Europa muss sich selbst verteidigen
Politiker wie Außenminister Heiko Maas (SPD), die von der Ankündigung des US-Truppenabzugs nach eigenen Worten überrascht sind und das deutsch-amerikanische Verhältnis auf einem historischen Tiefpunkt sehen, haben ganz offensichtlich in den vergangenen Jahren weggehört und weggesehen: Immer und immer wieder hatte Präsident Trump die Deutschen wegen des angeblich zu niedrigen Wehretats, des deutsch-russischen Gasgeschäfts und des Handelsdefizits kritisiert. Dass er jetzt, innenpolitisch unter Druck und bereits im Wahlkampfmodus, seine Ankündigung ohne Rücksprache mit deutschen Partnern umsetzt, war zu erwarten.
Statt nun zu jammern, sollten die Europäer endlich, 75 Jahre nach Kriegsende, zur Kenntnis nehmen, dass die Zeit, in der die USA die europäische Nachkriegsordnung bestimmen wollten, längst abgelaufen ist. Schon in der Amtszeit von Präsident Barack Obama (2009 bis 2017) hatten sich die USA dem pazifischen Raum zu- und Europa abgewandt. Doch die Europäer wollen bis heute nicht wahrhaben, dass das als aggressiv wahrgenommene Russland an der Nato-Ostgrenze agiert und die Konflikte im Nahen Osten, drei Flugstunden entfernt, eskalieren.
Es wäre falsch, jetzt auf eine Niederlage Trumps bei der Präsidentschaftswahl im November und auf eine Neuauflage der transatlantischen Partnerschaft zu setzen: Der Demokrat Joe Biden, der Gegenkandidat, hat als Obamas Vizepräsident die Orientierung der USA in Richtung Pazifik mitgestaltet.
Richtig ist jetzt, innerhalb der Nato oder der EU ganz schnell nationale Alleingänge zu stoppen und die Zusammenarbeit mit Frankreich, Großbritannien, Italien und Polen, die sich als verlässliche Partner erwiesen haben, zu stärken. Instrumente wie die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit PESCO oder der gemeinsame europäische Verteidigungsfonds sind geschaffen: Europa muss sie nur anwenden. Vor allem aber gilt es zu akzeptieren: Europa muss in Sachen Verteidigung autonomer werden – und weniger angewiesen auf das US-Engagement.