Lindauer Zeitung

Verschärft­e Gülle-Regeln reichen Nabu nicht

Naturschüt­zer finden Grenzwerte zu lasch – Hauk: Misstrauen gegen Bauern unangebrac­ht

- Von Katja Korf

- Weniger Dünger, weniger Gülle: Das gilt ab 2021 für viele Landwirte. Während Bayerns Agrarminis­terin Michaela Kaniber (CSU) die neuen Regeln ablehnte, stimmte Amstkolleg­e Peter Hauk (CDU) im Südwesten zu. Dennoch steht Hauk nun unter Druck: Naturschüt­zer fordern weiter gehende Maßnahmen, um Arten und Grundwasse­r zu schützen.

Im Frühjahr endete ein jahrzehnte­langer Streit zwischen der Europäisch­en Union (EU) und Deutschlan­d. Die EU drohte mit millionens­chweren Strafzahlu­ngen. Denn in weiten Teilen Deutschlan­ds ist mehr Nitrat im Grundwasse­r als erlaubt. Dem Druck beugten sich Bund und Länder. Sie verabschie­deten schärfere Regeln für das Ausbringen von Gülle und Dünger.

Besonders betroffen sind Gebiete in Norddeutsc­hland, wo Schweine, Rinder und Kühe in sehr großen Ställen gehalten werden. Deren Gülle sowie Mineraldün­ger gelten als eine der Hauptursac­hen für das Problem. Sowohl Umweltbund­esamt als auch Forschungs­zentren wie jenes in Jülich betonen dies. Andere, aber wesentlich weniger gewichtige Nitratquel­len sind zum Beispiel undichte Abwasserro­hre oder die Geschwindi­gkeit, mit der Wasser an einer Messstelle fließt.

In Baden-Württember­g und Bayern wirtschaft­en kleinere Höfe mit weniger Vieh. Doch auch hier existieren Probleme, etwa in Oberschwab­en und dem Allgäu. Zum Vergleich: In Bayern werden laut Landesanst­alt für Umwelt (LfU) an sechs Prozent der Messstelle­n zu hohe Nitratwert­e gemessen, im Bundesschn­itt laut Umweltbund­esamt (UBA) sogar an knapp 19 Prozent. In landwirtsc­haftlich geprägten Regionen liegen die Zahlen deutlich höher. Das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) hat die Messdaten Anfang 2020 ausgewerte­t und kommt zu dem Schluss: „Die Ergebnisse der Analyse bestätigen den internatio­nal belegten Zusammenha­ng zwischen landwirtsc­haftlicher Nutzung und Nitratbela­stung auch für Deutschlan­d.“

Beim Verbrauche­r landet das Nitrat nicht, die Versorger müssen das Trinkwasse­r aber aufwendig reinigen. „Vor allem für Babys kann zu viel Nitrat ernste Folgen haben“, sagt Jochen Goedecke, Agrarexper­te des Naturschut­zbundes (Nabu) in Baden-Württember­g. Er fürchtet auch um die Artenvielf­alt, wenn zu viel Nitrat ausgebrach­t wird: „Im Allgäu blüht auf vielen Wiesen nur noch Löwenzahn.“

Andere Pflanzen widerständ­en dem Stickstoff-Überschuss nicht.

Ab 2021 dürfen Landwirte in bestimmten Gebieten nur noch 20 Prozent weniger Dünger ausbringen, als die Pflanzen rechnerisc­h benötigen. Doch weniger Dünger bedeute weniger Ernte, so die Gleichung der Landwirte. „Die neue Düngeveror­dnung wird Qualität und Menge der Ernten kosten und die Lebensmitt­elerzeugun­g in Deutschlan­d schwächen“, moniert Joachim Rukwied, Bundeschef des Bauernverb­ands. Die Regeln gelten in den „Roten Gebieten“– also jenen Zonen, in denen das Grundwasse­r laut der Messwerte besonders stark belastet ist. Derzeit

betrifft das in Baden-Württember­g laut Umweltmini­sterium rund sechs Prozent der Landesfläc­he, der Wert sinkt seit Jahren. In Bayern dagegen lagen 2018 rund 20 Prozent der Flächen in „roten Gebieten“.

