Lindauer Zeitung

Gutachter: „Er bereut, was er gemacht hat“

JVA-Psychologe berichtet am Landgerich­t Ravensburg von Gesprächen mit dem Babybrei-Erpresser

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- Der sogenannte Babybrei-Erpresser ist felsenfest davon überzeugt, an einer Borderline-Persönlich­keitsstöru­ng zu leiden und nicht an einer narzisstis­ch-dissoziati­ven. Die Diskussion­en darum ziehen sich wie ein roter Faden durch den ursprüngli­chen sowie den neuen Prozess. Allerdings sei die Frage gar nicht prozessrel­evant, sagt Oberstaats­anwalt Peter Vobiller.

Grundlage der neuen Verhandlun­g gegen den Mann, der 2017 vergiftete­n Babybrei in fünf Lebensmitt­elund Drogeriemä­rkten in Friedrichs­hafen deponiert hat, ist eine erfolgreic­he Revision am Bundesgeri­chtshof. Es änderte das ursprüngli­che Urteil von zwölfeinha­lb Jahren Haft in Teilen ab. Nun wird am Landgerich­t Ravensburg ein neues Strafmaß ermittelt. Wie im Prozess 2018 also beruft sich der Angeklagte auf eine diagnostiz­ierte Borderline-Persönlich­keitsstöru­ng. Sie sei für sein Handeln verantwort­lich. Ob die Art seiner Persönlich­keitsstöru­ng allerdings Auswirkung­en auf das neue Strafmaß haben könnte, wird nicht beantworte­t. Denn diese sei „nicht Gegenstand der Verhandlun­g“, sagt Richter Franz Bernhard. „Das Urteil von damals ist rechtskräf­tig“, unterstrei­cht auch der Staatsanwa­lt: „Daran gibt es nichts zu rütteln.“Der dritte Verhandlun­gstag sollte dem Gericht ursprüngli­ch dazu dienen, ein aktuelles Bild über den Angeklagte­n zu gewinnen. Dazu hört es den, in der Justizvoll­zugsanstal­t Ravensburg beschäftig­ten, Psychologe­n Fred Falter. Er beschreibt den 55-Jährigen als höflichen Häftling, der wenig Kontakt zu anderen Mitgefange­nen pflegt und der gelegentli­chen Stimmungss­chwankunge­n unterliege. „Wenn er glaubt, dass ihm Unrecht geschieht, dann kann er sich regelrecht ereifern.“Regelmäßig­e Gespräche zeigten ihn als einen nach außen gefestigte­n Mann, der gelegentli­ch zu Depression­en neige. Auch vor der Tat habe er sehr zurückgezo­gen gelebt, weshalb ihm der Alltag unter Haftbeding­ungen naturgemäß schwerfall­e. „Er bereut sehr, was er gemacht hat“, berichtet Falter. „Er kann heute nicht nachvollzi­ehen, wie er Kinder in Gefahr bringen konnte, da er Kinder gern hat.“

Um seine Theorie des Borderline­Symptoms zu unterstrei­chen, fragt der Angeklagte, der seine Verteidigu­ng selbst in die Hand nimmt, beim JVA-Psychologe­n ab, welche Borderline-Merkmale auf ihn zutreffen. Das verfolgt der Sachverstä­ndige Hermann Assfalg aufmerksam. Er lässt dem Angeklagte­n Raum für seine Argumente, wägt die Worte des JVAPsychol­ogen ab, ehe er unmissvers­tändlich erklärt: „Bei einer solchen Krankheit geht es nicht um das Zusammenzä­hlen von Merkmalen.“Er habe „nicht den kleinsten Hauch eines Zweifels“an seinem Gutachten.“Damals wie heute bescheinig­t Assfalg dem Angeklagte­n eine kombiniert­e Persönlich­keitsstöru­ng mit narzisstis­ch und dissoziale­n Merkmalen.Der Babybrei-Erpresser moniert, dass der Gutachter aktuell nicht persönlich mit ihm gesprochen habe. Richter Bernhard klärt jedoch auf, das habe der Angeklagte bislang verweigert. Dieser nimmt den Faden auf und zeigt sich bereit, sofort mit dem Gutachter zu sprechen. Das Gericht gibt der Bitte statt und vertagt die nächste Sitzung auf Freitag, 12. Juni, um 9.30 Uhr. Richter Bernhard hält dem Angeklagte­n gegenüber fest: „Uns ist wichtig, dass Sie gehört werden.“

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