Ankunft der Seuche.

Wirtschaft­swissensch­aftler sehen in den aktuellen Zahlen den Beginn eines längeren Trends zu stabilen Preisen. „Wir erwarten, dass der Preisauftr­ieb schwach bleibt, weil es an Nachfrage fehlt“, sagt Ökonom Torsten Schmidt vom Leibniz-Institut für Wirtschaft­sforschung in Essen (RWI). Nur wenn Waren und Dienste stark gefragt sind, haben die Anbieter die Möglichkei­t, mehr Geld dafür zu verlangen. „Wenn das Geschäft schlecht läuft, werden die Unternehme­n alles tun, um Preiserhöh­ungen zu vermeiden.“

Das setzt voraus, dass der Nachschub an Gütern weiter gesichert ist. Da, wo Waren aufgrund der Pandemie wirklich knapp werden, steigen auch die Marktpreis­e. Das betrifft derzeit vor allem Gemüse wie Paprika, Zucchini, Brokkoli oder Spargel: Hier fehlt es an Erntekräft­en. Doch schon Kartoffeln und Möhren sind nicht betroffen, weil davon reichlich in den Lagern liegt. Auch die Lieferkett­en für Industriep­rodukte aus Ostasien sind nach dem Ende des Lockdowns in China weitgehend wiederherg­estellt.

Ökonom Schmidt erwartet zudem nicht, dass Arbeitskrä­ftemangel oder Störungen der Lieferkett­e auch nach dem Ende der Pandemie noch ein Thema sind. Außerdem lässt das Virus sowohl die Felder als auch die Fabriken intakt. Was bleibt, ist dagegen eine längere Konjunktur­krise. Zentralban­ken werden versuchen, sich dagegenzus­temmen. Während niedrige Zinsen und die Freisetzun­g frischen Geldes nach herkömmlic­hem Verständni­s die Inflation anheizen, haben die vergangene­n Jahre gezeigt, dass dieser Effekt in der Praxis ausbleibt. „Es reicht eben nicht, wenn das Geld im Bankensekt­or bleibt“, sag Schmidt. „Es müsste auch ausgegeben werden.“

Hier hapert es aber. Denn die Konjunktur­krise wird weltweit Menschen ohne Job und Firmen ohne Aufträge zurücklass­en. „Die private Konsumnach­frage könnte auf absehbare Zeit leiden“, so Schmidt. Derzeit federt Deutschlan­d die Schocks für den Arbeitsmar­kt durch Kurzarbeit ab. Das hält die verfügbare­n Einkommen zunächst weitgehend stabil. Wenn aber wirklich die Arbeitslos­igkeit ansteigen sollte und die Nachfrages­chwäche sich verfestigt, dann drohe statt Inflation sogar eher Deflation – also ein Rückgang der Preise.

Das wäre ein ungünstige­s Szenario für die deutsche Industrie. Denn in einer Deflation konsumiere­n die Leute immer weniger. Sie merken schnell, dass sie die gleichen Waren morgen billiger haben können. Auch die Löhne steigen dann im Allgemeine­n nicht mehr. So eine Abwärtsspi­rale versuchen die Zentralban­ken zu verhindern, indem sie Kredite billiger machen. „Doch die EZB ist hier in ihren Möglichkei­ten stark eingeschrä­nkt“, sagt Schmidt. Schließlic­h liegt der Zins bereits bei null, und sie pumpt schon so viel Geld in den Markt, wie sie kann.

Dennoch – oder gerade deswegen – herrscht vielerorts auch die Vorstellun­g, Corona bewirke letztlich Inflation. Eine Umfrage der Deutschen Bank unter 450 Finanzprof­is weltweit ergibt eine kleine Mehrheit von 47 Prozent, die mit steigenden Preisen rechnet, während 40 Prozent eher Deflation erwarten. Die offizielle Prognose der Deutsche-Bank-Ökonomen liegt jedoch ebenfalls bei einer Preissteig­erung von 0,4 Prozent in diesem und 0,6 Prozent im kommenden Jahr. Sie rechnen also ebenfalls mit extrem niedriger Inflation.

Doch es gibt auch innerhalb der Deutschen Bank verschiede­ne Meinungen. Der Ökonom Oliver Harvey argumentie­rt, dass Corona „die lang erwartete Rückkehr der Inflation in die entwickelt­e Welt bringt“. Denn die Regierunge­n schießen der leidenden Wirtschaft üppig Geld zu, während das Angebot gleich bleibt. Anders gesagt: Ein Kurzarbeit­er oder Arbeitslos­er, der nichts herstellt, aber fast volle Bezüge erhält, darf zwar genauso viel ausgeben wie vorher. Er hat jedoch dafür nichts hergestell­t. Unterm Strich, so Harvey, entsteht so in der Volkswirts­chaft eine Lücke. Die Preise müssen zwangsläuf­ig steigen.

Sein Kollege Robin Winkler, ebenfalls von der Deutschen Bank, sieht den Fokus dagegen wie RWI-Ökonom Schmidt beim Mangel an Nachfrage. Die Einnahmeau­sfälle durch Arbeitslos­igkeit werden die Staaten weltweit kaum auffangen können, während die Produktion­sfähigkeit­en kaum beeinträch­tigt sind. Doch Unternehme­n, die jetzt riesige Einbußen verzeichne­n, müssen zudem über die kommenden Jahre ihre Bilanzen reparieren. Sie werden daher sparen, sparen, sparen. So ein Vorgang hat schon in Japan zu sinkenden Ausgaben und damit zu Deflation geführt.

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