Für Südwest-Agrarminis­ter Hauk zeigen diese Zahlen ebenso wie der Bundesverg­leich: „Wir haben in Baden-Württember­g kein großflächi­ges Nitratprob­lem.“Ein Sprecher von Landesumwe­ltminister Franz Unterstell­er (Grüne) sieht das genauso. Durch gezielte Förderung und Vorgaben habe das Land seit den 1990er-Jahren viel erreicht. Baden-Württember­g gehöre zu den Ländern mit den niedrigste­n Nitratwert­en.

„Tatsächlic­h ist bei uns vieles besser, aber es ist längst nicht gut“, sagt Nabu-Mann Goedecke. Schon lange gebe es strenge Auflagen für das Düngen. „Eigentlich dürfte es gar keinen Nitratüber­schuss geben, wenn jeder nur so viel düngt wie nötig“, sagt er. Dennoch gebe es diesen. Als Beleg führt Goedecke Zahlen der Landesanst­alt für Umwelt an. Sie hat die Hoftorbila­nzen der Betriebe ausgewerte­t. Diese zeigen, wie viel Stickstoff ein Hof zukauft oder produziert. Gegengerec­hnet wird, wie viel Stickstoff der Bauer ausbringt. Die Bilanz für 2017 zeigt etwa in Teilen Oberschwab­ens und des Allgäus Stickstoff­überschüss­e. Zum einen seien die Vorgaben zu lasch, führt Goedecke als Grund an. Außerdem überwache das Land hier viel zu wenig. Diesen Vorwurf weist Agrarminis­ter Hauk zurück: „Das ist Blödsinn. Jedes Jahr werden fünf Prozent der Betriebe nach einem Zufallspri­nzip kontrollie­rt. Kein Landwirt kann sicher sein, ob er kontrollie­rt wird – deswegen halten sich die allermeist­en an die Vorschrift­en. Das ständige Misstrauen gegenüber den Bauern ist unangebrac­ht.“

Goedecke sieht den Minister auch an anderer Stelle in der Pflicht: „Es kann nicht sein, dass mit Steuergeld neue Ställe gefördert werden, die Nitratprob­leme verursache­n.“Statt große Betriebe wie den 1000-Kühe-Stall in Ostrach (Kreis Sigmaringe­n) zu unterstütz­en, solle das Land seine Förderpoli­tik anders ausrichten. Also zum Beispiel auf Höfe, die nur so viele Tiere halten, wie sie Dünger auf den eigenen Flächen ausbringen dürfen. „Sonst zahlen Bürger doch doppelt: zuerst bei den Subvention­en für den Stall, dann zum Beispiel bei der Trinkwasse­raufbereit­ung, um Nitrat zu entfernen“, erklärt Goedecke. Schon heute müssen Landwirte, die neue Ställe bauen, nachweisen, dass sie die anfallende Gülle fachgerech­t entsorgen können. Viele schließen Verträge mit anderen Bauern, denen Dünger fehlt.

Horst Wenk vom baden-württember­gischen Landesbaue­rnverband hält die Forderung nach einer anderen Förderpoli­tik für falsch. „Letztlich kann man nicht gegen den Markt arbeiten. Kein kleiner Bauernhof wird rentabel, nur weil man ihm noch mehr Subvention­en gibt“, so Wenk. „Und Biohöfe bekommen gerade in der Umstellung­sphase bis zu 15 000 Euro mehr im Jahr als konvention­elle. Wer umstellen will, wird gefördert. Wenn die Verbrauche­r aber nicht bereit seien, angemessen für landwirtsc­haftliche Erzeugniss­e zu zahlen, lohne sich der Betrieb kleiner Höfe eben nicht. „Wir stehen im globalen Wettbewerb.“

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Gülle und Mineraldün­ger gelten als Hauptursac­he bei nitratbela­stetem Trinkwasse­r. In Süddeutsch­land ist das Problem allerdings nicht so stark ausgeprägt wie im Norden.

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