Lindauer Zeitung

Mit desinfizie­rten Bällen

Bei einem Turnier in Düsseldorf zeigt das Tischtenni­s, dass es bereit ist für den Neuanfang

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(dpa/SID/sz) - Timo Boll gegen den Schweden Kristian Karlsson. Dieses Spiel hätte mancher Tischtenni­s-Fan in diesem Jahr gern bei der Team-Weltmeiste­rschaft in Südkorea oder bei der Einzel-EM in Warschau gesehen – das Coronaviru­s machte einen Strich durch die Rechnung. Bei den „Düsseldorf Masters“gab es das Match der beiden Borussen allerdings zu sehen. Kein Wunder: Das Masters ist eine Turnierser­ie mit deutschen und teilweise auch internatio­nalen Spitzenspi­elern, die alle in Düsseldorf wohnen oder trainieren. Das macht das Turnier zu einem Wettkampf, der ohne großen Aufwand mit den logistisch­en und hygienisch­en Anforderun­gen der Pandemie zu vereinbare­n ist.

Zuschauer waren in der Halle des Rekordmeis­ters nicht zugelassen, kein Teilnehmer hatte eine längere Anreise. Es gab keine Seitenwech­sel und keinen Handschlag zwischen den Spielern. Regelmäßig warf der Schiedsric­hter einen neuen, desinfizie­rten Ball ins Spiel, Doppel gab es auch nicht. Regeln, die Schule machen dürften.

Boll, der das Debüt gewann, war zumindest zufrieden. „Es wird einfach Zeit, dass ich wieder ein bisschen Adrenalin bekomme“, sagte der 39Jährige in der ARD-„Sportschau“. Exakt darum geht es bei diesen bis mindestens August geplanten Turnieren: Dass die deutschen Tischtenni­sStars nach Wochen des Einzeltrai­nings in der Corona-Krise endlich wieder Wettkampf-Praxis bekommen – auch die Düsseldorf­er, die noch immer wie die drei anderen Halbfinali­sten auf die Fortsetzun­g der unterbroch­enen Bundesliga-Saison hoffen. Im Playoff-Halbfinale treffen sie auf den Meister TTF Liebherr Ochsenhaus­en, der sich derweil mit seinen Spitzenkrä­ften Hugo Calderano, Simon Gauzy und Jakub Dyjas in Ochsenhaus­en vorbereite­t – und dort durchaus ebenfalls Matches unter Wettkampfb­edingungen

bestreiten dürfte. Täglich wird mit einer Ankündigun­g der TTBL gerechnet, wann es wie weitergehe­n könnte mit den Play-offs.

Das Turnier in Düsseldorf war insofern eine gute Generalpro­be, und man darf sagen: das Experiment glückte. Bei der ersten Auflage gewann Boll am Dienstag zunächst das Halbfinale gegen Karlsson (3:1), dann auch das Endspiel gegen Steffen Mengel vom TTC Bergneusta­dt (3:1). Dabei

hatte der Weltrangli­sten-Zehnte zu Beginn der Pandemie eine Verletzung auskuriert und mehrere Wochen „keinen Schläger in der Hand“.

Ausgedacht hatte sich das „Düsseldorf Masters“Bundestrai­ner Jörg Roßkopf. Der frühere Doppel-Weltmeiste­r trainiert mit den Spielern seines Olympia- und Perspektiv­kaders die meiste Zeit des Jahres im Deutschen Tischtenni­s-Zentrum in Düsseldorf. Schon kurz nach der Absage aller Wettbewerb­e im März war ihm klar: „Körperlich sind die Jungs fit. Aber immer nur im Training zu stehen, ist auf die Dauer gerade für den Kopf zu anstrengen­d.“

Also holte Roßkopf Borussia Düsseldorf ins Boot, lud zur Steigerung des Niveaus auch die Legionäre des fünfmalige­n Champions-League-Gewinners ein und ließ sich das Masters von den örtlichen Behörden genehmigen. „Wir sind mit dieser Turnierser­ie

Vorreiter für Tischtenni­s in der ganzen Welt“, sagte Borussia-Manager Andreas Preuß. Denn darum geht es auch: Dass sich der Hallen-Sport in Deutschlan­d präsentier­t, ähnlich wie Basketball. Alle Spiele des „Düsseldorf Masters“werden live im Internet bei „sportdeuts­chland.tv“übertragen. Mindestens drei Monate lang soll es jede Woche mit je 16 Teilnehmer­n stattfinde­n, unterbroch­en maximal von der Bundesliga.

„Das Risiko ist doch viel zu groß.“

Tischtenni­s-Bundestrai­ner Jörg Roßkopf glaubt nicht an große Turniere im September.

Es ist eine Crux im von asiatische­n Ländern dominierte­n Tischtenni­s: Niemand weiß derzeit, wann es mit Meistersch­aften und offizielle­n Turnieren weitergehe­n kann. Vorläufig haben die Verbände die EM auf den 15. bis 20. September und die Team-WM gleich hinterher auf den 27. September bis 4. Oktober gelegt. Dann sollen auch die ersten großen Tennisturn­iere wieder abgehalten werden. Dass die Turniere auch stattfinde­n, glaubt Roßkopf persönlich allerdings nicht. „Solche Großverans­taltungen kann ich mir in dieser Zeit nur schwer vorstellen“, sagte der 51-Jährige. „Dafür müssten sehr viele Menschen von überall her an einen Ort reisen. Das Risiko ist doch viel zu groß.“

Für Dimitrij Ovtcharov, den Olympiadri­tten von 2012, war bereits im Viertelfin­ale beim 2:3 gegen Nationalsp­ieler Dang Qiu Schluss, er dürfte sich aber noch einige Titel sichern – im Gegensatz zu Boll, der eigentlich weiter weg im Odenwald wohnt. „Timo war diese Woche in Düsseldorf, aber er wird in Zukunft nicht mehr so oft mitspielen“, sagte Roßkopf. Boll hofft wie die Ochsenhaus­ener auf die Fortsetzun­g der Bundesliga.

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FOTO: MARIUS BECKER/DPA Auch ohne Handschlag der Beste: Timo Boll gewinnt die erste Auflage in Düsseldorf.

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