Mit Chauffeur und Elektrovan zum Arzt
Taxialternativen haben es bislang schwer in Deutschland – Das ändert die schwarz-rote Koalition jetzt
- Es ist ein Baustein zur Modernisierung der Verkehrswelt. Wer auf dem Land wohnt, nicht selbst Auto fahren will oder kann und regelmäßig zum Arzt muss, die Praxis aber 15 Kilometer entfernt ist, hat derzeit kaum eine Wahl. Fährt der Bus nur zweimal am Tag, bleibt oft nur eins: Taxi rufen.
Künftig soll es Alternativen geben – und mehr neue Mobilitätsanbieter, die etwa mit Kleinbussen oder auch mit dem Pkw Personen transportieren. Das soll die Modernisierung des Personenbeförderungsgesetzes ermöglichen. Die schwarz-rote Koalition hat sich jetzt in einem Papier auf die entscheidenden Eckpunkte dafür geeinigt. Damit ist ein langer Streit gestoppt.
Die Taxialternativen versuchen schon lange sich zu etablieren, bisher kommen sie aber allenfalls in Städten voran. Oft stecken große Unternehmen dahinter. Berühmt ist der USRiese Uber, der Fahrten mit Chauffeur
in Pkw vermittelt. Das ist das eine. Das andere: die Neuerfindung der Sammelbullis, Experten sprechen von Pooling-Diensten.
Die Bundesregierung machte es den neuen Anbietern lange Zeit allerdings nicht leicht – sie sind derzeit meist nur mit befristeten Ausnahmeregelungen unterwegs. Der Hintergrund: Sie können zwar eine Ergänzung zu Bussen, Bahnen, Taxen sein. Vor allem für letztere sind sie aber auch eine enorme Konkurrenz.
Die klassische Taxibranche sieht sich mit den neuen Anbietern unter Druck. Dabei kommt sie so schon nur schwer über die Runden. Taxen sind anders als die taxiähnlichen Mietwagen oder Vans stark reguliert: Sie können die Fahrpreise nicht frei kalkulieren. Da sie Teil des öffentlichen Nahverkehrs sind, gelten für sie verbindliche kommunale Taxitarife. Die Fahrer brauchen eine Ortskundeprüfung. Sie müssen alle Fahrgäste transportieren, auch wenn die Strecke kurz und wenig lukrativ ist. „Sowohl der Taxi- wie auch der Mietwagenbetrieb
soll von regulatorischen Entlastungen profitieren“, nahmen sich CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vor. Unions-Fraktionsvize Ulrich Lange, CSU, sagte es nun so: „Das gute, alte Personenbeförderungsrecht bekommt ein Digital-Update.“
Die entscheidenden Punkte erklärt Andreas Knie. Er ist einer der führenden Mobilitätsforscher in Deutschland und leitet die Forschungsgruppe Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB). „Punkt eins“, meint er: „Mit der Reform sollen die neuen Anbieter dauerhaft erlaubt werden.“Zweite wichtige Neuerung sei: „Für die klassischen Taxen können Preiskorridore festgelegt werden – mit Ober- und Untergrenzen.“Dritter Punkt: „Die Kannibalisierung der Taxibranche durch Uber wird es nicht geben.“Denn taxiähnliche Mietwagen müssten auch in Zukunft, damit sie von klassischen Taxen abgegrenzt werden können, nach jedem
Beförderungsauftrag zum Betriebssitz zurückkehren. Sie dürften, anders als die Taxen, nicht auf der Straße auf zufällige Kunden warten.
Diese sogenannte Rückkehrpflicht ist umstritten. Für Uber ist sie ein Rückschlag. Die modernen Sammeltaxen, die sich mehrere Personen teilen, die ein ähnliches Ziel haben, dürfen indes noch hoffen: Ob für sie die Rückkehrpflicht gelten wird, werde noch verhandelt, so Knie. Der Professor ist froh über die Reform.
Knie sagt: „Es ist noch nicht die Verkehrswende, aber nach langem Stillstand bewegt sich was. Auf das private Auto wird sich leichter verzichten lassen, neue kostengünstige und umweltfreundliche Mobilitätsangebote werden kommen.“Bis Ende des Jahres will die Koalition die Regeln rechtlich festzurren.
Da läge „schon noch ein langer Weg“vor ihnen, so CSU-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer am Freitag. SPD-Fraktionsvize Sören Bartol meinte, der Teufel stecke im Detail.