Jasmin Tabatabai setzt sich über Genregrenzen hinweg
Auf dem Album „Jagd auf Rehe“interpretiert sie Songs von Reinhard Mey, den Beatles und Annie Lennox
(dpa) - „Leise flehen meine Lieder“, flüstert Jasmin Tabatabai. Als ersten Song auf ihrer neuen CD hat sie sich Franz Schuberts „Ständchen“ausgesucht, das sie nun ins Mikrofon haucht. Irgendwann setzt ein Trompeten-Solo ein. Das Lied komponierte Schubert wenige Wochen vor seinem Tod 1828, ein melancholisches Sehnen nach der Geliebten. Das Arrangement eines klassischen Kunstlieds zum Einstieg in eine CD mit Jazz, Pop- und Rocktiteln?
„Ich war zunächst skeptisch“, sagt die Schauspielerin und Sängerin. Nicht sie, sondern David Klein, der Schweizer Produzent, mit dem Tabatabai schon lange zusammenarbeitet, habe den Titel vorgeschlagen. Und sie war dann überzeugt. „Jedes Lied hat sein eigenes Geheimnis. Es geht darum, dass man das nie zu fassen kriegt und knackt.“
Und es geht weiter mit den Rätseln. Mit dem CD-Titel zum Beispiel: „Jagd auf Rehe“. Ja, gibt Tabatabai zu, man stolpere darüber. „Jagd auf Rehe“(Shekare Ahoo) ist ein altes persisches Volkslied, ein trauriges Liebeslied. „Singt hier jemand davon, dass er selber gejagt und erlegt wird durch den Blick des Geliebten oder der Geliebten?“. Es bleibt ungewiss.
Die Deutsch-Iranerin kehrt immer wieder zu ihren Wurzeln zurück. Iran – „das ist das Land meiner Kindheit“Dieses Lied drücke ihre Sehnsucht nach seinen Menschen aus – und die Gedanken an ihr
Schicksal. Die wirtschaftlichen Sanktionen und die Corona-Pandemie hätten die Lage extrem verschärft. „Die Leute werden vom Regime komplett allein gelassen.“
Die Tochter einer Deutschen und eines Iraners war 1978 nach der Revolution der Mullahs nach Deutschland gekommen. „Wir dachten eigentlich, die Lage beruhigt sich wieder im Iran und wir können bald zurückkommen“, erinnerte sie sich.
Doch sie blieb mit Geschwistern und Mutter in München. Ihr Vater kehrte in die Heimat zurück und starb dort.
Musik hat Tabatabai ihre ganze Karriere begleitet. Mit dem Film „Bandits“, in dem sie eine Rocksängerin spielt, wurde sie 1997 bekannt. Die Songs aus dem Film kamen zum großen Teil von ihr, der Soundtrack verkaufte sich 700 000 mal. Zur Zeit ist sie als Ermittlerin in der ZDF-Serie „Letzte Spur Berlin“als Kommissarin
Mina Amiri präsent, mittlerweile in der neunten Staffel.
So springt Tabatabai über die Genres – auch musikalisch. Von Nick Drakes „River Man“bis zu „Why“von Annie Lennox oder „Hey Jude“für ihre neue CD erfolgte die Wahl der Titel „nach Instinkt“. Es gehe ihr um Songs, „die gut zu mir und meiner Stimme passen, und um Geschichten und Protagonisten, in die ich mich einfühlen kann.“Da fällt Reinhard Meys „Männer im Baumarkt“etwas aus dem Rahmen. Die Songs des Liedermachers sind Tabatabai ans Herz gewachsen. Mey habe „diesen feinen, eleganten Humor, diese liebevolle Art, auf die Dinge zu gucken“. Richtig in ihrem Element ist sie, wenn sie etwa Hildegard Knefs Version von Cole Portes „Sei mal verliebt“anschlägt. Tabatabai kann bei ihrer Wahl frei agieren, mit ihrer eigenen Produktionsfirma hat sie diesen Spielraum – und das finanzielle Risiko. Dafür setzt sie erlesene Analog-Technik ein. „Das ist unmodern und kostet sehr viel Geld.“Die sei aber nur mit Mäzenen und Gönnern möglich.
Wie geht Tabatabai mit den Einschränkungen durch die CoronaPandemie und abgesagte Konzerte um? Sie bleibt entspannt. „Ich kann ja nicht in Panik verfallen. Wir machen das Beste daraus. Und im Herbst spielen wir ja auch wieder Konzerte.“In den vergangenen Wochen ist die Mutter von drei Kindern ohnehin „komplett absorbiert gewesen“– mit Betreuung und Unterricht zu Hause.