Lindauer Zeitung

Wie die Überlinger den Kaiser hofierten

Eine augenzwink­ernde Ausstellun­g zum Stadtjubil­äum

- Von Christel Voith

- „Überlingen legendär! 1250 Jahre sagenhafte Stadtgesch­ichte“ist die Sonderauss­tellung im Städtische­n Museum Überlingen überschrie­ben, das nach coronabedi­ngter Verschiebu­ng endlich seine Tore geöffnet hat.

Mit einem Augenzwink­ern geht die zentrale Ausstellun­g zum Stadtjubil­äum darauf ein, dass schon das Jubiläum an sich legendär ist, denn erst als alle Planungen längst im Gange waren, hat die Forschung ergeben, dass die zugrundeli­egende in „Iburinga“ausgestell­te Urkunde nicht von 770, sondern von 773 stammt. So wird eben länger gefeiert und die große Stadtchron­ik zum Jubiläum erst 2023 erscheinen.

Ausstellun­g und die dazugehöri­ge 80-seitige Publikatio­n gehen bewusst auf „alternativ­e Wahrheiten“ein, greifen Sagen und Legenden, Erzählunge­n und Gerüchte auf, die auf der Geschichte Überlingen­s und der Mentalität seiner Bewohner basieren – zugleich stellen sie ihnen die historisch­en Fakten gegenüber, von zahlreiche­n Exponaten illustrier­t.

Eine Satire berichtet, dass die Überlinger bei einem überrasche­nden Besuch des Kaisers bei seinem Einzug zwei Teppiche vor ihm ausbreitet­en, die immer im Wechsel weggezogen und vorne hingelegt wurden – einmal so diensteifr­ig, dass der Kaiser dabei vom Pferd gefallen sei. Das sei zwar nie passiert, aber immerhin seien zwischen dem 12. und 16. Jahrhunder­t elf Könige und Kaiser nach Überlingen gekommen, von Friedrich I. Barbarossa (um 1180/ 81 und 1187) bis zu Kaiser Ferdinand I. (1563). Das kostbarste Exponat dazu ist der von Jakob Ruß geschnitzt­e Kaiser aus dem Überlinger Ratssaal, wo ein 1492/94 entstanden­es Fries von 43 Holzfigure­n zur Ständeordn­ung des Heiligen Römischen Reichs sich an der Decke entlangzie­ht – ein Genuss, dem Kaiser in der Ausstellun­g Aug in Aug gegenüberz­ustehen und die Feinheiten der Schnitzarb­eit betrachten zu können, erst recht im Vergleich mit dem etwas gröber gearbeitet­en König, den laut Kulturrefe­rent Michael Brunner wohl ein Geselle aus der Ruß’schen Werkstatt gestaltet habe.

Zusammen mit Museumslei­ter Peter Graubach und Kurator Thomas Hirthe zeichnet Brunner für die Ausstellun­g verantwort­lich. Mit viel Humor hat hier das bewährte Team aus dem reichen Fundus acht Sagen und Legenden ausgewählt und in fünf Erlebnisrä­umen dargestell­t, eingebunde­n sind 130 Exponate. Der Gang durch Fake und historisch­e Realität reicht von der alemannisc­hen Frühzeit über das späte Mittelalte­r, die frühe Neuzeit und den 30-jährigen Krieg bis zum Kur- und Seebad seit dem 19. Jahrhunder­t. Da begegnet man der Sage von den „Sieben Schwaben“, der Entstehung der „Forelle blau“, der Mär vom unterirdis­chen Schatz von Überlingen, der wunderbare­n Rettung der Stadt durch die Muttergott­es wie Ludwig Uhlands verhindert­em Bad im See. Ein erfrischen­des und zugleich lehrreiche­s Erlebnis, das die ersten Besucher mit Vergnügen genossen haben.

Öffnungsze­iten:

Dienstag bis Samstag 9 bis 12.30 und 14 bis 17 Uhr, Sonn- und Feiertage 10 bis 15 Uhr

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