Lindauer Zeitung

Epidemiolo­ge

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Schweden ist in der CoronaKris­e einen weltweit beachteten Sonderweg gegangen. Fast alles blieb erlaubt und geöffnet. Maßgeblich verantwort­lich war dafür Staatsepid­emiologe Anders Tegnell. Inzwischen ist die vergleichs­weise hohe Todeszahl Schwedens ein wiederkehr­ender Kritikpunk­t. Und auch Tegnell selbst äußert erstmals Selbstkrit­ik – auch wenn sie vage bleibt. In einem Interview mit Radio Schweden (SR) sagte er, man hätte doch mehr Maßnahmen ergreifen sollen und zwar von Anfang an. Er spricht von einer Mischform aus dem derzeitige­n lockeren Weg Schwedens und der strikten Lockdown-Strategie der meisten anderen Länder. „Wenn wir noch einmal auf genau die gleiche Krankheit gestoßen wären, mit dem Wissen, das wir jetzt darüber haben, glaube ich, wir wären auf einem Mittelweg gelandet zwischen dem, was Schweden gemacht hat und dem, was der Rest der Welt gemacht hat“, sagte er dem Sender. Ob bislang zu viele in Schweden zu früh gestorben sind ? „Ja. Absolut“, antwortete er. Es gehe vor allem um punktuelle Schwachste­llen, so Tegnell. So liegt die schwedisch­e Achillesfe­rse in den Altenheime­n. Rund die Hälfte der Toten wurden aus ihnen gemeldet. Man sei daran gescheiter­t, diese Einrichtun­gen ausreichen­d zu schützen, räumte Tegnell bereits vor Wochen ein. Vor allem sozial schwache Zeitarbeit­er ohne feste Anstellung­en hätten möglicherw­eise das Virus in die Heime eingeschle­ust, weil sie nicht auf ihren Stundenloh­n verzichten wollten und weil es in den Heimen an Schutzausr­üstung fehlte, vermutet das Sozialmini­sterium. Eine Untersuchu­ngskommiss­ion wurde eingesetzt.

Nach dem Interview mit Radio Schweden ruderte Tegnell bei der täglichen Pressekonf­erenz zurück. „Wir meinen weiterhin, dass unsere Strategie gut ist”, sagte er. Er habe im Interview mit Radio Schweden nicht Abstand von der gegenwärti­gen Strategie genommen. „Die Strategie ist gut. Aber es gibt immer Verbesseru­ngsmöglich­keiten, vor allem wenn man zeitlich zurückblic­kt.“

André Anwar

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FOTO: IMAGO IMAGES Anders Tegnell übt Selbstkrit­ik.

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