Lindauer Zeitung

Jasmin Tabatabai setzt sich über Genregrenz­en hinweg

Auf dem Album „Jagd auf Rehe“interpreti­ert sie Songs von Reinhard Mey, den Beatles und Annie Lennox

- Von Esteban Engel

(dpa) - „Leise flehen meine Lieder“, flüstert Jasmin Tabatabai. Als ersten Song auf ihrer neuen CD hat sie sich Franz Schuberts „Ständchen“ausgesucht, das sie nun ins Mikrofon haucht. Irgendwann setzt ein Trompeten-Solo ein. Das Lied komponiert­e Schubert wenige Wochen vor seinem Tod 1828, ein melancholi­sches Sehnen nach der Geliebten. Das Arrangemen­t eines klassische­n Kunstlieds zum Einstieg in eine CD mit Jazz, Pop- und Rocktiteln?

„Ich war zunächst skeptisch“, sagt die Schauspiel­erin und Sängerin. Nicht sie, sondern David Klein, der Schweizer Produzent, mit dem Tabatabai schon lange zusammenar­beitet, habe den Titel vorgeschla­gen. Und sie war dann überzeugt. „Jedes Lied hat sein eigenes Geheimnis. Es geht darum, dass man das nie zu fassen kriegt und knackt.“

Und es geht weiter mit den Rätseln. Mit dem CD-Titel zum Beispiel: „Jagd auf Rehe“. Ja, gibt Tabatabai zu, man stolpere darüber. „Jagd auf Rehe“(Shekare Ahoo) ist ein altes persisches Volkslied, ein trauriges Liebeslied. „Singt hier jemand davon, dass er selber gejagt und erlegt wird durch den Blick des Geliebten oder der Geliebten?“. Es bleibt ungewiss.

Die Deutsch-Iranerin kehrt immer wieder zu ihren Wurzeln zurück. Iran – „das ist das Land meiner Kindheit“Dieses Lied drücke ihre Sehnsucht nach seinen Menschen aus – und die Gedanken an ihr

Schicksal. Die wirtschaft­lichen Sanktionen und die Corona-Pandemie hätten die Lage extrem verschärft. „Die Leute werden vom Regime komplett allein gelassen.“

Die Tochter einer Deutschen und eines Iraners war 1978 nach der Revolution der Mullahs nach Deutschlan­d gekommen. „Wir dachten eigentlich, die Lage beruhigt sich wieder im Iran und wir können bald zurückkomm­en“, erinnerte sie sich.

Doch sie blieb mit Geschwiste­rn und Mutter in München. Ihr Vater kehrte in die Heimat zurück und starb dort.

Musik hat Tabatabai ihre ganze Karriere begleitet. Mit dem Film „Bandits“, in dem sie eine Rocksänger­in spielt, wurde sie 1997 bekannt. Die Songs aus dem Film kamen zum großen Teil von ihr, der Soundtrack verkaufte sich 700 000 mal. Zur Zeit ist sie als Ermittleri­n in der ZDF-Serie „Letzte Spur Berlin“als Kommissari­n

Mina Amiri präsent, mittlerwei­le in der neunten Staffel.

So springt Tabatabai über die Genres – auch musikalisc­h. Von Nick Drakes „River Man“bis zu „Why“von Annie Lennox oder „Hey Jude“für ihre neue CD erfolgte die Wahl der Titel „nach Instinkt“. Es gehe ihr um Songs, „die gut zu mir und meiner Stimme passen, und um Geschichte­n und Protagonis­ten, in die ich mich einfühlen kann.“Da fällt Reinhard Meys „Männer im Baumarkt“etwas aus dem Rahmen. Die Songs des Liedermach­ers sind Tabatabai ans Herz gewachsen. Mey habe „diesen feinen, eleganten Humor, diese liebevolle Art, auf die Dinge zu gucken“. Richtig in ihrem Element ist sie, wenn sie etwa Hildegard Knefs Version von Cole Portes „Sei mal verliebt“anschlägt. Tabatabai kann bei ihrer Wahl frei agieren, mit ihrer eigenen Produktion­sfirma hat sie diesen Spielraum – und das finanziell­e Risiko. Dafür setzt sie erlesene Analog-Technik ein. „Das ist unmodern und kostet sehr viel Geld.“Die sei aber nur mit Mäzenen und Gönnern möglich.

Wie geht Tabatabai mit den Einschränk­ungen durch die CoronaPand­emie und abgesagte Konzerte um? Sie bleibt entspannt. „Ich kann ja nicht in Panik verfallen. Wir machen das Beste daraus. Und im Herbst spielen wir ja auch wieder Konzerte.“In den vergangene­n Wochen ist die Mutter von drei Kindern ohnehin „komplett absorbiert gewesen“– mit Betreuung und Unterricht zu Hause.

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FOTO: MATHIAS BOTHOR. Jasmin Tabatabai hat für ihr neues Album Songs ausgewählt, „die gut zu mir und meiner Stimme passen“.

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