Amtsgericht Kempten verurteilt Lkw-Fahrer wegen fahrlässiger Tötung
Bei Unfall auf der Bundesstraße 12 bei Weitnau starb ein 27-Jähriger – Der Verursacher ist seit dem Vorfall in psychiatrischer Behandlung
- Am frühen Morgen des 11. Dezember 2018 schneit und windet es heftig. Ein Sattelschlepper, der aus Richtung Kempten kommt, gerät auf der B 12 zwischen Hellengerst und Weitnau auf schneebedeckter Fahrbahn ins Schlingern, dreht sich – und stößt mit einem entgegenkommenden Auto zusammen. Dessen 27-jähriger Fahrer stirbt wenige Tage später an seinen Verletzungen. Der Lkw-Fahrer erleidet ein Trauma, seitdem ist er in psychiatrischer Behandlung und kann nicht mehr arbeiten. Am Dienstag muss er sich vor dem Amtsgericht Kempten wegen fahrlässiger
Tötung verantworten. Das Urteil: Geldstrafe und Fahrverbot.
Der Unfall ereignet sich in der S-Kurve, in der die vierspurige Straße zweispurig wird. Laut dem Fahrtenschreiber fährt der Sattelschlepper mit 70 km/h auf diesen Bereich zu und bremst runter auf 62 bis 68 km/h, erklärt vor Gericht ein Gutachter. „Er ist nicht gerast.“Bei bis zu 53 km/h wäre trotz Glatteises alles gut gegangen, rechnet der Sachverständige vor. So allerdings verliert der damals 51-jährige Fahrer aus NordrheinWestfalen die Kontrolle über den Sattelschlepper. Zugmaschine und Auflieger – also der Anhänger – drehen sich in entgegengesetzte Richtungen und geraten auf die Gegenfahrbahn.
Der dort fahrende 27-Jährige hat keine Zeit mehr zu reagieren. Sein Wagen wird durch den Aufprall entgegen der eigenen Fahrtrichtung geschleudert und um 180 Grad gedreht. Der Tacho bleibt bei 55 km/h stehen. Der Sattelschlepper klappt wie ein Taschenmesser zusammen.
Der Verteidiger führt zunächst technische Probleme als mögliche Ursache ins Feld. Ob wirklich ausgeschlossen werden könne, dass Antiblockiersystem (ABS) und elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP) defekt waren und den Unfall verursachten?, fragt er den Gutachter. Ein Sachverständiger der Verteidigung halte das für möglich. Ausgeschlossen, hält der Gutachter dagegen: Sobald
diese Systeme Ausfälle aufzeigen, würde dies dem Fahrer mit Warnleuchten und Warnton deutlich mitgeteilt. „Meiner Erfahrung nach berufen sich Fahrer dann im Falle eines Unfalls sofort auf einen solchen Defekt.“Der 51-Jährige dagegen machte gegenüber der Polizei gar keine Angaben. Weiter argumentiert der Gutachter: Treten bei diesen Systemen Fehler auf, wird automatisch jede Bremsung als Vollbremsung ausgeführt. Das soll Fahrer bewegen, ihr Fahrzeug schnellstmöglich reparieren zu lassen. Der Gutachter schließt zudem aus, dass der 27-Jährige selbst auf die Gegenfahrbahn gekommen war.
Die Staatsanwaltschaft fordert daraufhin als Strafe 120 Tagessätze á 30 Euro und ein dreimonatiges Fahrverbot. „Es handelt sich hier um Augenblicksversagen.“Das unterstreicht der Verteidiger und betont die „massiven gesundheitlichen Folgen“seines Mandanten. Seit dem Unfall habe dieser nicht mehr gearbeitet. Zu fahren traue er sich nur noch mit einem Pkw – und auch das nur noch in bekanntem Umfeld. Der Anwalt plädiert für 60 Tagessätze ohne Fahrverbot.
Richter Peter Koch verurteilt den Mann schließlich zu 90 Tagessätzen zu je 30 Euro. Hinzukommt ein zweimonatiges Fahrverbot: „Sie haben in dem Jahr mehrmals Punkte wegen erhöhter Geschwindigkeit erhalten – und trotzdem waren Sie wieder zu schnell.“Zwar hält er ihm zugute, dass es bei derart widrigen Straßenbedingungen leichter zu Fehleinschätzungen komme. Zudem habe er zuvor abgebremst. Allerdings treffe ihn als Fahrer eines so großen und schweren Fahrzeugs eine erhöhte Sorgfaltspflicht. Bei solch schlechten Bedingungen dürfe man da nicht derart im Grenzbereich fahren. Das Verfahren einzustellen, sei deshalb ausgeschlossen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Während der Verhandlung äußert sich der Angeklagte nicht. Im Anschluss wendet er sich an die Presse: Er entschuldige sich bei den Angehörigen und spreche sein herzliches Beileid aus.