Unternehmen Chance muss Schreinerei schließen
Corona-Schließzeit trifft Lindauer Sozialkaufhaus schwer – Neuorganisation spart auch Miete
- An den Folgen der CoronaPandemie hat das Unternehmen Chance schwer zu knabbern. Zwar sind bis auf drei inzwischen alle Mitarbeiter aus der Kurzarbeit zurück. Doch in der Kasse fehlen die Umsätze von rund sechs Wochen, in denen Sozialkaufhaus und Werkstätten schließen mussten. Zudem ist in dieser Zeit ein weiteres Problem ans Licht gekommen: Die Schreinerei, eines der Vorzeigeprojekte, macht zu viel Minus. Deshalb hat die Geschäftsführerin Claudia Mayer schweren Herzens beschlossen, diesen Bereich nun zu schließen.
Der Kemptener Abfallzweckverband ZAK ist seit knapp einem Jahr Mitgesellschafter des Lindauer Unternehmens Chance. Mit seinem Einstieg hat der ZAK seine für den Bereich Abfallvermeidung und Recycling zuständige Mitarbeiterin Claudia Mayer zur neuen Geschäftsführerin des Unternehmens Chance bestellt. Für die engagierte Lindauerin ist das eine Art Heimkehr, schließlich hat sie lange Jahre das Unternehmen Chance geführt und vieles dort aufgebaut. Ein Gewinn ist das zudem für die gemeinnützige Gesellschaft, die das Projekt mit Gebrauchtwarenkaufhaus und Werkstätten trägt – muss doch für Mayer kein Geschäftsführergehalt gezahlt werden.
Dennoch hat die Corona-bedingte Schließung das Unternehmen Chance das Kurzarbeitergeld nicht einmal für die Miete reichte und weil für diese Menschen aber auch eine feste tägliche (Arbeits-)Struktur äußerst wichtig sei, wie Mayer betont.
Deswegen ist sie froh, dass sie zunächst nach Ostern den Transportbereich wieder starten durfte: Das Team holte ausrangierte Möbel und Hausrat bei Spendern ab. „Allerdings ist dann unser Lager in kürzester Zeit voll gewesen", sagt die Geschäftsführerin. Deshalb haben Mitarbeiter die gebrauchten, aber gut erhaltenen Möbel und Haushaltsgegenstände im Internet beworben, etwa auf dem digitalen Kleinanzeigenmarkt des ZAK, aber auch auf anderen Plattformen. „So ist wenigstens ein klein wenig Umsatz in die Kasse gekommen", stellt Mayer fest.
Denn Geld aus den Soforthilfeprogrammen der Staats- oder Bundesregierung zu bekommen, schien für das Unternehmen Chance lange Zeit nicht möglich: Sie solle ihre Gesellschafter um Geld bitten, hatte Claudia Mayer zu hören bekommen. Dabei hat der ZAK nach ihren Worten
bereits das Stammkapital des Unternehmens Chance um weitere 54 500 Euro auf nun 90 000 Euro aufgestockt. Dass das Gebrauchtwarenkaufhaus letztlich doch noch einen Zuschuss von 30 000 Euro erhalten hat, sei vor allem dem Engagement seines Steuerberaters zu verdanken, schildert Mayer.
Die zwangsweise Schließzeit hat sie zu einem umfassenden Kassensturz genutzt, der nicht nur wegen der Corona-Pandemie alles andere als rosig ausgefallen ist. „Wir haben errechnet, dass die Schreinerei im vergangenen Jahr rund 20 000 Euro Verlust erwirtschaftet hat." Und das, obwohl sie einen sehr engagierten und vielfach talentierten Abteilungsleiter habe.
Doch die Arbeit mit Langzeitarbeitslosen und teilweise perspektivlosen Jugendlichen erfordere viel Zeit. „Das ist ein beschützter Beschäftigungsrahmen", ist Mayer bewusst, da gehe die Arbeit nur langsam vonstatten – das aber könne nicht auf den Preis der dort hergestellten Waren umgelegt werden.
„Ich werde mich von der Schreinerei trennen müssen", diesen schweren Entschluss hat nun die Geschäftsführerin gefasst. Damit wird in nächster Zeit im Unternehmen Chance einiges um- und neuorganisiert. So will Mayer die Gesamtfläche verkleinern: Die GWG als Vermieterin nehme jene rund 120 Quadratmeter aus dem Mietvertrag heraus, auf dem sich derzeit noch hohe Regale mit gut erhaltenen Büchern, Sozialräume und die Fahrradwerkstatt befinden. „Das spart uns Miete", stellt Mayer fest. Fahrräder sollen nun auf einer knapp 25 Quadratmeter großen Teilfläche der bisherigen Schreinerei repariert werden, das Holzteam dort nur noch kleine Reparaturarbeiten an gespendeten Möbeln erledigen. Wobei es „betriebsbedingte Kündigungen" nach Mayers Worten im Unternehmen Chance nicht geben wird:
Der Schreiner habe zwar seinen 60. Geburtstag schon hinter sich, sei aber so vielfältig talentiert, dass die Geschäftsführerin ihn auf jeden Fall als Mitarbeiter behalten will. Den großen Rest der bisherigen Schreinereifläche will Mayer dann als weitere Verkaufsfläche nutzen, unter anderem für die Bücher.
„Die Aufsichtsräte haben bereits ihr einstimmiges Okay für diese Veränderungen gegeben", so die Geschäftsführerin im Gespräch mit der LZ. So endet die Schließzeit für das Sozialkaufhaus mit einem Neustart. „Ich sehe durchaus eine gute Zukunft für das Unternehmen Chance", sagt Claudia Mayer überzeugt. Bedingt auch durch den Einstieg des ZAK – weil Lindau nach ihren Worten nun im Verbund mit den drei weiteren ZAKKaufhäusern in ein gutes Netzwerk eingebunden ist.
Claudia Mayer
„Unsere Umsätze sind komplett weggebrochen.“
„Ich sehe durchaus eine gute Zukunft für das Unternehmen Chance.“