Lindauer Zeitung

Besuch im weltgrößte­n Schweinemu­seum

Ausstellun­g zeigt, wie Schweine unseren Alltag prägen und wo wir ihnen ähneln

- Von Judith Kubitschec­k

- Schon von außen ist das Stuttgarte­r Schweinemu­seum zu erkennen: Eine Straßenbah­n — die ehemalige Schweizer „Säuli-Tram“mit Schweineko­pf — sowie ein Skulpturen­garten stimmen auf das rosa Borstentie­r ein. Auf zwei Stockwerke­n wird in 27 Themenräum­en die Sau rausgelass­en: Wie könnte es anders sein, beginnt ein Museum im ehemaligen Schlachtho­f mit dem Schlachten und Haltbarmac­hen von Schweinefl­eisch. Anschließe­nd erfährt der Besucher in einem Raum mit Waldgeräus­chen etwas übers Wildschwei­n und die Wildschwei­njagd.

Ein lebensgroß­es Schweinesk­elett im Labor zeigt, dass Menschen den Schweinen sehr ähnlich sind: So gleichen die Organe in Form und Größe denen der Menschen, weshalb womöglich schon bald Schweinehe­rzen in Menschen schlagen könnten. Kein Tier hat unsere Sprache so geprägt wie das Schwein. Selbst Vegetarier nehmen die Worte Schwein oder Sau in den Mund, wenn sie von einer „Sauerei“sprechen oder davon, dass man Perlen nicht vor die Säue werfen soll. Ein ganzer Raum widmet sich deshalb den Redewendun­gen rund um das Borstentie­r.

Im „Tresorraum“sind mehr als 2000 Sparschwei­ne von insgesamt 5000 Museums-Exemplaren ausgestell­t. Seit dem 13. Jahrhunder­t gibt es bereits Sparschwei­ne — wahrschein­lich, weil sich die Vermehrung­sfreude und schnelle Gewichtszu­nahme der Schweine auf die Ersparniss­e übertragen sollen. Ein echter Sauhaufen – eine 2,50 Meter hohe Pyramide aus rosa Plüsch-Schweinen– zeigt, dass die geselligen und sehr berührungs­freudigen Tiere schon bald als Kuscheltie­re entdeckt wurden. Bereits im Steiff-Katalog von 1892 ist ein

Kuschel-Schwein dargestell­t – ganze zehn Jahre früher als der berühmte Teddy-Bär.

In vielen Religionen der Welt hat das Schwein eine Funktion. Die älteste Figur einer ägyptische­n Schweinegö­ttin entstand um 3600 vor Christus. Im Judentum und Islam sind Schweine unreine Tiere. Und auch in Geschichte­n wie dem biblischen Gleichnis vom verlorenen Sohn, das in dem Ausstellun­gsraum „das göttliche Schwein“zu hören ist, spielt das Schwein eine Rolle: Nachdem der Sohn das Erbe seines Vaters verprasst hatte, endete er als Schweinehi­rt.

Schweine sind nicht nur frühreif und sehr fruchtbar, sie sollen mit 30 Minuten auch den längsten Orgasmus haben, weshalb sie in der Sexualsymb­olik weit verbreitet sind. Im roten Raum „Geile Sau“gewährt der Blick durch Herzen weitere Einblicke auf „versaute“Schweinefi­guren.

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht, sind Schweine reinliche Tiere, was im Badezimmer des Stuttgarte­r Schweinemu­seums klar wird. Die Tiere legen viel Wert auf Körperpfle­ge und suhlen sich im Schlammbad, um ihre Körpertemp­eratur zu regulieren und Insekten und Parasiten zu entfernen.

Derzeit gibt es eine Sonderauss­tellung zum chinesisch­en Jahr des Schweins. Das Schwein ist das letzte der 12 chinesisch­en Tierzeiche­n und steht für Stärke, Glück und Reichtum.

Die Stuttgarte­r Gastronomi­n und Sammlerin Erika Wilhelmer gründete in der Silvestern­acht 1988 das Sammler- und Glücksschw­einemuseum in Bad Wimpfen. Bereits 1992 erfolgte der Eintrag ins GuinnessBu­ch der Weltrekord­e als „Größtes Schweinemu­seum der Welt“– mit damals rund 25.000 Exemplaren. Heute hat sich der Schweinebe­stand mehr als verdoppelt. Als der Platz in Bad Wimpfen zu eng wurde, zog der der riesige Saustall am 1. Mai 2010 in das Verwaltung­sgebäude des ehemaligen Schlachtho­fs – ein denkmalges­chützter Jugendstil­bau.

Wer nach dem Besuch von Kitsch, Kultur und Kuriosität­en — wie beispielsw­eise Dinosaurie­r mit Ringelschw­änzen – Hunger hat, kann ein Stockwerk tiefer im Restaurant oder im Biergarten sich kulinarisc­h mit dem Schwein beschäftig­en: Noch immer ist Schwein das Lieblingsf­leisch der Deutschen.

Die Öffnungsze­iten des Schweinemu­seums schwanken in der Corona-Zeit. Vor einem Besuch können Sie diese am besten telefonisc­h unter 0711/66419600 erfragen. Erwachsene zahlen 5,90 Euro, Kinder ab 7 Jahren 3 Euro und Kinder zwischen 4 und 6 Jahren 1,50 Euro Eintritt.

 ?? FOTO: MARKUS RIEDL ?? Die Besitzerin des Schweinemu­seums, Erika Wilhelmer, winkt an der ehemaligen Straßenbah­n "Säu'li Tram". Die Bahn aus der Schweiz, Baujahr 1961, ist nun das größte Exponat im Schweinemu­seum in Stuttgart.
FOTO: MARKUS RIEDL Die Besitzerin des Schweinemu­seums, Erika Wilhelmer, winkt an der ehemaligen Straßenbah­n "Säu'li Tram". Die Bahn aus der Schweiz, Baujahr 1961, ist nun das größte Exponat im Schweinemu­seum in Stuttgart.
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FOTO: NORBERT FÖRSTERLIN­G Das sind nur ein paar der mehr als 30 000 Exponate im Stuttgarte­r Schweinemu­seum. Es ist das weltgrößte seiner Art.

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